Susanne Goga: Das Haus in der Nebelgasse. Roman

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Vandam
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Susanne Goga: Das Haus in der Nebelgasse. Roman

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Susanne Goga: Das Haus in der Nebelgasse. Roman, München 2016, Diana Verlag, ISBN 978-3-453-35885-0, Klappenbroschur, 447 Seiten, Format: 11,8 x 3,6 x 18,8 cm, Buch: EUR 9,99 (D), EUR 10,30 (A), Kindle Edition: EUR 8,99.

„Sie sehen es aus einer anderen Perspektive, weil Ihre Schülerinnen es bis an die Universität geschafft haben. Aber die meisten Mädchen nutzen ihr Wissen noch immer, um Konversation zu machen, nicht mehr. Und das ist traurig. (…) Und dann kommt eine, die wirklich anders ist, in die Sie große Hoffnungen setzen, und dann verschwindet sie einfach aus der Schule.“ (Seiten 243/244)

London, 1900: Matilda Gray ist eine junge und selbstbewusste Lehrerin an der Mädchenschule Riverview. Bildung ist für sie ein Grundrecht. Es stört sie sehr, dass viele ihrer Schülerinnen nur ausgebildet werden, um ihrem Mann später eine angenehme Gesprächspartnerin zu sein und ihn auf dem gesellschaftlichen Parkett nicht zu blamieren.

Eine Schülerin verschwindet
Die blitzgescheite siebzehnjährige Laura Ancroft hat da ganz andere Ambitionen. Heiraten ist für sie keine Option, sie macht sich nichts aus Männern. Sie will studieren und selbstbestimmt leben. Matilda fördert die Schülerin nach Kräften. Umso entsetzter ist sie, als sie eines Tages erfährt, dass Laura von ihrem Vormund, dem Rechtsanwalt Charles Easterbrook, von der Schule abgeholt wurde und nun mit ihm durch Europa reist. Nachdem in der Klatschpresse zu lesen ist, dass die beiden sich verlobt hätten, ist klar, dass die ehrgeizige Laura nie mehr nach Riverview zurückkehren wird.

Matilda kommt das merkwürdig vor. Was hier gerade geschieht, steht im krassen Gegensatz zu Lauras eigenen Lebensplänen und kann unmöglich ihre Idee gewesen sein. Jemand muss sie zu dieser Ehe zwingen. Als Matilda von Laura eine Urlaubskarte mit einer verschlüsselten Nachricht bekommt, erhält dieser Verdacht neue Nahrung.

Das alte Tagebuch birgt viele Geheimnisse
Matilda schließt aus Lauras Botschaft, dass sie in deren Internatszimmer nach etwas suchen soll. Sie verschafft sich unbefugt Zutritt und findet an der angegebenen Stelle tatsächlich ein Holzkästchen mit diversen Gegenständen aus dem 17. Jahrhundert, darunter ein Medaillon und ein durch Feuchtigkeit nahezu unleserlich gewordenes Tagebuch einer gewissen Katherine. Was soll sie jetzt damit tun? Laura hat offensichtlich versucht, die Gegenstände vor ihrem Vormund zu verbergen, also stellt Matilda sich unwissend, als Anwalt Easterbrook an die Schule schreibt und die Herausgabe von Lauras persönlichen Erinnerungsstücken verlangt.

Matilda hat niemanden, mit dem sie ihr weiteres Vorgehens besprechen könnte. Ihre Eltern leben nicht mehr, ihr Bruder kämpft im Burenkrieg ... bleibt eigentlich nur noch Beatrice Westlake, die Witwe, bei der Matilda zur Untermiete wohnt. Mrs. Westlake ist phantasievoll, klug und lebenserfahren, aber sie schreibt Groschenromane, und es besteht immer die Gefahr, dass das, was man ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt, in irgendeiner Form in ihren Romanen auftaucht. Aber sie ist von Matildas aufregendem Problem hingerissen und sie ist gut vernetzt. So kommen der Journalist Edward Marsden und der Historiker Professor Stephen Fleming mit ins Boot.

Das Team kann die Tagebuchaufzeichnungen aus dem 17. Jahrhundert zum Teil entziffern und vermutet, dass die damaligen Bewohner von Laura Ancrofts Elternhaus dort während der Pest-Epidemie 1665 Wertgegenstände versteckt haben. Wenn das Wissen darum seit 235 Jahren in diesem Tagebuch verborgen gewesen ist, sind die Gegenstände vielleicht heute noch dort. Professor Fleming und Matilda beschließen, das bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit persönlich zu überprüfen.

Familientragödien – damals und heute
Je eingehender sich Matilda und ihre Helfer mit dem Leben und der Geschichte der Familie Ancroft beschäftigen, desto mehr Fragen tun sich auf. Wie sind Lauras Eltern vor vier Jahren tatsächlich ums Leben gekommen? Die offiziellen Berichte sind nicht sehr überzeugend. Und wem hat das Haus in der Laurence Pountney Hill-Straße eigentlich vor den Ancrofts gehört? Die haben es erst im 17. Jahrhundert erworben, doch es ist deutlich älter.

Matilda und der Professor stoßen bei ihren Nachforschungen auf eine unfassbare Familientragödie, die Auswirkungen bis in die Gegenwart hat. Dabei kommen sie einander näher. Matilda schwebt im siebten Himmel, doch es gibt etwas, das sie wissen sollte ...

Vor lauter Familienforschung , Schatzsuche und privaten Befindlichkeiten verlieren die Helden den eigentlichen Zweck ihres Unternehmens vorübergehend aus dem Blick. Eigentlich waren sie losgezogen, um zu verhindern, dass Laura Ancroft zwangsverheiratet wird, was immer noch eine pure Vermutung ist. Niemand weiß, was Easterbrook tatsächlich im Schilde führt. Doch als Laura ihrer ehemaligen Lehrerin eine Notiz zukommen lässt, die ohne jeden Zweifel ein Hilferuf ist, muss Matilda handeln - und zwar schnell.

Spannend, faszinierend und vielschichtig
Es ist spannend und faszinierend, Matilda und den Professor bei ihren ungewöhnlichen Recherchen zu begleiten, vor allem, weil sie dabei nicht immer vorschriftsmäßig vorgehen. Regeln um der Regeln Willen zu befolgen oder nur, um der Missbilligung durch seine Mitmenschen zu entgehen, halten die beiden für ziemlich überflüssig. In ihrer modernen, rebellischen Art sind sie sehr sympathisch. Der Leser wird gern zu ihrem Komplizen und darf sich abwechselnd als Archäologe, Familienforscher, Schatzsucher, Einbrecher und Schwindler fühlen. Aber alles geschieht im Dienst einer guten Sache. Schließlich geht es darum, die geheimnisvollen Hinweise in dem alten Tagebuch zu entschlüsseln und dafür zu sorgen, dass Laura Ancroft ihr Leben so leben darf, wie sie es für richtig hält.

Damit die Geschichte nicht in Düsternis abgleitet, gibt’s die herrliche Nebenfigur der Beatrice Westlake, Matildas schriftstellernder Vermieterin. Sie ist neugierig und etwas exzentrisch, aber nie so, dass es lächerlich wird. Wenn sie voller Begeisterung über ihre haarsträubenden Romanplots spricht, lockert das die Handlung schlagartig auf. Auch wenn’s hier um Familientragödien geht, ist die Nebelgasse keine humorfreie Zone. Ganz nebenbei erfährt man einiges über die Rolle der Frau im Wandel der Zeit und vieles über London. Vor allem über das, was sich unter der Stadt verbirgt.

Lauras leerstehendes Elternhaus, das Matilda Gray und Professor Stephen Fleming so gründlich durchleuchten, hat ein reales Vorbild: http://www.colat.org.uk/assets/doc/laur ... -house.pdf Genau wie das Gebäude in dem Roman hat dieses Haus zwei Untergeschosse und mittelalterliche sowie römische Mauern im Keller.

Die Romanhandlung ist ein bisschen wie das Haus: Sie hat Jahrhunderte alte Schichten, die aufeinander aufbauen. Was heute geschieht, hat seine Wurzeln oft tief in der Vergangenheit. Was aber nicht heißt, dass man sich blind in sein Schicksal ergeben muss. Man kann sein Leben in die eigene Hand nehmen. Und was für damalige Verhältnisse vielleicht unerhört war: man kann das auch als Frau.

Die Autorin
Susanne Goga, 1967 geboren, ist eine renommierte Literaturübersetzerin und Autorin. Sie wurde mit dem DeLiA-Literaturpreis sowie dem Goldenen Homer ausgezeichnet und ist seit 2016 Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Mönchengladbach. www.susannegoga.de
Friesenrappe
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Re: Susanne Goga: Das Haus in der Nebelgasse. Roman

Beitrag von Friesenrappe »

Ich weiß, das passt jetzt vielleicht nicht ganz dazu, aber muss man bei Rezensionen immer so viel schreiben? Ich meine damit es spannend klingt...
Tut mir leid, bin noch neu.
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spiralnebel111
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Re: Susanne Goga: Das Haus in der Nebelgasse. Roman

Beitrag von spiralnebel111 »

Nein, muss man nicht.
Ich überlege auch, ob ich sie wirklich lese, wenn sie lang sind, weil zu oft zu viel verraten wird.
Ich schreibe selten welche - dann aber ohne Spoiler, und nie so lang. Ich versuche jene anzusprechen, für die es interessant wäre: worum es in etwa geht, was der Stil eventuell macht und sowas.
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