Felix Bork: Oh, ein Tier! Bestimmungsbuch. Mit fast allen heimischen Arten

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Vandam
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Felix Bork: Oh, ein Tier! Bestimmungsbuch. Mit fast allen heimischen Arten

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Felix Bork: Oh, ein Tier! Bestimmungsbuch, Mit fast allen heimischen Arten, Köln 2017, Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG, ISBN 978-3-8479-0633-9, Hardcover, 362 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, Format: 21,3 x 3,8 x 29,7 cm, EUR 28,-.

OH, EIN TIER! ist Felix Borks Masterarbeit im Studiengang Editorial Design. Dazu schreibt er: „Ziel meiner Arbeit soll es sein, den Betrachter zu animieren, die transportierten Informationen in der tatsächlichen Natur anzuwenden, Tiere in ihrer natürlichen Umwelt zu beobachten und zu bestimmen.“ Er geht die Sache sehr unkonventionell an. In seinem Buch trifft Humor auf Pädagogik, denn er findet: „Humor ist ein geeignetes Mittel um den Themenkreis für eine neue Leserschaft zu erschließen. Für biologisch komplexe Zusammenhänge oder die Problematik im Naturschutz kann durch Humor ein Verständnis geschaffen werden, ohne zu belehren oder zu langweilen.“ Quelle: http://www.burg-halle.de/design/kommuni ... -ein-tier/

Geh raus und guck dir die Tiere an!
Der Klappentext spiegelt den Ton, in dem das Buch abgefasst ist, sehr gut wider:
„Hallo lieber Tierfreund, der du bereits bist oder werden möchtest. In diesem Buch findest du Tiere, die du in unserer heimischen Natur entdecken kannst. Wie sie aussehen, wie sie leben und wie sie S*x machen. Und wenn du es fertig gelesen hast, dann geh raus und guck dir die Tiere an. Die sind nämlich wunderschön. Wer weiß, wie lange es sie noch gibt.“

Das hört sich ein bisschen an wie die „Sendung mit der Maus“, aber mit einem leicht versauten Unterton. So klingen zumindest die Teile, die der Autor illustriert, beziehungsweise als Comics gestaltet und mit handgeletterten Texten versehen hat. Die Einleitungstexte zu den einzelnen Kapiteln (Insekten, Spinnen, Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säugetiere, vergessene Arten) scheinen dagegen aus einem Biologiebuch für die gymnasiale Oberstufe entsprungen zu sein und sparen nicht mit lateinischem Fachvokabular. Empfohlen wird das Buch übrigens für LeserInnen ab 14 Jahren.

Manche der komplizierten Begriffe „entschärft“ der Autor dadurch, dass er sie durchstreicht und handschriftlich durch populärere Wörter ersetzt. Statt „Stigmen“ steht dann „Atmungsöffnungen“, statt „Caput, Thorax und Abdomen“ ist nun „Kopf, Brust und ***“ zu lesen. Dadurch sehen die Texte wie korrigierte Manuskripte aus und man lernt tatsächlich den einen oder anderen Fachbegriff. Auch Seitenverweise oder kleine Illustrationen am Rand oder mitten im Text tragen zur Erhellung bei.

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Textbeiträge, gemalte Tierporträts und Comics
Danach kommt jeweils der bebilderte Teil. Hier präsentiert uns Felix Bork plakativ gemalte aber meist klar erkennbare Porträts gängiger Vertreter der jeweiligen Art. Lebensraum, Ernährung und Fortpflanzung stellt er in Schaubildern im Comic-Stil dar. Manche Zeichnung erinnert bewusst an Schülerkritzeleien, mit denen man früher in faden Unterrichtstunden Hefte oder Bücher „verziert“ hat.

Die Cartoons und Kritzeleien sind oft amüsant, manchmal flach – und ein paar habe ich gar nicht verstanden, auch wenn ich mit den beschriebenen Vorgängen vertraut war. Ich fürchte, ich bin vor allem an denen gescheitert, die lustig gemeint sind.

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Humor ist eben nicht nur eine Kultur-, sondern auch eine Alters- und Geschlechterfrage. Pokemon-Referenzen sind an mich verschwendet, da kann ich nicht mitreden. Und möglichst häufig Wörter wie „***“, „Furz“ und „f*cken“ in einen Text einzuarbeiten, finde ich jetzt auch nicht soooo prickelnd. Ich bin darüber nicht entrüstet – ich pflege ja selbst eine eher deftige Sprache –, aber es erheitert mich nicht besonders. Zu meinen Schulzeiten hätte ich das sicher anders gesehen. Das Buch ist also eher etwas für SchülerInnen des Bio-Leistungskurses oder für Studierende. Die finden ihr Fach hier vermutlich angemessen veräppelt.

Für das Buch hat der Autor einen Designpreis gewonnen. Die gemalten Tierporträts und die grafische Darstellung der biologischen Vorgänge sind zu einem großen Teil wirklich klasse. Die Entstehung der Libelle, zum Beispiel (Seite 46/47), das Revierverhalten der Marder (Seite 313) oder auch der Vergleich zwischen Wühlmäusen und echten Mäusen (Seite 304/305). Man grinst, staunt und es bleibt tatsächlich Wissen hängen.

Keinen Bock auf Fische?
Das Kapitel „Fische“ ist jedoch, was die Wissensvermittlung angeht, gerade zu ’ne Frechheit. Es besteht im Wesentlichen aus 10 dunkelblauen Doppelseiten, auf denen man im Druck rein gar nichts erkennt – und einer faulen Ausrede, warum das so ist. Da habe ich mich doch etwas verarscht gefühlt, um im Vokabular des Buchs zu bleiben. Ich bin sicher, dass Herr Bork auch die Darstellung von Hecht, Barsch und Karpfen virtuos gemeistert hätte. Er hatte vielleicht nur keinen Bock auf Fische.

Das Konzept des Buchs ist zweifellos originell. Und was der Verfasser damit beabsichtigt hat, hat er ja selbst erklärt. Ich bin nur nicht überzeugt davon, dass das auch rundum gelungen ist. Wie ich gelesen habe, sehen manche LeserInnen in dem krassen Unterschied zwischen den wissenschaftlich-seriösen Kapitel-Einleitungstexten und dem flapsigen illustrierten Teil eine gekonnt inszenierte Spannung. Das sehe ich jetzt weniger. Im Beitrag über Insekten (Seite 5) steht zum Beispiel etwas über Ocellen, übers Johnstonsche Organ und über Hautsensilien. Diese Begriffe werden nirgendwo erklärt. Und was steht als Erläuterung bei der entsprechenden Grafik? „Kopf“ und „***“! Ach was. :-D Wo bei den Viechern vorn und hinten ist, das hätten wir zur Not selbst gewusst.

Eher was für Jüngere – vom Humor her
Ich finde so etwas weder richtig informativ noch wahnsinnig lustig. Für mich ist das Buch dadurch, pardon, weder Fisch noch Fleisch. Ein bisschen Information, ein bisschen Kunst, ein bisschen höherer Blödsinn ... von allem ein wenig und nichts so ganz. Vielleicht hat mich auch der Begriff „Bestimmungsbuch“ auf dem Cover in die Irre geführt. Darunter stelle ich mir einfach etwas anderes vor.

Man sollte schon ziemlich Ahnung von Biologie haben, sonst kapiert man weder Text noch Schaubilder. Und ist man mit dem Autor nicht humorkompatibel, verpufft ein großer Teil der Witzigkeit. Aber ich gehöre wahrscheinlich einfach nicht zur angepeilten Zielgruppe. Die dürfte deutlich jünger sein als ich und vielleicht eher männlich.

Der Autor
Felix Bork ist fast dreißig Jahre alt. Er kommt aus Berlin, aber hat in Halle an der Saale bei ATAK studiert, lernte zeichnen und beobachtete viele Tiere. Das Ergebnis veröffentlicht er nun im Eichborn Verlag. Für das Werk erhielt er den Giebichenstein Designpreis 2016. Informationen und Seitenbeispiele: http://felixbork.de/oh-ein-tier/
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