Silke Porath, Sören Prescher: Klosterkeller. Pater Pius ermittelt

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Vandam
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Silke Porath, Sören Prescher: Klosterkeller. Pater Pius ermittelt

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Silke Porath, Sören Prescher: Klosterkeller. Pater Pius ermittelt, Meßkirch 2016, Gmeiner Verlag, ISBN 978-3-8392-1829-7, Softcover, 310 Seiten, Format: 12,1 x 2,7 x 20 cm, Buch: EUR 11,99 (D), EUR 12,40 (A), Kindle Edition: EUR 9,99.

Philomena zu Heurigen-Ulrichstein aus dem Geschlecht einer alten Balinger Adelsfamilie hat dem Claretiner-Kloster in Spaichingen eine Immobilie vermacht. In dem Gebäude aus dem 18. Jahrhundert war jahrelang das Landratsamt Balingen untergebracht, jetzt steht es seit längerem leer. Im Auftrag des klösterlichen Mutterhauses fahren Pater Pius, der Prior, und Bruder Johannes, der Cellerar, nach Balingen um die Immobilie in Augenschein zu nehmen und den Gebäudezustand genau zu dokumentieren.

Das Landratsamt hat ein Skelett im Keller
Zusammen mit dem Hausmeisterehepaar Horst und Gerlinde Seifried besichtigen sie das Gemäuer. Doch sie kommen nicht weit: Nach wenigen Minuten schon stoßen sie in einem Kellerraum auf ein Skelett. Das liegt erst seit kurzem hier, dessen sind sich Kommissarin Verena Hälble und ihr Partner und Lebensgefährte, Kommissar Thorben Fischer, auch ohne Konsultation der Rechtsmedizin sicher. Alte Knochen wären braun und porös, diese hier sehen aus, als hätte man sie gebleicht.

Kommissarin Hälble und Pater Pius kennen einander schon seit Jahrzehnten. Sie stammen beide aus Spachingen, bei ihm ist sie zur Erstkommunion gegangen. In den vergangenen Jahren hatten sie auch wiederholt beruflich miteinander zu tun. Wir sprechen hier von Verenas Beruf. Pater Pius ist ein Krimifan und scheint sich seinen berühmten literarischen Berufskollegen Brown zum Vorbild genommen zu haben: Immer wieder stolpert er über Kriminalfälle und ermittelt leichtsinnigerweise gerne selber, was ihn schon mehrfach in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht hat.

Da werden die zwei Kommissare den neugierigen Pater wohl bald wieder irgendwo rauspauken müssen. Rechtsmediziner Wittke aus Tübingen hat nämlich herausgefunden, dass die tote junge Frau aus dem Klosterkeller ein Mordopfer ist. Jemand hat ihr das Genick gebrochen, dann mittels Chemikalien das Fleisch von den Knochen gelöst und das Skelett in dem leerstehenden Gebäude entsorgt. Und das alles ist längstens zwei Monate her.

Wer kennt das Mordopfer?
Um herauszufinden, wer die Frau ermordet hat, müsste man erst einmal wissen, wer sie ist. Keine Vermisstenanzeige passt auf sie. Also konzentrieren sich die Ermittlungen der Polizei zunächst darauf, wer Zutritt zu dem Gebäude hatte (praktisch jeder) und wer das nötige Wissen und Zugang zu den verwendeten Chemikalien hat. Heißester Kandidat wäre ein mehrfach vorbestrafter Tierpräparator aus Trossingen. Aber der ist mittlerweile zum Spießer erster Klasse mutiert mit Familie, Eigenheim und Kaninchenzucht. Bereitwillig teilt er sein Fachwissen mit dem Kommissar. Das war wohl ein Schuss in den Ofen.

Und was machen die zwei Hobbykriminalisten aus dem Kloster? Haben sie mehr in Erfahrung gebracht? Mitnichten! Sie kümmern sich brav um ihre Immobilie und die persönlichen Probleme des Hausmeisterehepaars Seifried. Zur Erheiterung der Leserschaft kämpfen sie auch tapfer mit den Tücken der Technik. Sie haben ein neues Smartphone bekommen und können nicht damit umgehen.

Verdächtige Dateien, dubiose Geschäfte
Als sie den MP3-Player des cholerischen Versicherungsmaklers Dirk Rüsselsbacher finden, spielen sie planlos darauf herum und entdecken dabei durch Zufall brisante geschäftliche Dateien, die auf so einem Gerät garantiert nichts zu suchen haben. Da stimmt doch was nicht! Hat Rüsselsbacher etwas mit dem Mord im Klosterkeller zu tun? Seine Firma Sonterris ist geschäftlich mit der Hausverwaltung verbandelt, die für das ehemalige Landratsamt zuständig ist. Und vor vier Jahren ist schon einmal eine Sonterris-Mitarbeiterin tot in dem Gebäude aufgefunden worden. Suizid, hat es damals geheißen. Hat diese Mitarbeiterin Insider- Informationen gehabt, die ihr zum Verhängnis geworden sind? Und war das bei der unbekannten Toten vielleicht auch der Fall?

Während die Polizei die diversen geschäftlichen Verflechtungen unter die Lupe nimmt, vermutet Pater Pius das Motiv eher im privaten Bereich. Vielleicht war schnöde Eifersucht das Mordmotiv.

Mit dem Thema kennt sich auch Kommissar Fischer bestens aus. Hinter den Alleingängen seiner Partnerin Verena vermutet er eine Affäre. Dass sie nur mit einer alten Schulkameradin und deren Mädels um die Häuser zieht und im Übrigen ihrer Arbeit nachgeht, auf den Gedanken wäre er nie gekommen. Na ja, ich trau ihm eh nicht viele Gedanken zu. Für mich ist und bleibt er ein wehleidiger Kasper und ich verstehe auch im 3. Band noch nicht, was sie an ihm findet.

Ermittler auf dem Holzweg
Wie alles zusammenhängt und wer die junge Frau auf dem Gewissen hat, das kommt erst ganz am Schluss ans Licht. Dabei wird der Täter aber nicht aus dem Hut gezaubert. Es geht uns nur so wie den Patres und der Polizei: Solange wir nicht alle Informationen haben, können wir den Mörder auch nicht entlarven.

Atemberaubende Action wird hier nicht geboten. Die Stärke dieses Krimis liegt in den menschlichen Szenen. Die Patres, die mit geradezu kindlicher Begeisterung – und ebensolcher Hilflosigkeit – darauf reagieren, dass sie mal aus dem Klosteralltag rauskommen … die vom Leben enttäuschte Hausmeistergattin … die Schickimicki-Hausfrauenclique … der ambitionierte Zahnarzt oder der geläuterte Ganoven: Da gelingen dem Autorenduo mit kleinen Alltagsszenen interessante Porträts, mal witzig, mal berührend.

Jedes Kapitel wird mit einem Ausschnitt aus dem Programm des fiktiven regionalen Rundfunksenders „Radio Donauwelle“ eingeleitet. Sie liefern den Soundtrack zum Buch und haben manchmal auch einen direkten Bezug zur Handlung. Das ist ein netter Gag, der sich bisher durch alle Pater-Pius-Krimis zieht und hier sehr dezent eingesetzt wird.

Für Schwaben und Nichtschwaben
Die Hausmeisterin schwätzt gelegentlich ein paar Brocken schwäbisch und der Pater kann’s auch. Aber man kann der Geschichte auch problemlos folgen, wenn man keinen Bezug zur Region hat. Insider, die bei der Erwähnung eines Gebäudes oder eines Straßennamens bereits ein konkretes Bild vor Augen haben, haben natürlich einen „Heimvorteil“. So ist das nun mal bei Regionalkrimis.

Eines hätte mich jetzt doch noch interessiert: Wie hat man Skelett nun wirklich vorgefunden? Verena Hälble sagt, dass die Knochen in falscher anatomischer Anordnung auf dem Kellerboden ausgelegt waren (Seite 26), Thorben Fischer erzählt etwas von einem angeketteten Skelett (Seite 20) und Rechtsmediziner Wittke behauptet gar, es habe an der Wand gehangen (Seite 43). Übertreiben die Jungs wieder mal? Eigentlich ergibt ja nur Verenas Variante einen Sinn.

Und wie alt ist Pater Pius? Aus dem ersten Band hatte ich ihn als einen Mann von 64 Jahren in Erinnerung. Auf Seite 23 des vorliegenden Bandes wird er als Mittfünfziger bezeichnet. Dann wäre er ja mein Jahrgang (1960). In dem Fall verbitte ich mir Beschreibungen wie „alter Mann“ und „Senior“ … ;-)

Die Autoren
Silke Porath ist auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen. Die Lehr- und Studienjahre verbrachte die bekennende Schwäbin zum Teil im badischen Exil. Heute lebt sie mit ihrem französischen Mann wieder in ihrer Heimatstadt Balingen. Die ausgebildete Redakteurin und PR-Beraterin hat drei Kinder. Ihre Leidenschaft gilt dem Schreiben und das vermittelt sie als Schreibtrainerin großen und kleinen Autoren. Ihre Geschichten und Romane wurden mehrfach ausgezeichnet.

Sören Prescher ist in Bautzen geboren und wohnt mit seiner Familie in Nürnberg. Neben seiner Arbeit für ein internationales Wirtschaftsunternehmen schreibt er für das Nürnberger Musik- und Kulturmagazin RCN. In den vergangenen Jahren erschienen mehrere Romane von ihm, die von Steampunk über Mystery und Horror bis zu Thrillern beinahe sämtliche Genres abdecken. Weitere Infos: http://www.soeren-prescher.de.
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