Matthias Moor: Geistersee. Bodensee-Krimi

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Vandam
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Matthias Moor: Geistersee. Bodensee-Krimi

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Matthias Moor: Geistersee. Bodensee-Krimi, Köln 2016, Emons-Verlag, ISBN 978-3-95451-979-8, Softcover, 254 Seiten, Format: 13,6 x 3,2 x 20,3 cm, Buch: EUR 10,90, Kindle Edition: EUR 8,49.

Konstanz 2016: Der distinguierte Archäologie-Professor Alexander Stetten (60) erhält per Post eine ebenso kreative wie gruselige Morddrohung. Absender: angeblich seine vor 21 Jahren verstorbene Mutter!

Einen Mordanschlag hat er schon mit knapper Not überlebt. Statt zur Polizei zu gehen, engagiert er den Privatdetektiv Martin Schwarz und dessen „Schwarz Detectives“. Davon erhofft er sich Aufklärung und gleichzeitig Personenschutz, etwas, das ihm die Polizei in der Form nicht bieten kann.

Wer bedroht den Professor?
Professor Stetten lebt in einem weitläufigen Schloss am See. Im Haus ist außer ihm nur noch ein fast 90jähriger Butler. Beides – Schloss und Diener – sind ein Erbe seiner großbürgerlichen Familie.

Auch wenn Martin Schwarz‘ Lebensgefährtin Elsa, eine Psychotherapeutin, noch so meutert, weil sie jetzt mit dem Baby allein zuhause sitzt, zieht der Detektiv vorübergehend zum Professor aufs Schloss. Seine Mannschaft stürzt sich derweil auf die Hintergrundrecherche zu dem Fall.

So ganz koscher scheint der Professor nicht zu sein. Die Idee, dass seine verstorbene Mutter Nora, eine ehemalige Hollywood-Schauspielerin mit schwierigem Charakter, ihn bedroht, weil sie ihm den 50 Jahre zurückliegenden Unfalltod seines jüngeren Bruders ankreidet, verwirft Stetten zum Glück recht schnell wieder. Doch dann verdächtigt er seine zwei Ex-Lebensgefährtinnen. Die haben erschreckende Gemeinsamkeiten: Sie waren schöne, aber labile junge Frauen, die nach ein paar Jahren Beziehung mit Stetten in der Psychiatrie gelandet und danach spurlos verschwunden sind.

Detektiv Schwarz, der als ehemaliger KSK-Soldat nach einem Afghanistan-Einsatz immer noch gegen seine eigenen Dämonen kämpft, jagt jetzt die seines Auftraggebers …

Sagt einer hier die Wahrheit?
Erzählt wird die Geschichte auf unterschiedlichen Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven. Es dauert eine Weile, bis man heraus hat, wer hier wann erzählt. Nach und nach erfahren wir, wie Stettens jüngerer Bruder im Jahr 1967 angeblich ums Leben gekommen ist … was die schöne Hollywood-Mom in Wahrheit für ein Kaliber war … wie die Beziehung zwischen Stetten und seiner Studentin Angelika im London der 1980er-Jahre gelaufen ist und warum die Buchhändlerin Eva, mit der er bis vor drei Monaten zusammengelebt hat, sich so plötzlich vom Acker gemacht hat.

Oder ist doch alles ganz anders gewesen, als man uns hier weismachen will? Bald schon fragt man sich nämlich bei allen Erzählern, ob das, was sie da schildern, auch in der Realität stattgefunden hat oder nur in ihrem kranken Geist. Was wirklich geschah und wie das alles zusammenhängt, das klärt sich erst ganz zum Schluss.

Spannend ist die Geschichte, keine Frage! Man liest wie besessen weiter, weil man unbedingt wissen will, wer hinter den Anschlägen auf den Professor steckt, was aus seinen Exfrauen geworden ist – und wer hier eigentlich die Wahrheit sagt. Wenn alle Hauptfiguren psychisch auffällig sind, ist das nämlich schwer zu erkennen.

Interessanter Held, krasser Kriminalfall
Martin Schwarz, der Privatdetektiv, ist eine sehr interessante Figur: ein ehemaliger Soldat, der unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung leidet und immer Angst hat, er könne in einer Stresssituation wieder zusammenbrechen und seiner jungen Familie eine Last statt eine Stütze sein. Das ist aufgrund seiner Vorgeschichte durchaus nachvollziehbar. Seine Partnerin und sein Team wirken sympathisch, lebensnah und bodenständig mit ihren Alltagsfreuden und -sorgen. Der Kriminalfall selbst bietet für meinen Geschmack „zu viel von allem“. Klar: Die 08/15-Fälle landen bei der Polizei. Wer sich einen Privatdetektiv nimmt, hat entweder schon alle anderen Mittel ausgeschöpft oder hat selbst etwas zu verbergen.

Ich habe schon mit einem „besonderen“ Fall gerechnet. Aber hier geht’s ja zu wie bei Edgar Wallace, Fantomas oder James Bond: Filmstar, Gruselschloss, Psychiatrie, wahnsinniger Axtmörder, Berufskiller, Mafia … Das ist mir einfach zu viel „Krawumm“, vor allem am Schluss. Und, bitte: Welcher verantwortungsbewusste Erwachsene erzählt einem Elfjährigen, dass man von seinem verunglückten kleinen Bruder nur noch ein paar Fetzen gefunden hat und dass sein Kopf fehlt? Igitt!

Fantomas am Bodensee?
Tut mir Leid – so klasse der Privatermittler auch ist, aber das ist mir alles eine Nummer zu groß, zu laut und zu krank! Ein Vermisstenfall, bei dem man nicht so recht weiß, wessen Wahrnehmung man wirklich trauen kann, hätte mir vollauf genügt. Ich hatte einfach nicht erwartet, unter der Bezeichnung „Bodensee-Krimi“ so einen Reißer zu erwischen. Wer auf dieses Genre steht – und es hat sehr viele Fans – ist mit diesem Roman sicher gut bedient.

Erbsenzähler-Anmerkung am Rande: Wenn Nora Stetten 1995 gestorben ist, war sie 77, nicht 67 Jahre alt. Und wäre ihre Hollywood-Karriere nicht ohnehin schon altershalber vorbei gewesen, als sie in Ende der 1960er-Jahre ihre Kinder bekam? Da war sie plusminus 40 und hätte auf nicht mehr allzu viele gute Rollen hoffen können. Aber gut: In diesem Roman hat jede Figur ihre subjektive Wahrnehmung, die mit der Realität nichts zu tun haben muss, und handelt danach …

Der Autor
Matthias Moor, Jahrgang 1969, lebt seit über zwanzig Jahren am Bodensee. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und arbeitet als Gymnasiallehrer, Autor wie auch als freier Journalist in Konstanz. Er liebt den See mit seinen vielgestaltigen Landschaften. www.matthias-moor.de
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