Dr. Ch. Hutterer, Prof. Dr. Ch.Rummel-Kluge: Depression. Das Richtige tun. Ein Ratgeber für Angehörige und Freunde

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Vandam
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Dr. Ch. Hutterer, Prof. Dr. Ch.Rummel-Kluge: Depression. Das Richtige tun. Ein Ratgeber für Angehörige und Freunde

Beitrag von Vandam »

Dr. Christine Hutterer, Prof. Dr. Christine Rummel-Kluge: Depression. Das Richtige tun. Ein Ratgeber für Angehörige und Freunde, Berlin 2020, Stiftung Warentest. ISBN 978-3-7471-0337-1, 191 Seiten, mit Farbfotos von Sibylle Fendt, Format: 16,7 x 1,5 x 21,6 cm, Buch: EUR 19,90, Kindle: EUR 14,99.

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„Eine Depression verursacht großes Leid, nicht nur bei den Betroffenen selbst, sondern auch bei den Menschen in deren Umgebung. Machen Sie sich klar, dass diese Erkrankung der Seele behandelbar ist. Sie können etwas tun und sie sollten daher handeln!“ (Seite 9)

Wenn ein nahestehender Mensch erkrankt, ist immer belastend. Man möchte helfen, kann aber nur in begrenztem Umfang etwas tun. Leidet der Angehörige oder Freund an einer Depression, kommt erschwerend hinzu, dass man zunächst nicht weiß, was man machen und was man besser lassen sollte.

Manchmal dauert es, bis überhaupt klar ist, was dem Betroffenen fehlt. Er hat sich verändert, wirkt antriebslos und niedergeschlagen und/oder zeigt andere, schwer zuordenbare Symptome (siehe Seite 11 ff.) Ist das nur ein vorübergehendes Formtief, das von alleine wieder vergeht? Oder soll man die Person darauf ansprechen? Und wenn ja, wie? Man möchte ja nichts verschlimmern.

Die Diagnose kann nur der Arzt stellen. Aber was tun, wenn der Betroffene einen Arztbesuch vehement ablehnt? Was, wenn man das Gefühl hat, ihm/ihr wäre mit einem stationären Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik am besten geholfen? Wie bewerkstelligt man das, wenn er/sie sich dagegen wehrt? Und wenn er/sie erst einmal in so einer Einrichtung ist, kommt er/sie da jemals wieder raus? Fragen wie diese werden hier in 6 Kapiteln umfassend beantwortet. Erfahrungsberichte von Betroffenen runden die Informationen ab.

I. Etwas muss geschehen
Im ersten Kapitel lernen wir, die Anzeichen und Symptome einer Depression zu erkennen und wir erfahren, dass die Krankheit gut zu behandeln ist. Je früher man sie erkennt, desto besser ist es. Doch „das Tückische an Depressionen ist (...), dass sie manchmal verhindern, dass betroffene Menschen sich überhaupt Hilfe suchen.“ (Seite 19) Wir erfahren, wie man seine Beobachtungen und Sorgen am besten anspricht und wie man Hilfe organisiert auch, wenn der Betroffene das nicht möchte.

Wenn erst mal die Profis an dem Problem dran sind, kann man ein bisschen aufatmen. Dann hat man nicht mehr das Gefühl, die alleinige Verantwortung für den Angehörigen zu tragen. Wir sollten uns sowieso bewusst machen, dass wir zwar seine Therapie begleiten, ihn aber nicht selbst therapieren oder gar heilen können.

II.Was bedeutet die Diagnose für Sie?
In dieser zweiten Phase stellt sich die Frage, ob wir Angehörigen das alles alleine stemmen können ob wir selbst Hilfe brauchen – die es zum Glück gibt.

Vom Verstand her wissen wir, dass wir die Krankheit als solche akzeptieren müssen, dass wir Geduld brauchen und dass wir es dem Erkrankten nicht verübeln dürfen, wenn sich gegen unsere Hilfe sträubt, ungehalten oder gar aggressiv reagiert. Andererseits sollen wir uns nicht alles gefallen lassen. Wir müssen damit klarkommen, dass er/sie antriebslos ist und wir seine/ihre bisherigen Aufgaben in der Familie zusätzlich übernehmen müssen. Aber überbehüten ist auch nicht gut.

Wir sollen unserem Umfeld die Krankheit erklären. Wir sollen den Laden am Laufen halten und die Wünsche des Erkrankten berücksichtigen. Wir müssen zurückstecken und uns stark einsetzen. Aber wir sollten auch die Grenzen der eigenen Verantwortung und Möglichkeiten erkennen und dürfen uns nicht bis zum eigenen Zusammenbruch aufreiben.

Es ist eine permanente Gratwanderung – und ein Job für Heilige! Daran darf man auch mal scheitern. Und es ist auf jeden Fall sinnvoll, sich sachkundige Hilfe zu holen.

III. Einen neuen Alltag gestalten
„Ein zentraler Punkt im Umgang mit depressiv Erkrankten ist die Kommunikation.“ (Seite 72) Doch der Redebedarf ist unterschiedlich. Zu viel Druck ist ebenso wenig hilfreich wie konsequentes „In-Ruhe-lassen“. Es gibt aber Möglichkeiten, hier eine akzeptable Balance zu finden und Kommunikationstechniken, die helfen, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Wir lernen, was dem Betroffenen im Alltag helfen kann, wie man mit akuten Symptomen, Ablehnung und Absagen umgehen kann. Das klingt nach einer Herausforderung, und ich hoffe, dass es wirklich hilft, sich die Merksätze von Seite 99 mantraartig vorzusagen.

Unverzüglich handeln muss man, wenn man den Verdacht hat, der Erkrankte wolle sich etwas antun. Das Kapitel zeigt uns, wie wir entsprechende Anzeichen erkennen, auch wenn die Absicht nicht klar ausgesprochen wird, und wie wir auf diese Ausnahmesituation reagieren sollten

IV. Die Puzzleteile der Behandlung
In diesem Kapitel geht es um verschiedene Therapieformen und darum, wie wir dem Erkrankten während seiner Behandlung eine Stütze sein können.

In einem Punkt scheint sich in den vergangenen 35 Jahren leider nicht viel geändert zu haben: Es kann nach wie vor Moooooonate dauern, bis man einen ambulanten Therapieplatz bekommt. Dabei wäre es so wichtig, nach einem Klinikaufenthalt die Behandlung möglichst nahtlos fortzusetzen.

V. Die eigenen Grenzen wahrnehmen
Immer wieder ist in dem Buch die Rede davon, dass Angehörige starken Belastungen ausgesetzt sind und es wichtig ist, dass sie ihre Grenzen wahrnehmen, auf sich achten und sich bei Bedarf Hilfe suchen. Wie sie das machen können, beschreibt dieses Kapitel.

VI. Gemeinsam in die Zukunft blicken
Alle werden froh sein, wenn die depressive Episode vorbei ist und wieder Ruhe einkehrt. Möglicherweise hat sich aber durch Krankheit und Therapie die Beziehung verändert. Der Angehörige hat vielleicht seine Lebenseinstellung geändert und Prioritäten neu gesetzt. Es ist also nicht gesagt, dass alles „wie früher“ wird.

Es besteht auch ein gewisses Risiko eines Rückfalls bzw. einer Wiedererkrankung. Dem kann man vorbeugen, wenngleich es natürlich keine hundertprozentige Garantie gibt. Sollte es je zu einer erneuten Erkrankung kommen, hat man jetzt wenigstens so eine Art Krisenplan. Man weiß jetzt, was man tun muss und was schon einmal geholfen hat und fällt nicht in ein so tiefes Loch wie beim ersten Mal.

Wir werden nie alles richtig machen können, auch wenn uns die Ausführungen der Autorinnen theoretisch einleuchten. Wir sind ja keine Übermenschen. Aber eine „Handlungsanweisung“, die wir nur zum Teil umsetzen können, ist in jedem Fall besser als ahnungslos vor sich hinzuwursteln. Hilfreich sind auch die Adressen und Kontaktdaten im Anhang. Da findet man Rat und Unterstützung. Niemand muss das alleine durchstehen. Und das ist eine sehr beruhigende Erkenntnis.

„Depressionen sind alles andere als selten: Jeder Fünfte erlebt mindestens einmal im Leben eine depressive Episode, weltweit sind zehnmal mehr Menschen an Depressionen erkrankt als an Krebs.“ (Seite 30)

Die Autorinnen
Dr. Christine Hutterer ist promovierte Biologin, Autorin und Medizinjournalistin. Seit vielen Jahren schreibt sie für Fachkreise, Betroffene und Angehörige unter anderem über psychische Erkrankungen wie Depressionen und Sucht.

Prof. Dr. Christine Rummel-Kluge ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und arbeitet als Geschäftsführende Oberärztin und Leiterin der Psychiatrischen Institutionsambulanz am Universitätsklinikum Leipzig. Sie war 2010 bis 2017 Geschäftsführerin der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
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