Repost: Ein Touristenführer für Amsterdam

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tjum
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Repost: Ein Touristenführer für Amsterdam

Beitrag von tjum »

Artikel von Februar 2006. Rekonstruiert aus Backup

Ein Touristenführer für Amsterdam
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Inhalt:

- Touristeninformation
- Stadtwappen
- Sprache
- Wetter
- Geld
- Shopping
- Museen
- Nachtleben
- Baustellen
- Verkehr und Strippen



Die Touristeninformation

Die Aufgabe einer Touristeninformation ist üblicherweise, dem Besucher hinreichend viel Werbung in die Hand zu geben, daß dieser Augen, Seele und Geldbeutel für den besuchten Ort öffnet.

In Amsterdam ist man bereits einen Schritt weiter. Hier hat die Touristeninformation nicht nur die Aufgabe, den Weg für die Förderung der lokalen Wirtschaft zu ebnen, sondern sie versteht sich selber als ein Teil der Maschinerie, die immer nur das Beste der Touristen will - nämlich ihr Geld. Das Sonderangebot enthält für nur 6,- Euro einen Innenstadtplan, ein Unterkunftsverzeichnis und einen Kurzführer mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Also jene Papiere, die man anderswo erst nach Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, daß man sie entweder schon besitzt oder aus Gründen, die man nicht zu vertreten hat, eine Übernachtung bzw. Besichtigung auch in den nächsten Jahren nicht möglich sein wird, liegen lassen darf. Die blanke Frage nach einer ganz bestimmten Adresse wird ebenfalls mit Hinweis auf ein ähnliches Serviceangebot für nur 3,50 Euro abgelehnt.


Das Stadtwappen

Das Stadtwappen von Amsterdam stellt eine Abstrahierung der Gracht Achterburgwal am späten Abend dar: in der Mitte die dunkle Wasserfläche, die von beiden Seiten durch rot beleuchtete Wege und Gebäude flankiert wird. Zur Verdeutlichung findet sich außerdem das international bekannte Symbol "XXX".

Weitere Deutungen wie diejenige, daß es sich bei den Zeichen in der Mitte um die Unterschrift eines frühen Bürgermeisters handeln soll, dürfen dagegen wohl getrost ins Reich der Legenden verwiesen werden.


Die Sprache

Nur wenige Deutsche sind des Niederländischen mächtig, jedoch verfügen die meisten Niederländer über ausreichende Kenntnisse der englischen und oft auch der deutschen Sprache, um zumindest nach Kleingeld fragen zu können.

Jede Konversation beginnt daher mit der Frage, ob der Gegenüber englisch oder deutsch bevorzugt. Der Stolz gebietet es einem Niederländer, darauf in jedem Fall mit "egal" zu antworten. Womit dem Ausländer die ehrenvolle Aufgabe übertragen wird, sich für das falsche zu entscheiden.


Das Wetter

Ein bösartiges Gerücht bezeichnet den Amsterdamer Winter als stets trüb, trist und dunkel. Tatsächlich scheint aber auch im Februar die Sonne. Dieser unvergessliche Event fand dieses Jahr am Samstag, den 4. Februar von 11:03 bis 11:14 Uhr in den westlichen Teilen der Innenstadt statt. Leider konnte der Termin aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten nicht frühzeitig in den Veranstaltungskalendern angekündigt werden.


Das Geld

Noch vor wenigen Jahren gehörte zu jedem Reiseführer ein Abschnitt über das lokale Bargeld. Mit der Einführung einer gemeinsamen Währung in ungefähr 18 Ländern Europas sollte dieses eigentlich unnötig werden.
Der unbedarfte Reisende erwartet also naiverweise, daß er mit den mitgebrachten EURO-Papieren auch bezahlen kann. Jedoch, egal was man auf den Kassentisch legt - die Antwort ist immer dieselbe und bedeutet sinngemäß:

Haben Sie es nicht kleiner?

Während in Österreich 100-Euro-Scheine alltäglich sind, erntet man in den Niederlanden auch mit Fünfzigern nur ein verständnisloses Kopfschütteln, und noch ein Zehner hat offensichtlich etwas suspektes an sich. Der gut organisierte Reisende trägt also stets einen Rucksack voll Münzgeld mit sich.

Jedoch bitte keine 1- und 2-Cent-Münzen, denn die wurden schon vor etwas mehr als einem Jahr abgeschafft. Seitdem wird der Gesamtbetrag gerundet - stehen auf dem Kassenbon 5,13, zahlt man 5,15, bei 5,12 sind es (meistens) 5,10. Das hindert die Läden aber nicht an der Verwendung psychologisch wirksamer Schwellenpreise mit der unvermeidlichen Endziffer 9. Selbst dort, wo man selten mehr als ein oder zwei Artikel auf einmal kauft und also stets aufgerundet wird.


Shopping in Amsterdam

In der Amsterdamer Innenstadt gibt es fast alles. All die Dinge, von denen man schon immer in seinen kühnsten Alpträumen geträumt hat, hier bekommt man sie zu kaufen:

Kitschige Souvenirs, Diamanten, Tulpenzwiebeln, teure Markenkleidung, Hanfsamen, unbrauchbare Souvenirs, Einheitsessen nach Weltstandard, fremdartiges Essen, Pornos, Joints, schreckliche Souvenirs, Tatoos, Handtaschen, halluzinogene Pilze, Frauen, extra teure Designerkleidung, Gummipuppen, häßliche Souvenirs und vieles andere mehr.

Etwas schwieriger wird es, wenn man eigentlich nur eine Flasche Wasser (ohne Beimengungen) und eine Packung Kekse (hanffrei) sucht. Aber in dieser Stadt gibt es nun mal nichts, was es nicht gibt - und so hat man freundlicherweise am Koningsplein einen ganz normalen Supermarkt versteckt.


Museen

Es gibt dutzende von Museen in Amsterdam. Will man nur diejenigen besuchen, die man nach landläufiger Meinung gesehen haben muß, so kann man mindestens eine Woche damit verbringen. Es gibt sicher auch einige sehenswerte Museen, in denen man dann eine zweite Woche verbringen kann. Um dem Reisenden die Vorfreude auf den nächsten Besuch nicht zu verderben, sind die Eintrittspreise so gestaltet, daß sich niemand alle Besichtigungswünsche auf einmal erfüllen kann.


Das Nachtleben

Amsterdamer Nächte sind besonders lang. Sie beginnen nämlich bereits um 18 Uhr, wenn die meisten Geschäfte schließen, die Einwohner nach Hause gehen und die Touristen... nun, eben noch nicht nach Hause gehen möchten. Das abendliche Unterhaltungsangebot ist überwältigend. Egal ob man das Gehör, den Verstand, die Unschuld oder nur den Geldbeutel verlieren möchte, man braucht eigentlich nur den Horden von anderen Touristen zu folgen, die genauso ziellos die Stadt durchstreifen.

Auf den zur Orientierung aufgestellten Stadtplänen sind auch schon die wichtigsten Zielgebiete eingezeichnet: Neben dem überraschenderweise in rot schattierten Gebiet zwischen Oude Kerk und Nieuwmarkt sind dies stets zwei Gebiete, die landläufig als Go-out-areas bezeichnet werden. Wo diese beiden Gebiete liegen, ist dabei der Phantasie des Kartographen überlassen. Berühmt und in jedem Prospekt erwähnt ist vor allem der Leidseplein, ein Platz am Rand der Innenstadt, an dem weltweit einmalige Etablissements wie Burger King der vergnügungssüchtigen Besucher harren.

Wohin also? Für eine wohldurchdachte Entscheidung wäre insbesondere zu prüfen, wem man nach der Rückkehr davon erzählen muß. Eine gewisse Diversifizierung der Erkundungen ist zweifellos angebracht, damit man anschließend den Kumpels vom Rotlichtviertel, der Frau vom Jazzclub, den Teenies vom Coffeeshop und der Großmutter von dem netten surinamesischen Restaurant mit Grachtenblick vorschwärmen kann.

Schwierig wird die Sache allerdings, wenn man in einer Gruppe unterwegs ist. Dann gibt es nämlich jemanden, der genau weiß, wo man wirklich gewesen ist.


Baustellen

Nicht jedem ist ein Aufenthalt im Grandhotel von Scheveningen vergönnt - doch auch unterm Pflaster liegt bekanntlicherweise der Strand. Um den Stadtbewohnern und -besuchern ein gewisses Strandfeeling zu bieten, wird also in den Innenstädten auf großen, gelegentlich wechselnden Flächen das Pflaster und störende Bebauung entfernt und es werden damit größere Sandflächen hergestellt. Wasser ist in den vielen Grachten ja auch stets in der Nähe. Unverständlich ist allerdings, warum diese Stadtstrände üblicherweise eingezäunt sind und offensichtlich nur Clubmitgliedern das Burgenbauen dort erlaubt wird.


Verkehr und Strippen

Ein unerläßliches Kapitel betrifft - natürlich - den Verkehr. Als Kenner der Materie kauft man sich gleich bei Ankunft eine Nationale Strippenkaart. Diese gilt fast überall und ist fast um die Hälfte billiger als jede Nutzung einzeln zu bezahlen. Nur die Karte vorlegen und der Schaffnerin ein "Twee strippen" entgegenhauchen - und sie weiß, was Sache ist: Eine Fahrt bis maximal zur nächsten Zonengrenze.

Zudem kann man so die rituelle Suche nach Kleingeld umgehen. Dann ist an der Verspätung der Straßenbahn wenigstens jemand anders schuld. Zum Beispiel die Baustellen, das ist immer ein guter Grund.
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