Elke Seidel: Die Katze, die sich in einen Azteken verliebt

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Vandam
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Elke Seidel: Die Katze, die sich in einen Azteken verliebt

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Elke Seidel: Die Katze, die sich in einen Azteken verliebt. Der siebte Fritzi-Kullerkopf-Roman, Norderstedt 2019, BoD, ISBN 978-3-748-11065-1, Softcover, 353 Seiten, mit farbigen Illustrationen von Ingrid Löhrich, Format: 17,4 x 2,6 x 21,8 cm, Buch: EUR 16,90, Kindle: EUR 7,99.

„Das Glück liegt in der Reise, nicht im Ankommen“, sagte mein liebster Mensch neulich zu mir. (Seite 343)

Elke, die „Dosenöffnerin“ der Katzendame Fritzi, arbeitet seit vielen Jahren am Frankfurter Flughafen in der Passagierabfertigung und schult dort auch MitarbeiterInnen. Da ist es nicht überraschend, dass sie auch selbst gerne reist. Die unternehmungslustige Fritzi kommt selbstverständlich mit. Wie man das alles perfekt organisiert, weiß Fachfrau Elke ja. Da können ihr mangelhaft informierte Mitarbeiter sonstwo auf der Welt auch kein X für ein U vormachen. Die werden notfalls auf Deutsch, Englisch oder Spanisch kurz eingenordet, und dann läuft der Laden. Und so trauen sich die beiden rothaarigen Damen – Frau und Katz‘ – auf eine Rundreise durch Mexiko.

Eine anstrengende Rundreise durch Mexiko
Wer die Fritzi-Buchreihe kennt, hat die beiden schon auf verschiedenen Reisen begleitet. Dieses Mal läuft es ein bisschen anders. Sie bleiben nie lange an einem Urlaubsort und legen innerhalb des Landes weite Strecken zurück. Sie sehen viel, aber die Reise ist auch sehr anstrengend. Elke mag ja Interesse an Sehenswürdigkeiten, der Pflanzenwelt und den Märkten der einheimischen Bevölkerung haben, doch Fritzi gehen die Erklärungen der verschiedenen Reiseleiter zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus.

Gerne würde die Katzendame sich ihre Mahlzeiten selber fangen und vor allem gerne mit den Katzen des jeweiligen Urlaubsorts plaudern und sich deren Lebensgeschichten, Sorgen und Nöte anhören. Doch dafür ist in diesem Urlaub wenig Gelegenheit. Wenn sie mal auf Artgenossen trifft, dann sind sie aggressiv und unfreundlich und betrachten die ausländische Besucherin als Rivalin und Nahrungskonkurrentin. Oder es sind Sprüche klopfende Kater, die nur auf ein schnelles Abenteuer aus sind.

Bringen wir Nutzen oder Schaden ins Land?
Umso mehr Gelegenheit hat Fritzi, sich darüber Gedanken zu machen, was sie auf der Reise Neues erlebt. Wieso, fragt sie sich zum Beispiel, müffeln eigentlich Robben, wo sie doch jeden Tag ausdauernd im Meer baden? Und warum riecht Agavenschnaps nach Fisch, wo doch gar keiner drin ist, nicht einmal ein Wurm? Fördert man Kinderarbeit, wenn man Indiokindern Geld für Erwachsentätigkeiten gibt, zum Beispiel die als Kofferträger auf einem Bahnhof? Oder tut man ihnen etwas Gutes, weil sie mit ihrem Verdienst zum Lebensunterhalt der Familie beitragen?

Warum fühlt es sich gut an, sich von einem deutschstämmigen Mennoniten sein Zuhause zeigen und sich seine Lebensweise erklären zu lassen, während man in einer vergleichbaren Situation bei armen Indios unangenehm berührt ist? Vielleicht, weil die hochinteressante Begegnung mit den Mennoniten auf Augenhöhe stattfindet. Wilhelm Peters muss keine Touristenführungen machen um zu überleben. Er macht das aus eigenem Antrieb und es bereitet ihm Freude. Die Ureinwohner dagegen leben notgedrungen davon, eine Touristenattraktion zu sein, und das hat dann den Geschmack von Elendstourismus. Elke spürt das. Fritzi ebenfalls, aber ihre Neugier ist größer als ihre Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Zweipfoter. Sie spielt mit den Kindern des Raramuri-Dorfs, gibt aber ihrer Dosenöffnerin recht: Eigentlich müssten die Kids in der Schule sein und etwas lernen. Ohne Bildung ändert sich an ihrer Situation nämlich nichts.

Natürlich werden auf der Rundreise auch Kirchen besichtigt. Das ist gar nicht nach Fritzis Geschmack. Drinnen Gold und draußen Elend, das passt für sie nicht zusammen. Sie betet ja auch zur Großen Katzenfee, und die braucht keine goldenen Tempel. Aber das ist Sache der Zweipfoter, und die versteht Fritzi sowieso nicht immer.

Wechselnde Eindrücke, wechselnde Unterkünfte
Und so reisen Frau und Katze einträchtig und interessiert durchs Land, besuchen die Halbinsel Baja California, inklusive des legendären „Hotel California“, erkunden den Kupfer-Canyon, wandeln auf den Spuren der Maya und Azteken und übernachten ins höchst unterschiedlich ausgestatteten Unterkünften. Fritzi selbst braucht ja nicht viel. Schlafen kann sie überall und ihre Mahlzeiten kann sie sich in freier Wildbahn fangen. Ihr Mensch hat da schon andere Bedürfnisse. Aber egal, wie schick und komfortabel die Unterkunft auch ist: Auf VegetarierInnen wie Elke ist man in Mexiko noch nicht eingestellt. Ihr Speiseplan ließ auf der Tour doch sehr zu wünschen übrig.

Mexiko als Reiseziel hat mich auch schon interessiert. Aber nach Fritzis Bericht ist mir das, glaube ich, zu stressig, jedenfalls als Erholungsurlaub während meiner Berufstätigkeit. Die Vorstellung, wegen irgendwelcher Organisationsmängel von der Reisegruppe an einer Ausgrabungsstätte am Ende der Welt zurückgelassen zu werden, versetzt mich regelrecht in Panik! So souverän wie Elke und Fritzi wäre ich da nicht.

Selbstironischer Blick auf eigene Schwächen
Mit ihren eigenen Schwächen gehen die Katze und ihr Mensch sehr selbstironisch um. Da wird die Sammelleidenschaft aufs Korn genommen, die eigene Schusseligkeit und der unzureichende Orientierungssinn. Und die Ungeduld mit Mitmenschen, die intellektuell oder bildungsmäßig eher sparsam unterwegs sind und sich am Ende noch als eigensinnig und beratungsresistent erweisen. Wenn man, wie Elke, ein Berufsleben lang dafür verantwortlich ist, dass eine komplexe Organisation reibungslos läuft und niemand aus Unwissenheit oder Unbelehrbarkeit Sand ins gut geölte Getriebe streut, hat man diesbezüglich wohl eine kurze Lunte. Eine „Berufskrankeit“, die auf Fritzi abgefärbt hat.  Auf die eine oder andere Art beeinflusst die Arbeit uns alle.

Die wunderschönen farbigen Illustrationen in dem Band stammen aus dem Nachlass der Künstlerin Ingrid Löhrich. Deswegen passen sich nicht immer schnurrhaargenau zum Verlauf der Geschichte. Sie sind ja nicht eigens für das Buch angefertigt worden. Wer sich in den 90er-Jahren mit Bildern, Taschen, Schreibblöcken, Briefpapier etc. aus Ingrid Löhrichs Shop eingedeckt hat, hat jetzt „Merchandising-Produkte“ zum vorliegenden Fritzi-Band zu Hause. Ich hab seit rund 25 Jahren den Titelhelden als Motiv auf einer Tasche:

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Band 7 war jetzt ein aufregendes Fritzi-Abenteuer der etwas anderen Art. In Band 8, so hört man, wird sie mit ihrer Dosenöffnerin wieder in Europa unterwegs sein und vielleicht mehr Muße haben, einen Ort intensiver kennenzulernen, sich mit anderen Katzen auszutauschen und deren Geschichten zu sammeln. Das liebt Fritzi. Und uns LeserInnen amüsiert das auch.

Die Autorin:
Elke Seidel war über 30 Jahre am Frankfurter Flughafen in der Passagierabfertigung und als Lehrgangsleiterin in einem Schulungszentrum tätig. In ihrer Freizeit betätigte sie sich als Schmuckdesignerin und zeigte ihre kreativen Werke auf zahlreichen Ausstellungen. Seit ihrer Kindheit schreibt sie Gedichte und Kurzgeschichten. Bereits vor ihrem Ausscheiden am Flughafen begann sie ein Studium an der Frankfurter U3L. Dort belegte sie u.a. das Seminar Kreativ Schreiben und besucht Vorlesungen Klinische Anatomie. Elke Seidel wohnt in Frankfurt. Ihre beiden Katzen Fritzi Kullerkopf und deren Freund Rüdiger adoptierte sie in einem Tierheim.

Die Illustratorin:
Ingrid Löhrich (2012 verst.) studierte an der Frankfurter Kunstschule Westend Malerei. Schwerpunkt ihre Arbeit waren detaillierte Zeichnungen. Ihre poetischen Kunstwerke zeigte sie in zahlreichen Ausstellungen. Im Bundesverband Bildender Künstler war sie mehrere Jahrzehnte Mitglied. Sie arbeitete lange Jahre am Frankfurter Flughafen im Passagierservice.
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