lyrische Prosa

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Zauber
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lyrische Prosa

Beitrag von Zauber »

Erinnerung ist Sterben ist Leben



Damals hatte ich eine rote Wohnungstür.
Knallrot, signalrot.
Mit schwarzen Kassettenrahmen.
In einem Land, das eine Farbe zur Prozessionsreliquie machte,
Nichts Besonderes?
Rote Fahnen, rote Tücher,
Rote Gedanken, rote Bücher ...

In diesem Land ein unerwartetes Ding!
Gleich unten, Parterre.
Da gingen sie tuschelnd vorbei
Oder nach Innen gewandt fragend
Oder belustigt
Oder diszipliniert ignorierend.
Nur keiner Diskussion Raum geben!

Die Tür war meist offen, unverriegelt.
Bis das Flurpissen und Brüllen der Proletarier überhand nahm
Und der Kohlenklau im Keller nachdenklich stimmte.

Ich will streifen durch schier endlose Wälder,
Ein stilles Kind an der Hand.
– Eine Unmöglichkeit.
Das Kind ist laut und schäumt über.

Umzug – Zwei Treppen höher wurde es stiller.
Dorthin schlichen leis‘ über knarrende Stufen Männer.
Heut sind sie Türsteher in unanständigen Lokalen.
Damals kämpften sie für den Frieden,
Wenn sie mir Zettel von der Wohnungstür stahlen.
Ein Bonhoeffer-Gedicht, Die Nachricht eines Freundes, Ein Backrezept.
Ich flüsterte lächelnd zitternd gelassen erregt ganz sicher:
„Ihr könnt mir nichts tun.“
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