Genazino Wilhelm - Wenn wir Tiere wären

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bienwald
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Genazino Wilhelm - Wenn wir Tiere wären

Beitrag von bienwald »

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Der Autor:
Wilhelm Genazino, 1943 in Mannheim geboren, lebt heute als freier Schriftsteller in Heidelberg.

1998 erhielt er den "Großen Literaturpreis" der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und 2004 den "Georg-Büchner-Preis". 2007 wurde Wilhelm Genazino mit dem "Kleist-Preis" und der "Corine" ausgezeichnet.


Kurzbeschreibung des Verlags:
" Das Leben in der modernen Welt verlangt zu viel: tägliche Anwesenheit am Arbeitsplatz, inklusive Engagement und freundlichem Gesicht, die Benutzung von Verkehrsmitteln und den Besuch von Supermärkten. Und dann auch noch das Privatleben. Unausweichlich kommt der Moment, in dem ein Mann nicht mehr weiter weiß - und ehe man sich's versieht, sind es statt einer sogar drei Frauen. Ach, wenn wir doch Tiere wären und die täglichen Zumutungen einfach übersehen könnten! Wilhelm Genazino erzählt ironisch, witzig und böse von einem Mann, der den Alltag nur ertragen kann, indem er das ordentliche Regelwerk durchbricht."


Meine Zusammenfassung
Ein Mann ist auf dem Weg nachhause, in seine stille Zweizimmerwohnung, Er schaut sich die Häuser an, die meisten waren alt, einige auch verkommen. Aber er schaut sie immer wieder gerne an. Er macht sich Gedanken darüber, dass diese Häuser vermutlich bei nur wenigen Menschen einen Bleibewunsch auslösten. Hier lebten nur noch Rentner, oder die, die es nicht geschafft hatten, woanders hinzuziehen, wo es ruhiger, schöner war.
Er selbst kommt mir träge, lustlos vor. Keine Anzeichen von irgendwelchem Antrieb, einfach so dahinlebend.
Da erfährt er, dass ein Kollege, Michael, ihm gut bekannt, wie auch dessen Frau Karin, verstorben war. Grade so – grade über 40. – Er war derjenige, der ihm – ein freischaffender Architekt, Aufträge zugeschanzt hatte. –
Er beschreibt jetzt sein Verhältnis zu Michael, der ein lustiger, einfallsreicher und unterhaltsamer Mensch gewesen war. – Er erinnerte sich, als er mal mit Michael unterwegs war, und sie einen Personalausweis gefunden hatten. – Da hatte Michael die Idee, einfach mit den Daten dieses Ausweises bei div. Versandhäusern Sachen zu bestellen, sie postlagernd liefern zu lassen. Das hatten sie auch gemacht. Sinnloses Zeug bestellt, das keiner brauchte…..

So einer war Michael…von ihm immer Autz genannt. Bei der Beerdigung von Autz begann er, von der Witwe, Karin, animiert, einen Flirt…. Er selbst hatte eine feste Freundin, wo er sich aber gar nicht sicher war, warum er eigentlich bei ihr blieb. Nunja, der Sex mit ihr war gut. Aber sonst? – Sie trank zu viel, aber besonders dann war der Sex mit ihr sehr, sehr gut.
Sein weiteres Leben in den nächsten Wochen und Monaten ist dann Thema. Immer so dahinplätschernd, aber immer den Eindruck hinterlassend, alles grade so eben zu machen, ohne große Ambitionen.

Sich selbst kann er nicht groß achten, er redet immer mit sich selbst…. Hier mal ein Auszug, wo er über sich spricht:


„Ich versuchte, durch das Anschauen von schönen Bildern ein anderer zu werden, aber es klappte nicht. Vor ein paar Wochen hatte ich, um die Armseligkeit meiner Jugend auszudrücken, gegenüber einem Bekannten behauptet, fast das einzige Glück meiner Kindheit seien die Lurchi-Hefte gewesen, die es damals beim Kauf von Salamander-Schuhen gratis gab. Natürlich hatte ich als Kind noch viele andere Freuden gekannt, z.b. das Herumtreiben auf Rummelplätzen oder der Besuch von Zirkussen. Außerdem entdeckte ich in dieser Zeit die schwer erforschbaren Freuden der Onanie. Ich hatte mich als Kind gefragt, ob auch Lurchi onanierte. Erst nach einer Weile war mir eingefallen, dass Lurchi ja kein Mensch, sondern ein Salamander war, und Salamander konnten meines Wissens nicht onanieren…..“

Dann sind Begebenheiten mit seiner Freundin, aber auch mit Karin, der Witwe seines Kollegen Michael (Autz) Thema. Mit ihr trifft er sich, auch mit ihr fängt er was an. – Ebenso trifft er seine Exfrau, ihr leiht ihr Geld für ein neues Gebiss, und dann hat er noch eine Frau, auch mit ihr fängt er was an. Aber diese drei Sexpartnerinnen berühren ihn nicht besonders.
Sex ist eigentlich das einzige, was bei ihm einigermaßen klappt, auch einigermaßen zufrieden stellend abläuft….aber – auch das ist nichts besonderes, wie überhaupt nichts besonders bei ihm ist.


Mein Fazit:
Naja, liest man das Buch, also die ersten Seiten, ist alles ziemlich einschläfernd, träge, wenig dazu geeignet, jetzt vor lauter Spannung am nächsten Tag weiter zu lesen. Die Sprache ist holprig, der Autor lässt den Protagonisten eben denken und reden. – Und das ist eben sehr einfach, schnörkellos.

Der Reiz dieses Romans liegt nicht im Inhalt. Der ist – grob gesagt - sehr schnell erzählt -.

Der Reiz liegt in der Entwicklung des literarischen Stils. Und der wird erst nach den ersten 50 Seiten spürbar.


Aber je weiter ich gelesen habe, je mehr wurde mir genau der bewusst; und nicht nur das, sondern der gekonnt versteckte Witz hinter allem, das Skurrile, aber auch der Sarkasmus, die Aussage hinter allen Empfindungen, die der Autor in sehr gekonntem, hervorragend literarischen Stil auszudrücken vermag.

Der Sinn, die Sinnlosigkeit, das lapidare Dasein dieses Protagonisten – in sehr feiner Weise formuliert, und hier kommt dann auch die literarische Fähigkeit der Sprache ganz groß zum Vorschein. Nicht grade was sagen, nein! – in diffiziler Weise wird die ganze Konstruktion dieses Menschen, dieses Protagonisten, alleine durch Schilderung seiner Gedanken und Verhaltensweisen, durchleuchtet, transparent.

Der Leser muss sich schon darauf einlassen. – Es ist kein auf schnelle Spannung und Ergebnisse ausgerichteter Roman, sondern eben eine Auseinandersetzung mit einem Menschen (dem Protagonisten) und auch seiner Zeitgenossen, seiner Umgebung, mit allen Facetten der wahrnehmbaren Intuitionen.

Ein kleiner Auszug, einfach mal so herausgegriffen:

„…von Zeit zu Zeit faltete ich meine Hände und berührte mit den Fingerspitzen der linken Hand die Fingerspitzen der rechten Hand. Immer mal wieder glaubte ich, dass ich nachdachte, aber ich konnte nicht wirklich nachdenken. Es beeindruckte Maria, dass sie meinen Hemdkragen zerrissen hatte. Tatsächlich war es zwischen uns nie zu einer solchen Handgreiflichkeit gekommen. Genau genommen wartete ich darauf, dass Maria sich entschuldigte. In Wahrheit hätte ich mich gerne entschuldigt, wenn ich gekonnt hätte. Ich fühlte, dass mein Hedonismus begonnen hatte, mich mir selber fremd zu machen. Selbstüberfickung, gab es das, fragte ich mich. Ich hatte davon nie etwas gehört oder gelesen. …….“


und eine andere Stelle:

„…..Oft betrachtete ich Marias Brustwarzen aus größter Nähe. Die Schönheit ihrer Brustwarzen hing damit zusammen, dass die kleinen hellbraunen Hautsegmente um den äußeren Rand der Brustwarzen dicht konzentriert waren und zur Mitte hin seltener wurden, so dass die Spitze der Brust sich rosig erhob und wie ein schwächlich schönes Blümchen aussah. Ich lobte mein eigenes erotisches Erinnern und dachte, dass Menschen (wie ich) deshalb zufrieden (glücklich) sind, weil sie lächerliche Details im Kopf ausbauen und dadurch die Nebensachen zu inneren Hauptsachen machen konnten. Es war eine Haupttätigkeit des Glücks, die ihm gemäßen Nebensachen zu finden. Schon diesen Gedanken hielt ich für glückstransportierend und deswegen hinreißend….“

Einmal kehrte er in einem Restaurant/Café eines Hotels ein, und als die Bedienung fragt, ob es auf die Rechnung soll, sagt er einfach ‚ja’ – er ist kein Gast in dem Hotel. Und er verlässt dann eben dieses Café, ohne Folgen.
Irgendwie mehr aus Langeweile, dieser alte Personalausweis war ihm in die Hände gefallen, wo er und Autz schon mal Bestellungen gemacht hatten, bestellte er auch wieder einiges Zeug, postlagernd, alles Sachen die er nicht brauchte….
Er vergaß das dann ein paar Wochen, lebte weiter in seinem eher fast unerträglichen Leben dahin….. – Er war mittlerweile angestellt worden, in dieser Firma, wo er früher nur Auftragsarbeiten erledigt hatte. Es passte ihm nicht, seine Zeit so festlegen zu lassen, als Festangestellter, er ertrug es mehr schlecht als recht.
Da kam ihm plötzlich die Idee, mal auf die Post zu gehen, und die nach postlagernd bestellten Waren der Versandhäuser abzuholen….. – und da wurde er verhaftet. Auch das berührte ihn nicht besonders. Er verlor seine Stelle, auch das war nichts Besonderes….und ihm eigentlich egal. – Mit seiner Freundin, die ihn kurz vorher verlassen hatte, kam jetzt wieder Kontakt, ebenso auch zu Karin.
Er wurde dann auch wieder aus dem Gefängnis entlassen, Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. – Er lebte dann wieder sein altes Leben weiter, ein beabsichtigter Kauf von einem neuen Bett usw. verlief ergebnislos.
Sonst gibt es auch keine Besonderheiten mehr in der Geschichte…….Sie endet belanglos.

Mein Fazit:
Naja, liest man das Buch, also die ersten Seiten, ist alles ziemlich einschläfernd, träge, wenig dazu geeignet, jetzt vor lauter Spannung am nächsten Tag weiter zu lesen. Die Sprache ist holprig, der Autor lässt den Protagonisten eben denken und reden. – Und das ist eben sehr einfach, schnörkellos.

Der Reiz dieses Romans liegt nicht im Inhalt. Der ist – grob gesagt - sehr schnell erzählt -.

Der Reiz liegt in der Entwicklung des literarischen Stils. Und der wird erst nach den ersten 50 Seiten spürbar.

Aber je weiter ich gelesen habe, je mehr wurde mir genau der bewusst; und nicht nur das, sondern der gekonnt versteckte Witz hinter allem, das Skurrile, aber auch der Sarkasmus, die Aussage hinter allen Empfindungen, die der Autor in sehr gekonntem, hervorragend literarischen Stil auszudrücken vermag.

Der Sinn, die Sinnlosigkeit, das lapidare Dasein dieses Protagonisten – in sehr feiner Weise formuliert, und hier kommt dann auch die literarische Fähigkeit der Sprache ganz groß zum Vorschein. Nicht grade was sagen, nein! – in diffiziler Weise wird die ganze Konstruktion dieses Menschen, dieses Protagonisten, alleine durch Schilderung seiner Gedanken und Verhaltensweisen, durchleuchtet, transparent.

Der Leser muss sich schon darauf einlassen. – Es ist kein auf schnelle Spannung und Ergebnisse ausgerichteter Roman, sondern eben eine Auseinandersetzung mit einem Menschen (dem Protagonisten) und auch seiner Zeitgenossen, seiner Umgebung, mit allen Facetten der wahrnehmbaren Intuitionen.

Ein kleiner Auszug, einfach mal so herausgegriffen:

„…von Zeit zu Zeit faltete ich meine Hände und berührte mit den Fingerspitzen der linken Hand die Fingerspitzen der rechten Hand. Immer mal wieder glaubte ich, dass ich nachdachte, aber ich konnte nicht wirklich nachdenken. Es beeindruckte Maria, dass sie meinen Hemdkragen zerrissen hatte. Tatsächlich war es zwischen uns nie zu einer solchen Handgreiflichkeit gekommen. Genau genommen wartete ich darauf, dass Maria sich entschuldigte. In Wahrheit hätte ich mich gerne entschuldigt, wenn ich gekonnt hätte. Ich fühlte, dass mein Hedonismus begonnen hatte, mich mir selber fremd zu machen. Selbstüberfickung, gab es das, fragte ich mich. Ich hatte davon nie etwas gehört oder gelesen. …….“

und eine andere Stelle:

„…..Oft betrachtete ich Marias Brustwarzen aus größter Nähe. Die Schönheit ihrer Brustwarzen hing damit zusammen, dass die kleinen hellbraunen Hautsegmente um den äußeren Rand der Brustwarzen dicht konzentriert waren und zur Mitte hin seltener wurden, so dass die Spitze der Brust sich rosig erhob und wie ein schwächlich schönes Blümchen aussah. Ich lobte mein eigenes erotisches Erinnern und dachte, dass Menschen (wie ich) deshalb zufrieden (glücklich) sind, weil sie lächerliche Details im Kopf ausbauen und dadurch die Nebensachen zu inneren Hauptsachen machen konnten. Es war eine Haupttätigkeit des Glücks, die ihm gemäßen Nebensachen zu finden. Schon diesen Gedanken hielt ich für glückstransportierend und deswegen hinreißend….“


Buchdaten:
ISBN-10:3-446-23738-0
EAN: 9783446237384
erschienen: 25.07.2011
Verlag: Hanser
Einband: gebunden
Sprache: Deutsch
Seiten: 158
Herzlichen Gruß
Bienwald
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