8 Wochen Verrückt von Eva Lohman - ein Anti-Lesetipp

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el

8 Wochen Verrückt von Eva Lohman - ein Anti-Lesetipp

Beitrag von el »

Zunächst einmal: ich war selbst 2x in einer Psychosomatischen Klinik (2010 und 2005 in einer anderen). Die Abläufe dort waren komplett anders als sie in diesem Buch beschrieben ist. Das machte es für mich nicht unbedingt leichter zu verstehen wovon die Rede ist.
Andererseits machte es mir das Lesen leichter, ich hatte am Anfang Gedanken es würde alte Bilder aus meinen Klinikzeiten hochkommen. Das passierte fast gar nicht, wohl wegen der großen Unterschiede.

Zwangsweise muss so ein Buch oberflächlich bleiben, wenn - und das macht Lohmann erfreulicher Weise - der Grundsatz , dass was in den Therapien besprochen wird nicht nach außen getragen wird. Dadurch verflacht es allerdings, ich, der mich als "Insider" bezeichne, vermisse typische Teile einer psychosomatischen Therapie wie KBT, Gestaltung, Musik und/oder Tanz. Das Klinikpersonal erhält wenig Profil, dabei sind die unterschiedlichen Charaktere des Personals nicht unwichtig für den Verlauf der Therapie.

Viel zu oft wird das Wort "verrückt" benutzt. Wir haben uns 2010 einen Spaß draus gemacht "betont verrückt zu tun" wenn wir sogenannten "normalen" begegnet sind. Aber das war auch schon alles. So überbetont wie das im Buch wird, wurde da zu keinem Zeitpunkt, auch 2005 nicht.

Alles in allem vergeht die Therapie relativ ereignislos, zeichnet ein unrealistisches Bild vom Klinikablauf einer "echten" Psychosomatischen Klinik. In irgendeiner Rezi hab ich gelesen es könnte eine Kurklinik sein? Denkbar, aber dort bleibt man keine 8 Wochen, maximal 4-6, nicht so lange wie andere Protagonisten des Buches.

Was mir auch negativ aufgefallen ist, ist der Umgang mit Essgestörten Mitpatienten. Ein essgestörter Patient muss nach Lektüre des Buches panische Angst bevor einer Therapie bekommen, so lasch wie in der Klinik damit umgegangen wird. Und die Aussagen der Autorin zum Thema.... Ich als Nichtessgestörter Mensch werde den Teufel tun zu diesem Thema etwas zu sagen, selbst wenn ich wie ich selbst plane durch kreative Arbeit meine Klinikaufenthalte verarbeite. Als nichtbetroffener sollte man sich nicht anmaßen hierüber irgendetwas zu sagen, und das macht die Autorin imho deutlich zu oft

Unterm Strich für den Inhalt 3 Sterne: Es hilft Außenstehenden, die von psychischer Erkrankung (ihre eigene beschreibt Lohmann halbwegs anschaulich, was aber auch damit zu tun haben kann das das meiner etwas ähnelt) nichts verstehen, etwas klarer zu sehen, aber es liefert ein Zerrbild, das mit der Realitiät eines Klinikalltages nur bedingt zu tun hat (oder die Klinik ist so schlecht, das vermag ich nicht zu beurteilen.)

Mit 16,95 eur ist das kleine Büchlein deutlich zu teuer, dafür dann noch einen Punkt Abzug den sich der Verlag zuzuschreiben hat. Ich kenne neu erschienene Hardcover-Bücher mit mehr Seiten die deutlich billiger waren.

Schade, aus dem Thema hätte man mehr machen können. Aber wenn es Frau Lohmann wichtig war das zu schreiben hat es seine Berechtigung. Das sollte man bei aller Kritik nicht vergessen.
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