Lydias Geburtstag

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Pauline
Beiträge: 2
Registriert: Mi 6. Jun 2007, 12:54

Lydias Geburtstag

Beitrag von Pauline »

Hallo, ich bin neu hier und freue mich über konstruktive Kritik! :D


Der Himmel ist grau, von Wolken bedeckt. Kalt ist es, windig und es regnet. Besser gesagt es schüttet. Lydias Stoffschuhe quietschen mit jedem Schritt, weil sie so voll gesogen sind. Ihre Jacke ist schon ganz durchnässt, sie ist nicht wasserfest, eine Kapuze hat sie auch nicht. Der Regen läuft Lydia über das Gesicht, dort vermischt er sich mit ihren Tränen. Lydia weint.
Sie überlegt: Eigentlich ist heute mein dreizehnter Geburtstag, eigentlich. Aber es gibt nix zu feiern. Papa ist seit einer halben Ewigkeit in der Klinik. Deswegen bekommen wir jetzt Geld vom Amt, aber eben nicht genug. Es reicht nicht, obwohl Mama heimlich putzen geht. Heimlich, ich darf ja keinem was sagen, meinen Mund soll ich halten. Nur mich um Luka kümmern, das darf ich auch an meinem Geburtstag!
Gott, ist das unfair! Eine Tafelschokolade habe ich bekommen, mehr nicht. Keine Schuhe auch keine neue Jacke, das hätte ich dringend brauchen können. An etwas Schönes - was ich nicht wirklich brauche z. B. Schmuck oder eine CD - ist erst recht nicht zu denken.
Einladen konnte ich auch niemanden. Was sollten wir machen? Zuhause hocken in dem kleinen Drecksloch von Zimmer, das ich mir mit Luka teilen muss?
?Kino oder Schwimmbad sind zu teuer?, sagt Mama.
Gott ist das alles unfair! Nein, dann lieber keinen Besuch einladen, denkt Lydia.
Sie läuft am Hafen entlang. Sie muss ihren kleinen Bruder vom Kindergarten abholen. Sie ist fast da, nur noch fünfzig Meter etwa - Wind und Regen lassen nach.
Luka rennt ihr entgegen. ?Warum holst du mich heute ab, Lydia??, will er wissen.
?Mama muss arbeiten, weißt Du doch?, flüstert Lydia ihm ins Ohr.
?Ich hab? ganz schön lang? gewartet?, beschwert sich Luka.
?Ist deine Mutter nicht da, Lydia??, will Frau Reinar, die Erzieherin, wissen.
Lydia schüttelt nur den Kopf. Sie blickt zu Boden, schaut auf ihre völlig durchnässten Stoffschuhe.
?Wo ist deine Mama??
?Die ist ar??, Luka kann nicht weiterreden Lydia hält ihm den Mund zu.
?Bei unserem Vater im Krankenhaus?, erklärt Lydia der Frau Reinar.
?Ach so, soll ich Euch zwei heimfahren??
Lydia schüttelt energisch den Kopf: ?Wir wohnen nicht weit von hier.?
?Aber ihr werdet nass!?
Lydia zuckt mit den Achseln. ?Geht schon. Komm jetzt Luka!? Sie marschieren los.
Als sie wieder am Hafen sind schimpft Lydia mit ihrem Bruder: ?Du weißt doch, niemand darf wissen, dass Mama arbeitet! Warum kannst du nur deinen Schnabel nie halten??
?Du bist doof. Viel zu spät bist du gekommen. Ich war Letzter, alle anderen waren schon weg. Warum soll ich das nicht sagen??
?Weil wir dann noch weniger Geld haben darum!?
?Dann muss Mama eben aufhören zu arbeiten!?
?Dann haben wir auch weniger Geld!?
Luka kratzt sich am Kopf: ?Das kapier ich nicht, kapierst du das??
?Niemand darf wissen, dass Mama für das Putzen Geld bekommt, sonst kriegt sie das Geld vom Amt nicht mehr.?
Jetzt ist Luka still, hat er nun begriffen?
Es hat aufgehört zu regnen. Ein Stück vom blauen Himmel ist zu sehen.
Sie laufen an einem Schiff vorbei. Gerade werden Austern ausgeladen. Das ist Essen für feine Leute, das weiß Lydia, diese Muschelart ist sehr teuer.
Das beliebteste Mädchen aus Lydias Klasse, das immer teure Markenklamotten trägt, hat mal behauptet: ?Austern sind eine Delikatesse. Die muss man genießen.?
Papa sagte hingegen, als er von einem Geschäftsessen mit seinem Chef zurückkam, damals ging er noch arbeiten: ?Es gab Austern, scheußliches Zeugs. Die schmecken wie Rotz.?
Darum will Lydia sie niemals probieren, auch wenn ihr Hunger noch so groß ist. Sie glaubt ihrem Papa. Sie grübelt: Das manche für so einen Mist viel Geld ausgeben und sich dabei so cool vorkommen. Wahrscheinlich mag sie keiner und keiner traut sich, das laut zu sagen.
Zwei Arbeiter heben einen schweren Korb, randvoll mit Austern aus dem Schiffsbauch. Eine purzelt heraus, Lydia direkt vor die Füße. Sie ist offen. Luka bückt sich.
?Lass die Luka, die ist tot!?
?Ich mag Muscheln!? Luka hebt die Auster hoch. ?Iih riech mal, die stinkt! Puh, wie die stinkt!?
?Daheim müssen wir Hände waschen. Jetzt wirf sie weg, Luka! Wirf sie weg!?
Luka gehorcht nicht, stattdessen popelt er die Auster aus der Schale.
?Da is? ?ne harte Kugel drinnen. Fühl mal Lydia!?
?Igitt das Teil fass ich doch nicht an! Wirf sie weg!?
Luka pult die tote Auster von der harten Kugel ab. Er horcht nicht auf das, was Lydia sagt. Dann ist er fertig. Plötzlich hält er eine wunderschöne Perle in der Hand.
Die Sonne ist heraus gekommen. Ein Strahl fällt auf die Perle, die in Lukas Hand liegt. Sie ist weiß, das Perlmutt schimmert wunderschön. Ganz rund ist sie und sehr, sehr groß, größer als jede Erbse.
?Schenk? ich dir zum Geburtstag?, Luka lächelt verschmitzt und gibt Lydia die Perle.
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