Abe Kobo: Die Frau in den Dünen

Stellen Sie ein Buch detailliert vor - mit Inhaltsangabe und Ihrem Urteil.
Antworten
Benutzeravatar
bienwald
Beiträge: 1135
Registriert: Mi 2. Aug 2006, 16:50
Wohnort: Südpfalz
Kontaktdaten:

Abe Kobo: Die Frau in den Dünen

Beitrag von bienwald »

Bild


Der Autor:
"Kobo Abe wurde 1924 in Tokio geboren, dort starb er auch im Jahr 1993.

Er studierte Medizin (sein Vater war Arzt) begann aber früh, Gedichte zu schreiben, später auch Romane und Dramen. Er war beeinflusst von europäischen Schriftstellern wie Rilke, Dostojewski oder Kafka, aber auch von Philosophen wie Nietzsche, Jaspers und Heidegger.

Literarisch erfolgreich wurde er durch den vorliegenden Roman, der 1962 erschien und 1964 verfilmt wurde vom Regisseur Hiroshi Teshigara. Der Film gewann viele Preise (auch in Cannes) und er soll auch eine geniale Adaption des Romans sein, das Drehbuch dazu schrieb Abe selbst. Auch seine folgenden Romane "Das Gesicht des Anderen" und "Der verbrannte Stadtplan" wurden erfolgreich verfilmt. "

Verlagsbeschreibung:
Ich schreibe nur einige Sätze hier ab, nicht den kompletten Klappentext. "………

.Auf der Suche nach einer seltenen Fliege, von deren Entdeckung er sich Unsterblichkeit erhofft, entscheidet sich an einem Tag im September das Schicksal eines Insektenforschers. Das Jagdfieber lockt ihn in ein entlegenes kleines Küstendorf mitten in den Dünen. Unter dem Vorwand, ihm ein Nachtquartier zu bieten, seilen ihn die Dorfbewohner zu einer Hütte in die Tiefe eines Sandlochs hinab. Eine junge Frau empfängt ihn dort in geheimnisvoller Erwartung wie einen Schicksalsgenossen. Mit einer ihm unbegreiflichen Selbstverständlichkeit schließen ihn ihre Worte in eine fatale Zukunft ein, die er nicht zu teilen gedenkt, da er am nächsten Morgen schon in die Stadt und seinen Lehrberuf zurückkehren will. Doch dann ist die Strickleiter verschwunden………….."


Inhalt, mit meinen Worten:
Auf der ersten Seite ist zu lesen: "Wo keine Strafe droht, fehlt es auch an der Lust zu fliehen."

Zu Beginn sind durchaus interessante Eigenschaften des Sandes zu erfahren.
So z.B. als ‚der Mann' im Zuge seiner Forschungen über die Beschaffenheit des Sandes nachdenkt. "….. Partikel zertrümmerter Felsen von einer so geringen Größe, dass ihre Fortbewegung durch eine leichte Strömung möglich ist." ----- Und dann weiter, es geht immer noch um Sand: "Diese Vorstellung des ständig dahin fließenden Sandes versetzte ihn in unbeschreibliche Erregung. Die Unfruchtbarkeit des Sandes rührt also nicht nur, wie gewöhnlich geglaubt wird, von seiner Trockenheit her, sondern offensichtlich auch daher, dass er sich dauernd bewegte, wodurch er zum Feind alles Lebendigen wurde. Was für ein großer Unterschied besteht doch zwischen der Welt des Sandes und der trostlosen Art, in der wir Menschen uns Jahr um Jahr aneinanderklammern……."

Die sehr ausführlichen Beschreibungen von Sand sind dann von Bedeutung im Verlauf der Geschichte. Sie beginnt damit, dass ‚der Mann' (wie er ab jetzt immer genannt wird) mit dem Zug zu einem Ort an der Küste fährt, dort am Bahnhof ankommt. Er steigt in einen Bus, der hinaus auf die Ebene fahren soll. Als sie am letzten Dorf der Route ankommen, steigt er aus. Es ist ein sehr, sehr lang gezogenes Dorf…
Als er durch die lang gezogene Hauptstraße des Dorfes geht, beäugen ihn einige Kinder, einige Frauen neugierig, misstrauisch. Er wundert sich über die Ausdehnung des Dorfes, aber auch über den langsam stetig ansteigenden Weg…. Hatte er doch bisher gedacht, zum Meer hin müsste eigentlich das Land abfallen? - … - Die Menschen, zuerst ein kleines Mädchen, reagieren nicht auf seine Frage, auch die wenigen Leute die er sieht, machen einen merkwürdigen Eindruck. Aber nichts deutet auf irgendeine Gefahr hin.
Er erfährt dann von einem alten Mann, dass es heute keinen Bus mehr gibt. Der Mann muss also was suchen wo er übernachten kann. Der alte Mann führt ihn dann zu einer Leiter, die hinab in eine tiefe Senke führt. Dort steht ein altes Haus, eine Frau wohnt darin. Dort will er übernachten….
Es ist ein sehr merkwürdiges Haus. Und das Zimmer das sie ihm zeigt sieht nicht so aus, dass er darin schlafen könnte. - Alles ist mit Sand bedeckt. - Ein sogenannter ‚ungedielter' Flur ist immer wieder im Geschehen. - Was es damit auf sich hat? - Als er dann Durst hat, und auf der Suche nach Wasser, findet er nur einen winzigen Rest, der mit Sand gemischt ist. Sonst ist kein Wasser da….
Es wird immer heißer, immer schwüler, immer unerträglicher, der Schweiß klebt auf der Haut, verbunden mit Sand, Sand, Sand. -
Er beobachtet dann in der Nacht, wie oben ein Karren kommt, und er sieht die Frau Sand schaufeln….in einen leeren Ölkanister. Hinter ihr erhebt sich eine steile Wand, die sich nach vorne zu neigen schien. Die Frau spricht kaum, sagt nur mal ‚Sand!' und entleert den Inhalt des Kanisters hinter dem Haus, dort wo die Leiter hing. - Sie sagt: ‚ich räume den Sand weg' - der Mann: ‚mit dieser Arbeit werden sie nie fertig werden, wenn sie noch so lange schuften.' - -
Später, als er sich mit der Lampe ihr nähert sagt sie: ‚Bitte nicht! Mit atemloser Stimme, und sie schaufelt weiter und weiter. Sie erklärt, sie muss noch 6 Kanister vollschaufeln. - Bis der Tragekorb herunter kommt. - - - Er fragt sie, ob er ihr helfen soll, sie meint, ach nein, gleich am ersten Tag wäre es nicht fair, ihn arbeiten zu lassen… - Er meint dann, sie soll unbesorgt sein, am nächsten Tag würde er nicht mehr hier sein. - - sie meint nur: ‚so?' - - Er erfährt dann, dass immer in der Nacht geschaufelt wird, tagsüber müsse geschlafen werden. Er greift dann zur Schaufel und sie erklärt ihm, wo er schaufeln soll und warum.
So beginnt die Geschichte des Mannes in der tiefen Mulde, wo es kein Entkommen gibt. - Die Leiter wird immer wieder hochgezogen. Ohne unmöglich, nach oben zu gelangen.
Er fühlt sich in eine Falle gelockt.
Es folgen - teilweise minutiös geschildert, die Tagesabläufe, die Frau kocht, er ist gefügsam und isst. Er ist sehr hungrig, und durstig. Wasser ist Mangelware. Zum Waschen? Nein viel zu kostbar. - Man wäscht sich mit Sand. - Sand, Sand, Sand, der immer und überall herunterrieselt.

Jetzt folgen unendlich viele Beschreibungen nicht nur seiner Gefühle, ihrer Aktionen, sondern ich greife mal eine Situation heraus: (sehr viel später) "…….als er seine Hose auszog, rieselte etwas Sand über die Wurzel seines Glieds und über die Innenseiten seiner Schenkel hinab. Ein muffiger Geruch wie von getragenen Strümpfen stieg auf. Langsam und stetig wie ein leerer Wasserschlauch, der voll gepumpt wird, begann sich sein Glied erneut zu füllen. Ohne Gummischutz zeigt es die Richtung an, und so flog er nach vorn, und seine Gestalt schmolz mit dem Rücken der Frau zusammen die sich bereits völlig entkleidet hatte. - Würde er es genießen? Atmung, Zeit, Raum, die Frau - alles passte wunderbar zusammen. War es das, was der Möbius-Mann als allgemeines geschlechtliches Verlangen bezeichnet hatte? - ………… Vielleicht. Aber was hatte sie doch für herrliche Hinterbacken! Kein Vergleich mit den frigiden knochigen Spinatwachteln, die man auf der Straße auflas……………"

Und immer wieder schweifen seine Gedanken zu Begebenheiten aus seinem Leben ab, was er dabei gedacht hatte, wie er es jetzt sieht. Er sinnt auch darüber nach, was diese Leute vom Dorf ihm angetan hatten. - Er malte sich Rache aus. - Bedenkend, dass das Geben und Nehmen zwischen zwei Menschen hierbei sekundär war…. - - kommt dann aber zu dem Schluss, dass das alles kindisch wäre.

Am Ende, es war eine Fluchtmöglichkeit gegeben, sah er eigentlich keine Veranlassung jetzt sofort von hier wegzulaufen. Er hatte eine Vorrichtung für Wasserspeicherung konstruiert, und über die wollte er jetzt unbedingt mit jemanden sprechen… "Über die Flucht konnte er ja auch noch später nachdenken…."


Abschließende Meinung
Das auffälligste bei mir war, während des ganzen Lesens dieses Buchs, dass ich immer Sand spürte. Überall - ich meinte mein Bett wäre voll Sand, mein Mund voll Sand. Und die Zeit bis ich weiterlas, musste ich immer wieder nachsinnen, was das wohl alles bedeutet, wie diese merkwürdige Geschichte wohl weiter geht.

Es geschehen ja nur kleine Dinge, das meiste passiert im Wesen, im Geist des Mannes. Die Wandlung seiner An- und Einsichten, seiner geänderten Sichtweise, sein darauf basierendes Handeln - und nicht zuletzt seine Entscheidung am Ende… !!!
Es könnte der Eindruck entstehen, diese Geschichte würde an manchen Stellen langweilen. Aber dem ist keineswegs so. Der Autor versteht es, den Leser zu bannen, zu fesseln. Durch eine wohldosierte, literarisch vollkommen formulierten Sprache, der ausgefeilten Dramaturgie, gelingt es ihm, den Leser (in diesem Fall mich) zu faszinieren, zu beschäftigen. Und zwar bis zum Ende der Geschichte.

Fast ahnte ich, was am Ende passiert. - auch das hat der Autor ganz raffiniert geschafft, den Leser dahin zu führen, dass er genau so fühlt. - Das ist grandios in meinen Augen. Er wird von einigen Rezensenten mit Kafka verglichen…. Ich würde ihn mit einem Landsmann von ihm, Haruki Murakami vergleichen. (eher umgekehrt, Murakami ist viel jünger) Wie bei Murakami fängt die Geschichte ganz normal an, also real. Und unmerklich, der Leser bemerkt das nicht gleich, geht sie über in Phantasie, aber gespickt mit dem Menschen, hier ‚der Mann' genannt. - Eine geniale Mischung von Fiktion, Geschichte, Realität.

Natürlich habe ich mich bald gefragt, bzw. gewusst, dass das nicht der Wahrheit entsprechen kann. Aber Teile klingen ja - zumindest anfangs - schon ziemlich real. Ich habe oben in meiner Zusammenfassung versucht einiges hervorzuheben. Aber-aber-aber…es ist sehr schwer, und in einigen Seiten kaum möglich, alles, was geschrieben ist, wirklich auch nur annähernd auszudrücken. - Ich habe mein bestes versucht. Das Buch selbst soll/muss gelesen werden.


----------------------------
Buchdaten:
Seiten: 219
Verlag: Rowohlt Reinbek Auflage: 1. Auflage (1 .-4. Tausend)
Erschienen: 1967
Einband: Leinen
Sprache: Deutsch
ISBN: 9783952329603 - Verlag: trigon
Herzlichen Gruß
Bienwald
Bild

hier gehts zu meiner HP
Antworten