Peter Pohl: Der Regenbogen hat nur acht Farben

Stellen Sie ein Buch detailliert vor - mit Inhaltsangabe und Ihrem Urteil.
Antworten
Benutzeravatar
bienwald
Beiträge: 1135
Registriert: Mi 2. Aug 2006, 16:50
Wohnort: Südpfalz
Kontaktdaten:

Peter Pohl: Der Regenbogen hat nur acht Farben

Beitrag von bienwald »

Bild

Meine Zusammenfassung
Nach Kriegsende kommt der fünfjährige Heinrich mit seiner Mutter, einer Schwedin, in Schweden an. Sie kommen aus dem zerbombten Deutschland, der Vater, ein Deutscher ist gefallen.
Heinrich hat Traumata von den Bombenangriffen, die er auch nach langer Zeit hat, immer wieder kehren diese Bombennächte in seinen Träumen zurück.

Sie wohnen dann in einem Wohnblock, seine Mutter, eine Malerin, ebenso verängstigt, verschließt grundsätzlich die Wohnungstür, lässt niemand herein, den sie nicht kennt. - Der kleine Heinrich gewöhnt sich daran, denkt das sei normal.

Seine ersten Erfahrungen als kleiner Junge in Schweden sind grauenhaft. - Er wird als ‚Nazi-Sau' verschrien, wird täglich verprügelt, gequält, ja gefoltert, von den schwedischen Jungs, wo einer der Anführer ist.
Hier sind jetzt die schlimmsten Nazi-Schimpfwörter zu lesen, die damals - zumindest von den schwedischen Kindern - gebraucht wurden. Da die Kinder das irgendwo her haben, von Erwachsenen, ist anzunehmen, dass das Bild der Schweden von Deutschen damals einfach das der ‚Nazis' ist.

Heinrich wird gequält, verdroschen, und ihm wird quasi eingedroschen, kein Deutscher mehr zu sein, auch nicht mehr deutsch zu sprechen. Auf diese Art lernt er zwangsweise schwedisch, ja er verlernt sogar die deutsche Sprache von heute auf morgen total. -

Ein wichtiger Vertrauter ist sein Opa. Von ihm bekommt er Märchen vorgelesen, aber er wird auch ermuntert, selbst zu schreiben….und so kommt es, dass er, als er in die Schule kommt, bereits schreiben kann, und bereits begonnen hat, seine eigenen Märchen aufzuschreiben.

Doch eines Tages - beginnt ein Märchen - - Als er wieder einmal von den Jungs verdroschen und gequält wird, kommt Ylva …. ein Mädchen, das sich gegen die Rabauken stellt….. - und den Sieg davon trägt. Von da an sind Heinrich - Henrik, wer sich jetzt nennt - und Ylva Freunde.

Es entwickelt sich eine große Liebe, beide sind 6, kommen demnächst in die Schule. Dieser Regenbogen mit den 8 Farben ist oft Thema, bzw. immer ein Regenbogen mit 7 Farben. Und die Auflösung, was das mit diesen 8 Farben dann auf sich hat, kommt erst gegen Ende der Geschichte…. Aber: selbst lesen!!!


Mein Fazit:
Ein Kinder- und Jugendbuch, Lesealter ab 14, wieso lese ich das. Ganz einfach, weil sehr viele Kinder- und Jugendbücher auch für Erwachsene hervorragend zu lesen sind. Nicht nur, weil sie ein Geschenk brauchen, sondern auch für sie selbst.

Dieses Buch gehört absolut zu den Büchern, die jeder Erwachsene sehr gut lesen kann! - Und sehr viel Freude damit haben wird.

Wenn es ein Kind oder Jugendlicher lesen will, gibt's eine Bedingung, die unbedingt erfüllt sein MUSS: Es muss klar sein, was Nazi bedeutet, was der Krieg bedeutete, warum Deutschland damals so verhasst war. Sonst ist nicht zu verstehen, warum und wieso der kleine Heinrich derart gequält wurde. - Zwar immer noch nicht zu verstehen, aber es wird eben klar, warum diese schwedischen Kinder so gehandelt haben…. - und auch, wie unsinnig und ungerecht deren Verhaltensweisen waren.

Ist der erste Teil des Büchleins schon ziemlich grauenhaft zu lesen, mit diesen ganzen Quälereien usw. - beginnt dann im letzten Drittel der märchenhafte Teil, der den Leser versöhnen kann.

Wie ein Wunder konnte Henrik seine Ylva auf der Ferieninsel treffen. - Das Treffen war von seiner Mutter, und dem Vater Ylvas, einem Witwer, ganz geheimnisvoll verabredet wurden. Aber die beiden kennen sich eigentlich kaum, es war nur mal ein ganz kurzes Treffen, als der Vater von Ylva ihn nachhause gebracht hatte. -

Das Leben dann auf dieser schwedischen Insel, fernab von jeglichen Kindern, die was von Nazis wussten, wo er sofort - nicht ohne Einwicken Ylvas - integriert war. Hier lernte er eine intakte Familienstruktur kennen, Ylvas Opa und Oma, ihre Tante, eine Schwester ihres Vaters.
Er erlebt hier was ganz neues. - Da gibt's es selbstgebackenes Brot, die Oma buk am frühen Morgen Brot, und in der Frühe fuhr der Opa dann mit dem Tranktor die Brote zu einem anderen Hof, wo er dann Milch bekam. - Henrich durfte mitfahren.

Aber es gibt noch viel andere Sachen zu essen, die Oma ist einfach eine Meisterköchin, und sie möchte den kleinen rappeldürren Henrik unbedingt mal aufpäppeln, ihn füttern, füttern, bis er platzt, denkt er oft.

Übrigens eine Besonderheit des Autors, er schreibt ganz häufig, als ob Henrik was sagen würde, danach dann in einem Nebensatz, ‚sagte er nicht' - -

Und jetzt habe ich etwas gemacht, was ich nie mache: ich habe die letzten Seiten gelesen. Warum? Dass Ylva und Henrik nackt badeten, auch zusammen in einem Bett schliefen, auch nackt, und durchaus harmlose sexuelle Erfahrungen machten, sehe ich als normal an. - Nur weil es eine Szene gab, zwischen Ylva und ihrem Vater, die nicht so ganz schlüssig war, wollte ich wissen, ob der Schluss des Buchs damit was zu tun hat. ABER: das bleibt das Geheimnis, bis ziemlich am Ende der Geschichte.
Auch was es mit dieser 8. Farbe des Regenbogens auf sich hat.

Vom Autor in sehr schöner Sprache gestaltet, sehr interessanter Stil, ungewöhnliche Begebenheiten, auch phantastische Dinge geschehen. Zu der einen Besonderheit, dass ein Satz kommt, den Henrik sagt, aber dann im nächsten Satz: ‚sagte ich nicht' - kommt noch ein Manko von Henrik, er traut allen guten Sachen nicht, auch Menschen die er liebt nicht, weil er als Kind eben alles verloren hat, was er geliebt hat, und er meint dann immer, er DARF nichts zu sehr gern haben, weil es sonst auch verschwindet….

Der Autor hat sich sehr differenziert und penibel in die Gedankenwelt eines 5-8-jährigen Jungen hineinversetzt, mit all seinen Erlebnissen, seiner Vergangenheit und deren Verarbeitung.

Meine Empfehlung auf jeden Fall, kann jeder Erwachsene lesen, ich hab's mit Vergnügen, bzw. sehr interessiert gelesen, und wer ein Buch sucht für ein Geschenk: AUF JEDEN FALL SEHR EMPFEHLENSWERT !!! -

Aber, ich denke über dieses Buch sollte ein Erwachsener mit dem jugendlichen Leser sprechen, der Inhalt birgt sehr vieles, was weiterer Erklärungen von Erwachsenen bedarf….

Zitate:
hier mal ein Auszug, als Henrik und Ylva sich nach dem Baden gegenseitig abtrocknen:

"…Der hier muss bei Jungs immer ganz besonders trocken sein, sagte Ylva und rieb mich sorgfältig ab. - Und Mädchen müssen hier trocken sein - sagte ich - und nahm es bei Ylva ebenfalls sehr genau. - Weißt du was? - fragte Ylva und lächelte, als ich rot wurde, - Weißt du, warum er so groß und eifrig wird, wenn du so rot und verlegen wirst? - - Weil du so an ihm rummachst, oder? - - Nicht nur. Das hat damit zu tun, dass er hierher will. - - - will er gar nicht! - Schrecklicher Gedanke! Wo hatte sie den nur her? - Aber Ylva lachte ihr Lachen und sang: Dooooch! ---….."


Beide Haben Geburtstag, sie sind am gleichen Tag geboren, Henrik betrachtet Ylva als seinen Zwilling und als Ylva an diesem Tag vor dem Spiegel steht, ruft sie Henrik, -

"So und jetzt guck mal! - - Und zähl!! - - - - Aus dem geheimen Nirgendwo warf der Spiegel seinen Regenbogen über uns. Acht Farben liefen über die Brust. Wie hieß die neue Farbe? Das müsste ich Mama fragen. - Hab ichs nicht gesagt? fragte Ylva. - - doch, das hast du gesagt. - - Und wir sind acht geworden, oder nicht?....."

Henrik besucht häufig die Bibliothek, wo er schon längst die Bücher für Erwachsene liest. Und er sucht Nachschlagewerke, wo er herausfinden will, was es mit diesem Geheimnis auf sich hat, das Männer mit Frauen machen, und das alles.

"….Alle schienen darüber Bescheid gewusst zu haben, nur ich nicht. Warum war das nur so geheim? Alle Erwachsenen schienen andauernd damit beschäftigt zu sein, verschwiegen es jedoch. Ihre Kinder schienen dabei zuzuschauen, da sie soviel darüber wussten. Doch das Gerede der Kinder bildete dennoch einen Ring um dieses Geheimnis. einen zu undurchdringlichen Ring, dass ich, der ich keinen Papa hatte, der bei Mama erigierte und kopulierte, nicht die blasseste Ahnung hatte, bis ich mich eben selbst darüber informierte. Aber der Weg durch die verschlungenen Erklärungen der Nachschlagewerke war schwierig…."


Der Autor:
"Peter Pohl, geboren 1940 in Deutschland, zieht mit fünf Jahren nach Schweden und wächst dort auf. Er lehrt an der Technischen Hochschule und lebt mit seiner Frau und seinen Kindern in Stockholm.

Anhand von Tagebuchaufzeichnungen, Briefen und Gesprächen mit Kinna Gieth hat er das Buch "Du fehlst mir, du fehlst mir" geschrieben. ."




Buchdaten:
ISBN-10:3-423-62029-3
EAN: 9783423620291
Erscheinungstermin: 2000
Verlag: dtv
Einband: Taschenbuch
Sprache: Deutsch
Seiten: 346
Altersempfehlung: 14 - 15 Jahre
Übersetzer: Brigitte Kicherer
Reihe: Reihe Hanser

Mein Buch
gebundene Ausgabe, ISBN 3-44617328-7 - Carl Hanser Verlag.
Herzlichen Gruß
Bienwald
Bild

hier gehts zu meiner HP
homebase
Beiträge: 4
Registriert: Di 30. Okt 2012, 15:37

Re: Peter Pohl: Der Regenbogen hat nur acht Farben

Beitrag von homebase »

Klingt nach einem sehr guten Buch. Vor allem mag ich auch den geschichtlichen Hintergrund der ganzen Geschichte. Also, bestimmt sind auch solche Sachen im Krieg passiert, bzw. nach dem Krieg, aber die bekommt man irgendwie kaum zu hören.

Basiert das Buch eigentlich auf einer wahren Geschichte oder ist es nur 'phantasiert'?

Liebe Grüße
Benutzeravatar
bienwald
Beiträge: 1135
Registriert: Mi 2. Aug 2006, 16:50
Wohnort: Südpfalz
Kontaktdaten:

Re: Peter Pohl: Der Regenbogen hat nur acht Farben

Beitrag von bienwald »

wie ich das aus der Autoreninfo sehen kann, ist die Geschichte zwar erfunden, basiert aber sehr wohl auf eigenen Erlebnissen des Autors.
Herzlichen Gruß
Bienwald
Bild

hier gehts zu meiner HP
Antworten