Arnaldur Indridason: Nordermoor

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bienwald
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Arnaldur Indridason: Nordermoor

Beitrag von bienwald »

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Der Autor:
Arnaldur Indriðason, Jahrgang 1961, graduierte 1996 in Geschichte an der University of Iceland und gehört seit einigen Jahren zu den erfolgreichsten isländischen Kriminalschriftstellern.

Er war als Journalist und Filmkritiker bei Islands größter Tageszeitung Morgunbladid tätig.

Arnaldur Indriðason lebt heute als freier Autor mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Reykjavik.

Sein Roman Nordermoor wurde zum besten Kriminalroman Skandinaviens 2002 gewählt.



Die Übersetzerin Coletta Bürling ist die langjährige ehemalige Leiterin des Goethe-Instituts Reykjavik. Seit dessen Schließung übersetzte sie bereits zahlreiche Werke aus dem Isländischen.





Verlagsbeschreibung:
Was zunächst aussieht wie ein typisch isländischer Mord - schäbig, sinnlos und schlampig ausgeführt -, erweist sich als überaus schwieriger Fall für Erlendur von der Kripo Reykjavik. Wer ist der tote alte Mann in der Souterrainwohnung in Nordermoor? Warum hinterlässt der Mörder eine Nachricht bei seinem Opfer, die niemand versteht? - Während schwere Islandtiefs sich über der Insel im Nordatlantik austoben, wird eine weitere Leiche gefunden ... Nordermoor wurde mit dem Nordischen Preis für Kriminalliteratur 2002 ausgezeichnet!


Meine Zusammenfassung:
Da es nicht das erste Buch dieses Autors ist, das ich lese, konnte ich mich ganz schnell einlesen. - Die Besonderheit von Island steht da ziemlich im Vordergrund. - Die Mentalität, die Gegend, die Menschen, alles sehr interessant.
Und vom Protagonisten Erlendur, dem Polizisten, ist aus den vorherigen Romanen ja auch schon einiges bekannt, seine Familiensituation, das Problem mit seiner Tochter, das alles fliest mit ein in die gesamte Geschichte.

Sie beginnt mit ‚Reykjavik - 2001' so nennt er sein erstes Kapitel. Da ist ein Blatt Papier, das auf einer Leiche liegt. Die drei Worte die drauf stehen, verstand Erlendur im Moment nicht. Er war gerufen worden, nachdem dieser Leichenfund in einem Stadtteil von Reykjavik, Nordermoor, gemeldet worden war. Die Leiche dieses Mannes lag im Souterrain eines zweistöckigen Hauses, im Wohnzimmer auf dem Boden, daneben ein umgestürzter Tisch.

Die Leiche hatte Blut am Kopf, daneben lag ein großer gläserner Aschenbecher…. Erlendur vermutet, es ist die Mordwaffe. Das ist die Anfangssituation. -

Erlendur und seine Kollegen beginnen mit den Recherchen, der Mann hatte alleine gelebt, es gab keine direkte Familie. - Sie untersuchen auch die Wohnung, den Schreibtisch, finden da, ziemlich versteckt, ein Foto eines Grabes… auch wieder mit einer Aufschrift, die sie sich nicht erklären können.
Sie finden sehr umständlich heraus, wo sich das Grab befindet, und auch, was diese Texte, hier der auf dem Grabstein, dann der auf dem Zettel auf der Leiche, bedeuten könnten. - Sie werden fündig in einem Bibeltext.
Aber das sind alles umfangreiche Ermittlungen, die erst dazu führen. Und was allen sehr auffällt, dieser unglaubliche Gestank in dieser Wohnung, kaum definierbar dieser Geruch - könnte Pferdemist sein, also in diese Richtung…. - Sie finden aber nichts, was der Grund dafür sein könnte…. Noch nicht.

Bei der Durchstöberung seines Lebenslaufs kommen die Polizisten auch auf 2 Kumpane, mit denen der Tote einiges zu tun hatte, aber schon länger her. Der eine sitzt im Gefängnis, wegen allerlei schweren Delikten, der andere soll tot sein. Die Unterhaltung Erlendurs mit diesem Häftling gibt noch mehr Rätsel auf. Und: später wird auch stark bezweifelt, dass dieser andere, der tot sein soll, wirklich tot ist.

Sie finden auch heraus, wer in diesem Grab liegt, es ist ein 4-jähriges Mädchen. Bei den Recherchen dann, an was das Mädchen gestorben war, finden sie heraus, es hatte einen Hirntumor - eine Erbkrankheit wird zwar nebenbei erwähnt, aber es gibt keine genaue Zuweisung. Dann suchen sie die Mutter des Kindes, die aber tot ist, sie hatte sich selbst umgebracht, nicht lange nach dem Tod des Kindes. Aber Erlendur findet die Tante des Kindes, die zunächst sehr verschlossen ist, aber zunehmend - wenn auch erst nach langer Zeit - dann doch viel erzählt.

Dann wird noch eine Leiche gefunden.

Um jetzt nicht alles zu erzählen, im Hinblick darauf, dass ja jemand das Buch lesen möchte, gebe ich nur noch kurze Hinweise, die vom Inhalt nicht allzu viel preisgeben.
Also, es geht dann, nach vielen Recherchen, Gesprächen usw. schließlich um eine andere Frau, die zu der Zeit, als die Mutter des toten Mädchens auch vergewaltigt wurde (dass das Kind durch eine Vergewaltigung gezeugt worden war, ist inzwischen herausgefunden) - - und es werden noch andere Frauen gefunden, nach denen die Polizisten gezielt suchen.

Bei der Durchsicht des Rechners des Toten wurden nämlich zahlreiche Kinderpornos gefunden, und die waren so grässlich, dass ich darauf nicht näher eingehen werde.

Diese eine Frau, die schließlich auch zur etwa gleichen Zeit vergewaltigt wurde, hatte auch ein Mädchen geboren, das ebenfalls an einem Hirntumor gestorben war. Dann wurde noch eine Frau gefunden, die drei Söhne hat.

Und hier wird es sehr spannend….. Sie war zu dieser Zeit mit diesen anderen beiden Frauen eines Abends auch unterwegs zum Tanzen, während ihr Mann auf Reisen war, hatte schon zwei Söhne…… - und, noch einen dritten Sohn, den bekam sie dann 9 Monate später…..
Während der Recherchen, wo es um diese Erbkrankheit geht, wurde auch bekannt, dass männliche Nachkommen zwar Träger dieser Krankheit sind, aber nur Mädchen sie bekommen, d.h. nur bei Mädchen bricht diese geheimnisvolle Krankheit aus, führt über lang oder kurz immer zum Tod.

Dann geht es um Datenbanken….. ein interessantes Kapitel. Das in Estland etwas anders ist, Island hat nicht sehr viele Einwohner, und Sammeldatenbanken gibt es nur eine große, nur wurde die mal erneuert, und die älteren Berichte sind noch nicht digitalisiert, so dass hier umfangreiche Durchsuchungen von Papierakten anstehen….
Da gibt es dann Verbindungen, hochinteressante Theorien, aber vor allem auch eben, dass jemand aus dem Kreis der befragten Personen in genau so einer Institution arbeitete.
Und es gibt noch zahlreiche andere Zusammenhänge, die die Polizisten auf sehr verschlungenen Wegen dann feststellen.
Mehr davon nicht.


Meine abschließende Meinung
Ein Island-Krimi, wie gewohnt von dem Autor. Sehr verschlungene Wege, gewürzt mit unglaublich vielen Informationen, geheimnisvollen Zusammenhängen, genau nach Art von Erlendur, dem Polizisten, der oft andere Wege geht als die üblichen.
Dessen Familiensituation auch wieder Zwischenthema ist. Seine Tochter ist drogensüchtig, taucht immer wieder bei ihm auf, er ist geschieden, und seine beiden Kinder, ein Sohn und diese Tochter, waren über ihre Kindheit bei der Mutter, er hatte mehr Kontakt zur Tochter eigentlich erst, als sie halbwüchsig war, und leider drogensüchtig.

Auch ganz interessant dann eine Erklärung, die auch während des Lesens immer wieder auffällt, in Island werden alle Leute einfach geduzt, ‚Sie' gibt es nicht. Ebenso ist der Vorname der Hauptnahme, was wir als Nachnamen ansehen, ist lediglich ein Zusatz, der auf den Namen des Vaters hinweist, mehr nicht. So wird Arnaldur Indriðason nur Arnaldur genannt, Indriða ist lediglich der Name seines Vaters…. und in Telefonbüchern in Island ist in den Verzeichnungen grundsätzlich nur nach den eigenen Namen, unseres Verständnisses nach dem Vornamen gelistet.

Auch das Wetter ist oft Thema. So erleben wir während der ganzen Geschichte ganz häufig graues Dieselwetter, Regen, Kälte.

Und auch die Mentalität erscheint mir doch so, dass die Menschen dort mehr verschlossen sind, in diesem Buch hier hauptsächlich, wenn es darum geht, dass Frauen vergewaltigt werden, und das einfach nie melden, niemand erzählen, wenn sie verheiratet sind, dann lieber dem Mann das Kind als seines deklarieren, als das preiszugeben. -
Gut, das ist nichts Neues, aber es wird dann auch eine Szene beschrieben, wo ein Polizist eine vergewaltigte Frau vernimmt, und diese mit einem Nervenzusammenbruch die Vernehmung und Verfolgung des Täters abbricht….
Auch geht es um Korruption, um Polizisten, aber auch Angestellte von Institutionen, die vertuschen, eigene Vorteile oder eben einiger Betroffener, meistens Beschuldigter, bewirken, aus Gründen, die eigentlich transparent sind…. Wenn nicht alle wegschauen würden.

Aber auch das ist nichts Neues. Der Umgang dann mit eigentlichen Familiengeheimnissen, die dennoch in den Datenbanken festgehalten werden, und wie leicht es für einige, die darauf aus sind, diese zu erfahren, ist Thema. Aber das dürfte nicht nur in Island so sein.

Insgesamt gefällt mir die Schreibweise von Arnaldur, wie er seinen Polizisten Erlendur und seine Kollegen/Kolleginnen agieren lässt. Und wieder so ganz anders, als z.b. schwedische oder sonstige skandinavische Krimis. Island-Krimis - hier insbesondere die von Arnaldur - haben was Besonderes. das nicht vergleichbar ist mit anderen Nordländern.



Buchdaten:
ISBN-10:3-404-14857-6
EAN: 9783404148578 Erscheinungstermin: 23.08.2011
Verlag: Lübbe
Einband: Taschenbuch Originaltitel Myrin
Sprache: Deutsch
Auflage: 15. Auflage
Seiten: 318
Übersetzer: Coletta Bürling Reihe: Bastei-Lübbe Taschenbücher

ich habe die 3. Auflage April 2003
Herzlichen Gruß
Bienwald
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