Die unmoralische Methode

Sie schreiben selbst? Stellen Sie es anderen vor und diskutieren Sie darüber.
Antworten
MicTH
Beiträge: 12
Registriert: Mo 5. Aug 2013, 08:59

Die unmoralische Methode

Beitrag von MicTH »

Hallo zusammen,

ich würde gerne meine Geschichte hier mal vorstellen. Es handelt sich um eine Grusel-Kriminal-Geschichte. Ich bin auf eure Meinungen gespannt. Hier ist der Anfang:

"Ich erfuhr zum ersten Mal von der Methode, als sie von Professor Heine in einer Vorlesung in spaßhafter Manier präsentiert wurde, mit dem Hinweis, dass sie aufgrund ihrer offensichtlichen moralischen Verderbtheit niemals zur Anwendung kommen könne; doch so sehr ich mich innerlich quälte, ich fand, dass dieser Hinweis in keiner Weise zutraf. Vielmehr zitterten schon damals meine Finger in kühnster Erregung bei der Aussicht auf die baldige Durchführung - vielleicht sogar die Durchführung mit Erfolg! Oh, ich kann meine Gefühle kaum in Worte fassen! ..."

Jetzt gibt es die Geschichte hier:
http://www.amazon.de/Die-unmoralische-M ... 00XM0H4PY/

Was haltet ihr davon?
williwu
Beiträge: 782
Registriert: Mi 18. Mai 2011, 01:11

Re: Die unmoralische Methode

Beitrag von williwu »

Zweifellos ein Versuch, den Anfang der Geschichte stilistisch den Gothic-Tales entsprechen zu lassen. Das ist gefährlich, denn einerseits würden auch Poe, Byron, Shelley, Le Fanu und Stoker ihre Geschichten den aktuellen Lesegewohnheiten anpassen, zum anderen ist es schwer, den Ton zu treffen, ohne zu überziehen. Das ist auch leider hier nicht gelungen, der Text (die Amazon-Leseprobe meine ich) wirkt teilweise als Parodie originaler Texte.

Wenn dazu ein Text kommt, der vor Infodump trieft, statt den Leser in eine Szene hereinzuziehen (= -locken), dann muss zumindest ich leider passen.

Weniger wäre hier mehr für mich als Leser gewesen: Weniger pseudo-alter-Stil, weniger lange Sätze, weniger philosophischer Narrativ. Ein Kommentar verheißt Hoffnung nach dem "zähen Anfang". Mag sein, aber das Risiko ist mir zu groß. Wer auf diese Art sein Buch veröffentlicht, sollte die Fähigkeit, den Leser auf den ersten drei Seiten zu überzeugen, kultivieren - und darauf verzichten, den ganzen Erklärungskram, den man für wichtig hält, gleich zu Anfang abzuarbeiten. Der Charakter eines Ich-Erzählers ist doch etwas, das der Leser entdecken will, nicht mit vielen langen Worten vor den Latz geknallt bekommen.

Ich meine damit nicht, dass gleich zu Anfang die ersten Opfer geköpft werden müssen. Aber auch Poe hat mit seinen Einführungen Bilder gemalt, den Leser in Szenerien versetzt und nicht mit langatmigen Weltbildbeschreibungen abgeschreckt. Ein Text, der über drei Seiten fast jeden Satz mich "Ich" beginnt und sein Geistesleben ausbreitet, kann das nicht leisten.

Wie zittern Finger nicht nur "in" Erregung (statt "vor"), sondern sogar "in kühnster Erregung"? Wie kann Erregung überhaupt kühn sein? Zugegeben, früher wurden viel mehr Adjektive (und Adverbien) verwendet, als das heute der Fall sein sollte. Wenn man älteren Stil kopiert, wird man da nicht umhin können, mehr Umstandswörter zu verwenden als die heutige Vorstellung eines guten Stils erlaubt. Aber das sollte nicht dazu verleiten, deren Sinnhaftigkeit nicht noch einmal zu überprüfen.

Ich kann nur meine Meinung wiedergeben und will nicht ausschließen, dass es Leser gibt, die so etwas mögen oder wenigstens durchhalten mögen, aber die muss man gezielt (in entsprechenden Foren oder über eine entsprechend gestaltete Website) ansprechen.
MicTH
Beiträge: 12
Registriert: Mo 5. Aug 2013, 08:59

Re: Die unmoralische Methode

Beitrag von MicTH »

Hi williwu,

danke für deinen ausführlichen Kommentar. In der Tat war (wie wahrscheinlich kaum zu übersehen) Poe die wichtigste Inspiration für diesen Text. Ich kann verstehen, dass der altmodische Stil bei vielen Lesern keinen Anklang findet, mir persönlich sagt er zu. Wenn du über die Sinnhaftigkeit des Textes diskutierst, dann kann ich dir sagen, dass der eigentliche Sinn davon die Unterhaltung des Lesers ist. Gelingt dies nicht, sondern breitet sich Langeweile aus, habe ich mein Ziel leider verfehlt.

Im zweiten Teil der Geschichte ändert sich übrigens der Erzählstil. Solltest du Interesse am Fortgang der Geschichte haben, schicke ich sie dir gerne als PDF. Es wäre mir ein Vergnügen, deine Gesamteinschätzung zu hören.

Viele Grüße,
MicTH
Antworten