Mathieu Vidard: Science to go. Merkwürdiges aus der Welt der Wissenschaft

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Vandam
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Mathieu Vidard: Science to go. Merkwürdiges aus der Welt der Wissenschaft

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Mathieu Vidard: Science to go. Merkwürdiges aus der Welt der Wissenschaft, OT: Le Carnet scientifique, aus dem Französischen von Jörn Pinnow, München 2018, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-28974-0, Hardcover, 218 Seiten mit Tabellen und Graphiken, Format: 12,2 x 2,5 x 18 cm, Buch: EUR 17,00, Kindle: EUR 14,99.

Seit 10 Jahren präsentiert der Autor im französischen Rundfunk eine Wissenschaftssendung. In diesem Umfeld entstand das vorliegende Buch: „Seit Beginn der Sendung führe ich ein Notizheft, in dem ich Bemerkungen und Beobachtungen festhalte. All das, was mich beeindruckt, amüsiert oder neugierig gemacht hat, schreibe ich dort auf.“ (Seite 7) Die Beiträge hier sind eine Auswahl daraus. Es ist also eine subjektiv zusammengestellte Sammlung von Fakten aus verschiedensten Wissensgebieten ohne erkennbare Ordnung. Da geht’s in wildem Galopp von Biologie zu Physik, Chemie, Mathematik, Medizin und Astronomie. Und das ist ebenso informativ wie unterhaltsam.

Skurrile Fakten aus verschiedenen Wissensgebieten
Es gibt skurrile Statistiken und kuriose Informationshappen. So erfahren wir, dass der ideale Winkel zum Herumfläzen 127 Grad beträgt, dass die Menschheit zusammen 287 Millionen Tonnen auf die Waage bringt und dass das Wort „kalkulieren“ tatsächlich etwas mit Kalksteinen zu tun hat.

Da wir LeserInnen alle unterschiedliche Interessensschwerpunkte und Wissensstände haben, finden wir hier natürlich nicht nur Informationen, die uns durch ihre Originalität vom Hocker reißen, sondern auch solche, bei denen wir denken: „Schnarch! Das weiß ich seit über 40 Jahren!“, „Sorry, das kapiere ich nicht.“ oder „Ist der Mann sicher, dass er weiß, was er da erzählt?“ Manchmal ist es vielleicht auch ein Übersetzungsding. Wie, zum Beispiel, sollte es zu Verwechslungen zwischen Uhu und Eule kommen? Ein Uhu IST eine Eule! Und nein, Monsieur Vidard meint nicht den Klebstoff in der gelben Tube.

Es ist aber trotz allem genügend spannendes Wissen übrig. Ich weiß jetzt, dass Honig unbegrenzt halt bar ist und dass 10 Kilogramm Auberginen so viel Nikotin enthalten wie eine Zigarette, dass alle 10 Sekunden ein Mensch an den Folgen des Tabakkonsums stirbt und was genau Freddy Mercurys Stimme so einzigartig gemacht hat.

Amüsant, faszinierend, schockierend
Fasziniert hat mich die Liste von Tier- und Pflanzenarten, die nach berühmten Persönlichkeiten benannt wurden. Vielfach Fällen steckt „nur“ eine Verehrung des Biologen für den prominenten Namenspatron dahinter, in anderen Fällen gibt’s nette Hintergrundgeschichten und/oder humorvolle Anspielungen auf angebliche Gemeinsamkeiten zwischen Pate und Paten“kind“.

Erschreckend ist die Auflistung der am stärksten vom Aussterben bedrohten Arten. Zum einen, weil sie so umfangreich ist, zum anderen, weil jeweils dabeisteht, wer oder was für das Aussterben verantwortlich ist – und das ist meistens der Mensch. Kein Zweifel: Wir leben im Anthropozän und das ist nicht unbedingt etwas Gutes.

Dass eine unsterbliche Quallenart existiert, war mir neu. Dass es einen Mikrobenzoo gibt, in dem man die Bewohner durch Mikroskope beobachtet, ebenfalls. Von der vergessenen Ölpest in Nigeria habe ich schon gelesen. Aber dass man dagegen so gar nichts unternimmt, ist schockierend.

Wetter, Kernschmelze, Relativitätstheorie, Gehirn, Saurier, Monde, Länder und Pflanzen … es gibt kaum ein Thema, das hier nicht gestreift wird. Jetzt weiß ich endlich, woher der Begriff serendipity/Serendipität kommt! Es bezeichnet die Fähigkeit, zufällig etwas zu entdecken, das man gar nicht gesucht hat. Das kommt in der Geschichte der Erfindungen und Entdeckungen recht häufig vor.

Ein paar Lückenfüller hat’s auch
Es gibt aber auch offensichtliche Lückenfüllerthemen. 6 Seiten mit Dezimalstellen von Pi? Echt jetzt? Und damit, dass die Phrenologie eine Pseudowissenschaft ist, also Bullsh*t, ist eigentlich alles gesagt. In einem Buch über wissenschaftliche Tatsachen sechs Seiten lang herunterzubeten, was man da irrtümlich alles angenommen hat, ist meines Erachtens zu viel der Ehre.

Mitunter wäre eine Abbildung zielführender gewesen als eine rein verbale Beschreibung. Bei der Unterscheidung ähnlich aussehender Tierarten, zum Beispiel. Dann wiederum werden Abbildungen gezeigt, die so winzig sind, dass man sie nur mit einer Lupe erkennen kann, wie bei den Symbolen für die Himmelskörper. Für den Zwergplaneten Irene steht also eine „von einem Stern überragte Taube mit einem Ölzweig im Schnabel“. Wenn man mir gesagt hätte, die Abbildung zeige eine Gießkanne, hätte ich es auch geglaubt. :-D

Durchblättern und festlesen
„Aufschlagen, durchblättern, festlesen“, verspricht der Klappentext. Ja, das kann man hier! Wenn man etwas findet, das man sich unbedingt merken will, sollte man es sich allerdings gleich markieren oder notieren. Da es weder ein nachvollziehbares Ordnungssystem noch ein Register gibt, findet man einzelne Textstellen nur mit viel Mühe wieder. Ich hätte mir das Buch ein kleines bisschen „praktischer“ gewünscht.

Ein paar schöne Zitate zum Thema Wissenschaft gibt’s noch am Schluss. Das von Isaac Newton passt sogar zum Buch: „In der Wissenschaft gleichen wir alle nur den Kindern, die am Rande des Wissens hie und da einen Kiesel aufheben, während sich der weite Ozean des Unbekannten vor unseren Augen erstreckt.“ (Seite 311) So ähnlich fühlt man sich hier beim Lesen.

Der Autor
Mathieu Vidard ist Journalist, Fernsehproduzent und seit mehr als zehn Jahren Moderator beim Radiosender France Inter. Dort unterhält er sich mit den unterschiedlichsten Wissenschaftlern über interessante Erkenntnisse ihres Fachgebiets. Was ihn am meisten begeistert, inspiriert oder auch amüsiert hat, ist in seinem Buch »Science to go. Merkwürdiges aus der Welt der Wissenschaft« versammelt.
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