Noch mal Urheberrecht - diesmal nicht zum Thema Kopieren

Hier können Neulinge Fragen stellen - erfahrene User antworten.
Antworten
barbara
Beiträge: 606
Registriert: Fr 23. Sep 2005, 08:02

Noch mal Urheberrecht - diesmal nicht zum Thema Kopieren

Beitrag von barbara »

Ich möchte gerne mal eine zwei andere Fragen in den Raum stellen, die im weitesten Sinne das Urheberrecht betreffen:

- Darf man Dissertationen verkaufen, die nicht in einem Verlag erschienen sind, d. h. die Pflichtexemplare, die an einer Hochschule eingereicht werden mussten und irgendwann im Nachlass eines Autors/Kollegen oder im Ausschuss einer Bibliothek auftauchen? Falls man es darf, dürfte man es auch dann, wenn der Autor eine Person der Zeitgeschichte ist?

- Wenn bei einem erschienenen Werk die weitere Verbreitung untersagt wird und dies dem Buchhandel/Musikhandel kundgetan wird, darf ich dann auch als Privatmensch mein vorher erworbenes Exemplar nicht mehr veräußern? (Beispiel: Esra von Biller oder die allseits bekannten Sweet-CDs) Könnte man mich belangen, auch wenn das nicht wie im Falle Biller groß durch die Presse gegangen ist und ich es vielleicht gar nicht wissen kann?
Phantom der Oper
Beiträge: 163
Registriert: So 5. Feb 2006, 00:44

Beitrag von Phantom der Oper »

Letzteres kann ich beantworten:

Ist nicht erlaubt. Kann man aber mit einem Trick ümgehen, so hab ich das bei IB mal gemacht: Hatte eh 2 DCs zu verkaufen, hab die erste zum Verkauf angeboten und dazu geschrieben dass es die zweite GRATIS dazugibt (Das angebotsbild betraf auch nur die erste, reguläre CD)

Kann mir doch niemand verbieten meine Sachen zu verschenken....
nanoq
Beiträge: 2173
Registriert: So 20. Mai 2007, 12:37

Re: Noch mal Urheberrecht - diesmal nicht zum Thema Kopieren

Beitrag von nanoq »

Ach Barbara, du stellst Fragen... Ich kann deine Fragen erstmal nur mit einer der meistverwendeten Formeln eines Juristen beantworten, nämlich einem glasklaren "Es kommt drauf an".

Jetzt muss ich erstmal tief durchatmen und hoffe, dir dann ausreichend antworten zu können.
barbara hat geschrieben:- Darf man Dissertationen verkaufen, die nicht in einem Verlag erschienen sind, d. h. die Pflichtexemplare, die an einer Hochschule eingereicht werden mussten und irgendwann im Nachlass eines Autors/Kollegen oder im Ausschuss einer Bibliothek auftauchen? Falls man es darf, dürfte man es auch dann, wenn der Autor eine Person der Zeitgeschichte ist?
Hier ist das Urheberrechtsgesetz einschlägig. Zunächst mal gilt gemäß § 15 UrhG, dass der Urheber das ausschließliche Recht hat, sein Werk zu verwerten, wozu insbesondere auch das Verbreitungsrecht (gem. § 17 UrhG) gehört, nämlich das Recht, das Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Verbreitung ist daher jede Weitergabe des Werkes, also insbesondere ein Verkauf.

Aber der Urheber kann eben auch jemand anderem Nutzungsrechte an seinem Werk einräumen (§§ 31 ff UrhG). Bei einem Buch wäre das z.B. der veröffentlichende Verlag. Wie weit man danach noch selbst über die weitere Verbreitung entscheiden kann, hängt dann von dem Vertrag mit diesem Verlag ab.

Bei einer Dissertation ist die Grundsituation erstmal dieselbe: derjenige, der sie geschrieben hat, ist Urheber und hat als solcher das Verbreitungsrecht. Ob diejenigen, die die Dissertation von ihm erhalten haben, sie verbreiten dürfen, ob ihnen also ein diesbezügliches Nutzungsrecht eingeräumt ist, muss sich aus den Regelungen ergeben, die der Dissertation zugrunde liegen, man müsste also die entsprechende Promotionsordnung zu Rate ziehen. Ich habe selbst nicht promoviert und mich deshalb auch noch nie näher mit den entsprechenden Regelungen auseinandergesetzt. Ich könnte mir vorstellen, dass die Verbreitung / Weitergabe einer Dissertation zwar erlaubt aber auf wissenschaftliche Bereiche beschränkt sein kann. Wenn es im Rahmen der Promotion bzw. bezüglich der Dissertation keine Regelungen über die Verbreitung geben sollte, dann dürfte man sie nicht ohne Zustimmung des Autors veräußern (es sei denn, dieser ist bereits seit 70 Jahren tot). Aber eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen, denn Dissertationen sind ja eigentlich zum wissenschaftlichen Austausch gedacht, deshalb vermute ich mal, dass es irgendwelche Regelungen zur Weitergabe gibt, die ich aber, wie gesagt nicht kenne. Konkret beantworten kann ich deine Frage also leider nicht.

Die Tatsache, dass jemand eine Person der Zeitgeschichte ist, hat übrigens nichts mit dieser urheberrechtlichen Frage zu tun. Es gibt zwar Besonderheiten, wenn es um Personen der Zeitgeschichte geht, die beziehen sich aber darauf, was über denjenigen berichtet wird.

- Wenn bei einem erschienenen Werk die weitere Verbreitung untersagt wird und dies dem Buchhandel/Musikhandel kundgetan wird, darf ich dann auch als Privatmensch mein vorher erworbenes Exemplar nicht mehr veräußern? (Beispiel: Esra von Biller oder die allseits bekannten Sweet-CDs) Könnte man mich belangen, auch wenn das nicht wie im Falle Biller groß durch die Presse gegangen ist und ich es vielleicht gar nicht wissen kann?
Deine zweite Frage ist ebenfalls nicht eindeutig zu beantworten, allerdings aus einem anderen Grund (aber hier muss ich wenigstens nicht auf mir selbst völlig unbekannte Promotionsvorschriften verweisen).

In diesem Zusammenhang kommt es nämlich immer darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage das Verbot beruht. Ich kann hier jetzt nicht alle möglichen Fälle nennen, aber ich werde versuchen, das eine oder andere Beispiel zu erläutern:

Du hast schon das Beispiel Maxim Biller genannt. Hier war es so, dass es eine einstweilige Verfügung gegen die (weitere) Verbreitung des Buches gegeben hat, mit der Begründung, er habe mit den Schilderungen in dem Buch das allgemeine Persönlichkeitsrecht seiner Exfreundin und deren Mutter verletzt. Es handelte sich um ein rein zivilrechtliches Verfahren. Die einstweilige Verfügung ging gegen den Verlag und wurde erst erlassen, nachdem bereits einige Bücher verkauft worden waren. Da die Verfügung erst ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses wirksam war und sein konnte, gibt es hinsichtlich der vorher bereits in Umlauf gelangten Bücher kein Problem. Bücher, die veräußert wurden, bevor ein solches zivilrechtliches Verbot rechtskräftig oder vorläufig vollstreckbar wurde, wurden rechtmäßig verkauft.

Die Verfügung richtet sich ja auch gegen den Verlag, deshalb kann man natürlich auch nicht davon ausgehen, dass jeder (potenzielle) Verkäufer des Buches auch weiß, dass dies nicht (mehr) verkaufen darf. Solange der Händler nicht weiß, bzw. wissen muss, dass durch dies Buch Rechte verletzt werden, dürfte man ihn m.E. nicht belangen können.

Das muss für jede Rechtsverletzung gelten, auf der ein Verbreitungsverbot eines Buches basiert, also nicht nur - wie bei Biller - bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, sondern auch für Urheberrechtsverletzungen in einem Buch (womit wieder der Bogen zum Titel geschlagen wäre).


Bücher oder anderes können aber auch aufgrund des Strafrechts verboten sein.

Beispielsweise macht man sich nach § 131 StGB strafbar, wenn man "...Schriften, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen ... in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt ..., verbreitet ..."

Die Verbreitung, das heißt der Verkauf aber auch das Verschenken oder das Verleihen von gewaltverherrlichenden Schriften, ist also verboten. Wenn hier einige Exemplare eines Buches veröffentlicht wurden, bevor festgestellt wurde, dass eine Gewaltverherrlichung vorliegt, dann ist auch die Verbreitung dieser anfangs veröffentlichten Exemplare schlichtweg verboten und kann mit Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden.

Es gibt noch weitere strafrechtliche Verbote (z.B. betreffend Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung, Anleitung zu Straftaten, Kinderpornografie), ich habe den § 131 StGB jetzt nur mal als Beispiel rausgesucht.


Tja und dann gibt es auch noch die Indizierungen nach dem Jugendschutz. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien setzt Medien, also Bücher, CDs, Videos oder Spiele auf die entsprechende Liste - indiziert sie also - wenn diese als jugendgefährdend anzusehen sind. Hier ist die Besonderheit, dass solche indizierten Medien an Erwachsene, also Personen über 18, durchaus verkauft werden dürfen. Dies gilt aber natürlich nur, wenn sie nicht außerdem gegen die schon erwähnten strafrechtlichen Verbote verstoßen. Der Verkauf derartiger indizierter Waren ist gem. § 4 JgefSchrG nur im Einzelhandel und auch dort nicht außerhalb von Geschäftsräumen erlaubt.


So, jetzt habe ich wieder eine Menge erzählt, und das Ergebnis meiner ganzen Ausführungen ist trotzdem, dass ich leider die eigentlichen Fragen nicht so recht beantworten konnte.



Eine Anmerkung habe ich aber noch:
Phantom der Oper hat geschrieben:Kann mir doch niemand verbieten meine Sachen zu verschenken....
Doch, unter Umständen kann man es dir verbieten. Wenn für ein Buch, eine CD oder was auch immer ein Verbreitungsverbot besteht, dann gilt das eben auch für Geschenke. Von derartigen Umgehungsmethoden rate ich wirklich ab, damit kann man sich eine ganze Menge Ärger einhandeln.


Schöne Grüße

nanoq


edit.: Ich finde auch in alten Beiträgen immer wieder Tippfehler
Zuletzt geändert von nanoq am Fr 8. Nov 2013, 16:31, insgesamt 2-mal geändert.
Phantom der Oper
Beiträge: 163
Registriert: So 5. Feb 2006, 00:44

Beitrag von Phantom der Oper »

echt jetzt? also bei indizierten sachen klar, das darf ich auch nicht via geschenk verbreiten, aber bei Promoartikeln (bei mir ging es konkret um eine Pink-Floyd CD "Promo, not fpr resale" die ich deshalb halt nicht verkauft sondern verschenkt habe
nanoq
Beiträge: 2173
Registriert: So 20. Mai 2007, 12:37

Beitrag von nanoq »

Phantom der Oper hat geschrieben: aber bei Promoartikeln (bei mir ging es konkret um eine Pink-Floyd CD "Promo, not fpr resale" die ich deshalb halt nicht verkauft sondern verschenkt habe
Nein, das Verschenken derartiger Artikel halte ich nicht für problematisch. Da gibt es ja auch kein Verbreitungsverbot (man soll nur halt mit sowas kein Geld verdienen können). Ich hatte eher gedacht, dass du einen indizierten Artikel mitgeliefert hast (es gibt ja inzwischen doch einiges, was erst ab 18 erlaubt ist).

Gruß, nanoq
Phantom der Oper
Beiträge: 163
Registriert: So 5. Feb 2006, 00:44

Beitrag von Phantom der Oper »

ne mit sowas habe ich nichts zu tun...


ich lerne: ich muss mich klarer ausdrücken.

:wink:
Benutzeravatar
d_r_m_s
Beiträge: 3593
Registriert: Do 27. Okt 2005, 11:54
Wohnort: Grossraum Karlsruhe

Beitrag von d_r_m_s »

bin zwar kein Rechtswissenschaftler, aber mal so als advocatus diaboli der werten Abmahnarmwälte ...

ein Angebot enthält also einen Artikel zum Verkauf, dazu gibt es einen zweiten (den man nicht verkaufen darf) als Geschenk ...

wenn dieses Geschenk jetzt wesentlich zum Wert des Gesamtangebotes beiträgt könnte man vielleicht argumentieren, dass der Käufer das letztendlich auch als wesentlichen Bestandteil seines Kaufes sieht ...
besonders kritisch für den Verkäufer könnte es werden, wenn nicht eine Auktion mit niedrigem Startpreis stattfindet (also der Käufer den Endpreis festlegt), sondern ein fester Preis angesetzt wird, der den üblichen Preis des als Verkauf angesetzten Artikels mehr oder weniger deutlich überschreitet ... dann müsste sich der VK ev. vorhalten lassen, dass er ja selbst das 'Geschenk' offensichtlich schon eingepreist hat ...

also grundsätzlich sollte man sicher sehr vorsichtig sein beim Versuch, geltendes Recht zu umgehen ...

andererseits muss sich natürlich erstmal ein legitimierter (!) Kläger finden ... die grossen (Musik- und andere) Verlage haben an Einzelverkäufen mglw. unerlaubter Artikel sicher kein Interesse ... in den ganzen alten TBs von Pabel (Utopia, Terra etc.) steht im Vorsatz 'Wiederverkauf verboten' ... schert sich kein Mensch drum ... (allerdings sind die auch nicht verschenkt worden ...)
barbara
Beiträge: 606
Registriert: Fr 23. Sep 2005, 08:02

Beitrag von barbara »

Danke, nanoq, dass du dir immer so viel Mühe gibts, unsere merkwürdigen Fragen zu beantworten!

Bei dem Dissertationsproblem habe ich auf der Grundlage deiner Hinweise mal ein bisschen gesucht: in der Promotionsordnung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln (die habe ich als Beispiel aufgerufen, weil mir da die Wahrscheinlichkeit sehr groß erscheint, dass das hieb- und stichfest ist) steht drin, dass der Autor - wenn er nicht in einem Verlag veröffentlicht - der Universität das Recht der Verbreitung überträgt.

Dann habe ich noch das gefunden: http://bibliotheksrecht.blog.de/2006/01 ... nen~478802

Ich würde aus diesen Quellen mal auf eine zumindest sehr hohe Wahrscheinlichkeit schließen, dass der Autor eine Veräußerung nicht verhindern kann.
Benutzeravatar
Flachs
Beiträge: 11883
Registriert: Mi 2. Nov 2005, 17:57
Wohnort: NRW
Kontaktdaten:

Beitrag von Flachs »

Dissertationen, die nicht in einem Verlag erschienen waren und vermutlich aus Nachlässen stammten, habe ich auch schon bei den üblichen Büchertischen vor der Mensa erworben. Die betreffenden Antiquariate schienen da keine Bedenken zu haben.
Der Wurm findet es merkwürdig und töricht,
daß der Mensch seine Bücher nicht frißt.
(Rabindranath Tagore)
Antworten