Ulrike Renk: Frühling auf Gut Fennhusen, Roman

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Vandam
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Ulrike Renk: Frühling auf Gut Fennhusen, Roman

Beitrag von Vandam »

Ulrike Renk: Frühling auf Gut Fennhusen, Roman, Berlin 2019, Rütten & Loening / Aufbau-Verlag, ISBN 978-3-352-00934-1, Hardcover mit Lesebändchen, 231 Seiten, Format: 11,8 x 2,1 x 19,5 cm, Buch: EUR 12,00 (D), EUR 12,40 (A), Kindle: EUR 8,99, auch als Hörbuch lieferbar.

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Abb. © Aufbau-Verlag

Fangen wir damit an, was das Buch nicht ist, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Es ist keine Fortsetzung der Ostpreußen-Saga, denn die ist ja eine abgeschlossene Trilogie. FRÜHLING AUF GUT FENNHUSEN ist, genau wie der Weihnachtsband DAS FEST DER KLEINEN WUNDER; eine Art „Bonusband“ und enthält bisher unveröffentlichte Episoden aus dem Leben der Bewohner von Gut Fennhusen.

Das ganze spielt 1926, also ziemlich am Anfang der Trilogie, und beschreibt den letzten Frühling, den die siebzehnjährige Frederike von Weidenfels auf dem ostpreußischen Gut ihres Stiefvaters Erik verbringt, ehe sie auf die Gartenbauschule nach Bad Godesberg gehen wird. Anders als ihre zahlreichen Stiefgeschwister hat Frederike kein Erbe und keine Mitgift zu erwarten. Sie muss sich entweder gut verheiraten oder für ihren Lebensunterhalt arbeiten. Daher die Ausbildung.

Bonus für Fans der Ostpreußen-Saga
Der vorliegende Band ist für Fans der Reihe ein Genuss, aber ich würde ihn nicht als Einstieg in die Ostpreußen-Saga empfehlen. Der Roman ist ideal für LeserInnen, die wenigstens den ersten Band der Saga kennen, mit dem Romanpersonal vertraut sind und das zu schätzen wissen, was Ulrike Renk so meisterlich kann: lebendig den Alltag auf dem Gut schildern, sowohl aus der Sicht der Herren als auch aus der der Bediensteten. Machen wir also eine Zeitreise und sehen wir, wie vor 90 Jahren das Leben auf dem Land war. Auf jeden Fall anstrengend!

Nach dem Winter, der in Ostpreußen wirklich lang ist, steht auf Fennhusen unter anderem der Frühjahrsputz an. Das ist ein extrem mühevolles und zeitintensives Unterfangen, das nur mit Unterstützung von Hilfskräften aus dem Dorf zu bewältigen ist. Und da ist man beim Lesen froh, in der heutigen Zeit zu leben …

Neue Idee aus Amerika: Muttertag
Als Freunde der von Fennhusens zu Besuch kommen – die Eheleute von Larum-Stil mit Tochter Thea – haben sie einiges zu erzählen. Sie leben in Berlin, reisen viel und waren jüngst sogar in Amerika. Dort sind sie mit einer neuen Sitte in Berührung gekommen: Mit dem Muttertag, den man dort feiert, und mit dem man die lebenden und bereits verstorbenen Mütter ehrt.

Diese Idee gefällt Frederike und ihrer Mutter, Stefanie von Fennhusen. So ein Fest wollen sie auch feiern. Aber Muttertag ist ja schon bald! Stefanie, die aus Potsdam stammt und erst vor fünf Jahren durch Ehemann Nr. 3 zur Gutsherrin geworden ist, hat keine Vorstellung davon, was so eine kurzfristig anberaumte Feier mit auswärtigen Gästen und allem Pipapo für die Bediensteten an Mehraufwand bedeutet. Selbst wenn man ein paar DorfbewohnerInnen als Hilfskräfte engagiert, ist diese Muttertagsfeier ein organisatorischer Kraftakt. Da kommt Köchin Meta Schneider aus dem „Erbarmung!“-Rufen gar nicht mehr heraus.

Viel Stress fürs Personal
Frederike, die einen guten Kontakt zum Personal hat, hat mehr Einblick in die Abläufe „hinter den Kulissen“ als ihre Mutter. Sie hat Mitleid mit den Leuten und bietet an, dass Thea von Larum-Stil und sie ja bei den Festvorbereitungen in der Küche helfen könnten. Nicht, dass sie viel Ahnung vom Kochen hätten! Aber das macht nichts. Köchin Schneider spannt die beiden „Marjellchen“ tüchtig ein. Und als die jungen Mädchen sehen, wie viel Arbeit so ein Fest tatsächlich macht, haben noch mehr Respekt vor den Leistungen des Personals als zuvor.

Nach der Muttertagsfeier, die selbst hartgesottenen Skeptikerinnen gefallen hat, steht der Pfingstmarkt in Gaudenz an. Das ist ein Ereignis für die Familien auf dem Lande, nicht nur wegen des Jahrmarkts. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten, sich mit Artikeln des täglichen Bedarfs einzudecken, die der eigene Hof nicht hergibt.

Wenn Fritz schraubt, brennt die Hütte
Bei der großen Kinderschar ist es natürlich illusorisch, dass die Eltern jederzeit wissen, wer wo ist und was er/sie da macht. Aber Friederikes Halbbruder Fritz, zwei Jahre jünger als sie, hat schon mehrfach bewiesen, dass es besser ist, wenn ihn ganz genau im Auge behält, vor allem, wenn er mit seinem Kumpel Dawid unterwegs ist. Nicht, dass die beiden bösartig wären. Gar nicht! Sie haben stets beste Absichten. Beide Jungs sind technikbegeistert und tüfteln und basteln gern. Doch wenn sie, wie hier, irgendwelches technische Gedöns vom Markt heimzerren und ihre Fähigkeiten wieder mal grandios überschätzen, dann wird die Sache brenzlig …

Ich habe das Buch mit Vergnügen gelesen. Es muss nicht immer Action sein, ich gucke gern bei anderen Menschen zu anderen Zeiten über den Gartenzaun und schau ihnen beim Leben zu. Was hab ich mich amüsiert über Gerta – Frederikes jüngere Halbschwester – die radikal alle Klamotten weggeschmissen hat, die ihr zu spießig waren! Und das waren die meisten. Ich war nie ein großer Fan von Mutter Stefanie von Fennhusen, aber ihre Reaktion auf dieses Vorgehen war sehr weise.

Ein Geschenk zum Muttertag
FRÜHLING AUF GUT FENNHUSEN ist perfekt für alle Fans der Ostpreußensaga, die diese Romanfiguren und ihr Umfeld lieben und nicht zu jeder Zeit furchtbar viel Spannung brauchen. Und wenn Mutter, Schwiegermutter oder Großmutter die Saga gerne gelesen haben, hat man mit diesem Buch ein tolles Muttertags-Geschenk.

Die Autorin
Ulrike Renk, geboren 1967 in Detmold, zog ein paar Jahre später mit Eltern und Bruder nach Dortmund, wo sie auch die Schule besuchte. Studienaufenthalt in den USA, Studium der Anglistik, Literaturwissenschaften und Soziologie an der RWTH Aachen. Sie ist Mutter von vier Kindern. Heute lebt sie mit ihrem Mann, dem jüngsten Sohn, zwei Alaskan Malamute, drei Hauskatzen und zwei indischen Laufenten, in Krefeld am Niederrhein und arbeitet als freie Autorin.
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