Ralph Sander: Kater Brown und die Adventsmorde

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Vandam
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Ralph Sander: Kater Brown und die Adventsmorde

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Ralph Sander: Kater Brown und die Adventsmorde, Augsburg 2016, Weltbild Verlag, ISBN 978-3-95973-149-2, Softcover, 302 Seiten, Format: 21,4 x 14,9 x 1,9 cm, Buch: EUR 5,99, Kindle Edition: EUR 4,99.

Der erste Band ist 2012 erschienen: KATER BROWN UND DIE KLOSTERMORDE. Danach habe ich lange nichts mehr von der Reihe gehört und vermutete, sie sei gar nicht fortgesetzt worden. Das wäre schade gewesen, denn die Idee vom Spürnasen-Kater, der das Journalistenpärchen Alexandra Berger (Ressort Reisen) und Tobias Rombach (Ressort Sport) in Kriminalfälle verwickelt und auch noch die entscheidenden Hinweise anschleppt, hat was. Als Paar fand ich Alexandra und Tobias nicht so überzeugend, aber die Krimi-Idee war vielversprechend.

Band 5 einer Krimiserie
Vor einiger Zeit habe ich per Zufall entdeckt, dass es inzwischen eine Handvoll Kater-Brown-Kurzkrimis gibt (die ich allerdings nicht gelesen habe) und die vorliegende Langversion. O, dachte ich, gut! Inzwischen dürfte Kindskopf Tobias leidlich erwachsen geworden sein. Die Kinder der beiden werden vielleicht schon in den Kindergarten gehen und Beweismittel für Kriminalfälle auf der Straße aufklauben und in der Brotdose heimtragen. ;-) Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Pferd.

Pustekuchen! Ich war fest davon überzeugt, dass die beiden am Schluss von Band 1 ein Paar geworden sind. Stimmt gar nicht! Jetzt, in Band 5, baggert er sie immer noch an und sie will nicht. Er ist nach wie vor pubertär und nervig und sie schnippisch und genervt. Da hat in den letzten fünf Jahren überhaupt keine Entwicklung stattgefunden. Das hat mich ein bisschen enttäuscht. Aber gut.

Darum geht’s: Zwei verschiedene Aufträge führen die beiden Journalisten kurz vor Weihnachten in das bayerische Dörfchen Ruhsleben. Alexandra soll über den dortigen Weihnachtsmarkt berichten, der nach dem Prinzip der Besenwirtschaften funktioniert. Außerdem werden vor der idyllischen Weihnachtsmarktkulisse jedes Jahr die „Adventsmorde“ aufgeführt, eine gruselige Mordserie, die sich vor zweihundert Jahren der Heimatdichter Sebastian „Wastl“ Stellmayr ausgedacht hat. Und Tobias soll hier zwei Sportler interviewen.

Weil die Sekretärin im Verlag eine doofe Nuss ist und die Hotelreservierung versemmelt hat, müssen sich Alexandra und ihr Kater mit Tobias eine Suite teilen. Er findet das klasse, sie nicht so.

Beim Theaterspiel gibt’s einen Toten
Bei der Generalprobe für die „Adventsmorde“ ist noch alles im Lack. Am „Tatort“ liegt als „Leiche“ eine Puppe in historischer Kostümierung. Kater Brown ist von dem „Toten“ denkbar unbeeindruckt. Ganz anders bei der Life-Aufführung. Da ist er der erste, der bemerkt, dass in dem Kostüm heute keine Puppe sondern ein richtiger toter Mensch steckt. Es ist Josef Seidel, ein Angehöriger einer einflussreichen Familie am Ort. Seine Tante Regina, die das alljährliche Adventsspektakel organisiert, ist eine harte Geschäftsfrau. Sie verbietet dem Dorfpolizisten, sofort alles abzusperren und die Spurensicherung zu rufen. Der Tote soll erst nach Ende der Aufführung weggebracht werden. Alles andere wäre schlecht fürs Geschäft.

Kater Brown und seine Menschen ermitteln
Zum fassungslosen Erstaunen der beiden Journalisten fügt sich der Polizist. Die Dame hat ihn offenbar in der Hand. Sie versucht, Alexandra und Tobias mit einem großzügigen Geldbetrag ruhigzustellen. Das funktioniert nicht wirklich. Zwar rufen sie nicht gleich die Polizei, aber sie ermitteln selber. Ansatzpunkte haben sie genügend: War da nicht in der Mordnacht ein verdächtiges Fahrzeug ohne Licht unterwegs? Und wem gehört der blaue Kombi, der in Tatortnähe so versteckt abgestellt war? Was weiß die Hotelbesitzerin mit dem unaussprechlichen Nachnamen? Was verschweigt die junge Resi? Auch ein Gespräch mit dem Dorfchronisten könnte sich lohnen. Franz-Josef Aiblinger – der auf Seite 202 noch Anton Haderer heißt – befasst sich nicht nur mit der Geschichte des Orts, er ist auch über die aktuellen Dorfbewohner bestens informiert.

Da geschehen zwei weitere Morde.

Spielt hier ein Verrückter die Adventsmorde nach? Hat es jemand auf eine ganz bestimmte Familie abgesehen? Oder war nur eines der Opfer wirklich „gemeint“, und die anderen sind Kollateralschäden, um das Motiv zu verschleiern?

Die Auflösung leuchtet schon irgendwie ein, kommt aber wie’s Kasperl aus der Kiste. Der Leser hat keine Chance, vor den Amateurermittlern auf die Lösung zu kommen, weil ihm wichtige Informationen fehlen. Man ahnt vielleicht, in welche Richtung das gehen könnte. Aber als routinierter Krimileser wartet man auf eine überraschende Wendung. Wenn die Bösen gar zu böse sind, dann waren sie’s meist nicht.

Nur minimal vermenschlicht
Kater Brown wird hier nur ganz minimal vermenschlicht. Das, was ihm der Autor durchs bepelzte Köpfchen schießen lässt, erscheint jedem Katzenfreund äußerst plausibel. So ähnlich müssen unsere Stubentiger die Welt der Menschen wohl wahrnehmen.

Wenn Kater Brown dazu beiträgt, einen Fall aufzuklären, dann nicht, weil er seinen Menschen helfen will – er versteht ja die Zusammenhänge gar nicht –, sondern weil er katzentypische Dinge tut. Das ist gut. Was mich weniger begeistert hat, ist die seltsame Beziehung zwischen Held und Heldin. Das sind gestandene berufstätige Menschen, wahrscheinlich so um die 30, aber sie benehmen sich wie die Teenager.

Abschweifende Nebenhandlungen
Außerdem habe ich mich gefragt, ob der Autor hier einen seiner Kurzkrimis mit allerhand Nebenhandlungen angereichert hat, um auf 300 Seiten zu kommen. Da wird so vieles erzählt, das weder für den Fortgang der Handlung noch für das Verständnis der Figuren notwendig ist. Zum Beispiel die Rastplatz-Episode am Anfang. Dafür, dass sie nur den Kontrast zwischen kommerziellem Weihnachtskitsch und authentischem Brauchtum darstellen soll, ist sie sehr ausführlich geraten. Das führt schon ein bisschen von der eigentlichen Geschichte weg. Desgleichen der Handlungsstrang mit Alexandras Eltern, ihrem Onkel und deren Renovierungs-Desaster. Das wird zu Beginn des Romans so bedeutungsvoll geschildert, dass man denkt, das ist bestimmt mordswichtig für den Kriminalfall. Ist es aber nicht. Alexandras Familie hätte man mit keinem Wort erwähnen müssen. Der Geschichte hätte damit rein gar nichts gefehlt – außer ein paar Seiten.

Gutwillige Menschen fühlen sich bei einem so aus- und abschweifenden Erzählstil an Dostojewski erinnert. Weniger gutwilligen fällt dazu möglicherweise der Begriff „Zeilenschinderei“ ein.

Die Grundidee von den Amateurdetektiven, die durch die Beobachtung ihrer neugierigen Katze auf die Lösungen ihrer Fälle kommen, ist klasse. Aber bei dem ganzen Drumherum ist aus meiner Sicht noch Luft nach oben.

Der Autor
Ralph Sander arbeitet seit vielen Jahren als Übersetzer und Autor. Unter diversen Pseudonymen sind von ihm etliche erfolgreiche Krimis erschienen. Nachdem er bereits eine Reihe von fiktiven samtpfotigen Helden für seine Krimis erschaffen hat, entstand mit Kater Brown zum ersten Mal eine Figur nach einem realen Vorbild: dem Sanderschen Familienkater Paulchen Panther.
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