Juli Zeh: Schilf

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bienwald
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Juli Zeh: Schilf

Beitrag von bienwald »

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Zur Autorin:

Juli Zeh,
geboren 1974 in Bonn, wurde für ihre Bücher, die inzwischen in 28 Sprachen übersetzt sind, vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem

Deutschen Bücherpreis (2002),
dem

Rauriser Literaturpreis (2002),

dem

Hölderlin-Förderpreis (2003)

und zuletzt mit dem

Per-Olov-Enquist-Preis (2005).

Sie lebt und arbeitet als Autorin und freie Juristin in Leipzig.

Weitere Werke von ihr:

Adler und Engel (2001)
Die Stille ist ein Geräusch (2002)

Ein Hund läuft durch die Republik (2004) Spieltrieb (2004)

Kleines Konversationslexikon für Haushunde (2005)

Alles auf dem Rasen (2006),

sowie eine Bühnenfassung ihres Romans Spieltrieb: viewtopic.php?t=5543 (2006)


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Meine kurze Zusammenfassung:
Erster Ort der Handlung: Freiburg. Eine Mann-Frau-Kind-Familie (Sebastian, Maike, Liam) lebt in der Innenstadt. Es folgen sehr interessante, und vor allem amüsante Schilderungen der Umgebung von Freiburg, der Berge, der Tiere, des Flüsschens -
Eine Freundschaft von Sebastian zu Oskar wird ausführlich geschildert; beide sind Physiker. Immer am ersten Freitag im Monat ist Oskar zu Gast bei der Familie zum Abendessen.
Maike hat für drei Wochen einen Urlaub geplant, wo sie alleine mit dem Rennrad an einer Freizeit teilnehmen möchte. Für diese Zeit soll Liam in einem Pfadfinderlager untergebracht werden, Sebastian freut sich auf einige stille Wochen, die er ganz für sich haben wird, Zeit für seine Überlegungen über physikalische Probleme?
Maike ist abgereist, Sebastian bringt Liam mit dem Auto zum Ferienlager. Unterwegs hält er an, Liam schläft auf dem Rücksitz, er tankt, und als er zum Auto zurückkommt, ist Liam weg. Er bekommt eine Nachricht, wenn er ihn zurückhaben will, so versteht er die Nachricht, "muss" ein bestimmter Arzt, der in einen Pharmazie-Klinik-Skandal verwickelt ist, "weg". Und: er darf mit niemanden darüber reden.
Dieser Arzt, der "weg muss", ist ein Bekannter von Maike, und auch er ist begeisterter Rad-Rennfahrer, der täglich bestimmte Stecken fährt, schon frühmorgens?..
Sebastian plant, ihn dabei stürzen zu lassen, bringt ein Stahlseil zwischen zwei Bäumen an der Straße an, die der Arzt immer befährt. Und tatsächlich, es klappt, der Arzt befährt diese Straße, und er wird regelrecht geköpft, sein Kopf bleibt in einer Astgabel hängen?
Eine junge Kommissarin bekommt den Fall, und ein Kommissar (Schilf), der einst in ihrer Ausbildung ein Dozent war, kommt von Stuttgart, was der Kommissarin überhaupt nicht passt. Sebastian meldet der Polizei die Entführung seines Sohnes. Nur scheint der gar nicht entführt worden zu sein. Er befindet sich im Pfadfinderlager. Die Eltern holen ihn dort wieder ab und Sebastian sucht Rat bei seinem Freund Oskar, und fährt nach Genf, wo dieser lebt. Schilf soll die Entführung aufklären, die Kommissarin behält die Mordsache für sich. Schilf hat mit seiner bestimmten Gabe schnell die Lösung, den Täter und die Zusammenhänge erkannt. Aber: da er auch dieser physikalischen, mit philosophischen Betrachtungsweise von Zeit und Raum anhängt, wie die beiden Physiker, fasziniert ihn diese Sache und er beschließt, den Täter vorerst auf keinen Fall zu überführen; als er dann der jungen Kommissarin seine Erkenntnis mitteilt, tut er das nur, wenn sie ihm versichert, dass sie den Täter nicht in Haft nimmt. -
Eine Fernsehsendung, wo Sebastian und Oskar eine fachliche Diskussion führen, wird aufgezeichnet, und der Kommissar lässt sie sich kommen, sieht sie sich an, und hat die Lösung des Falls.
Die Verknüpfung von Delikten, eine nicht vorhandene Verbindung eines Delikts zu den anderen, eine Verbindung zwischen Oskar und Sebastian, ein außergewöhnlicher Kommissar Schilf, eine ebenso nicht alltägliche Kommissarin, und eine fatale Wortverwechslung, führen zu einem nicht ganz unerwarteten, aber dennoch überraschenden Ende einer Kriminalgeschichte.
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Die Autorin begeistert durch ihre ungewöhnlichen Schilderungen, Hintergründe, Hinterfragungen, Einflechtungen von physikalischen und philosophischen Zusammenhängen, außergewöhnlichen Betrachtens- und Verhaltensweisen der Kriminalisten.

Alleine schon der Inhalt und das Geschehen versteht sie meisterhaft zu interpretieren, aber ganz besonders fallen mir ihre Verbindungen, Sichtweisen dieser Wissenschaftler und Zusammenhänge auf.
Sie bietet faszinierende Ansichten und Überlegungen, weniger was das Planen und Ausführen einer Straftat betrifft, als den Umgang mit den Akteuren im Zusammenhang mit der Aufklärung einer Straftat, die mehr als außergewöhnlich sind.



Ich habe absichtlich hier nicht deutlicher geschrieben, wie das Ende ist, auf was es genau beruht usw., falls es jemand lesen möchte. :shock: :D
Zuletzt geändert von bienwald am So 6. Jul 2008, 11:41, insgesamt 2-mal geändert.
Herzlichen Gruß
Bienwald
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Hermelinchen
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Beitrag von Hermelinchen »

Danke für die Rezension, hört sich hervorragend an!
Werde ich demnächst mal lesen!
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bienwald
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Beitrag von bienwald »

@hermelinchen, freut mich, wenn dich meine Vorstellung dieses Buchs zum Lesen angeregt hat.

toll wäre, wenn du deine Meinung dazu sagen könntest, wenn du es ausgelesen hast. :lol:
Herzlichen Gruß
Bienwald
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Hermelinchen
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Beitrag von Hermelinchen »

Hallo Bienwald,

mach ich! Habe mir das Buch heute gekauft, werde aber sicher einige Zeit brauchen, bis ich es ausgelesen habe!

Liebe Grüße, Hermelinchen
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bienwald
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Beitrag von bienwald »

na toll hermelinchen, dann wünsche ich dir viel Spaß beim Lesen, gell.
Herzlichen Gruß
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Hermelinchen
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Beitrag von Hermelinchen »

Hallo Bienwald,

habe es zu Ende gelesen - und es war tatsächlich ein sehr spannendes Buch! :D Habe es sofort einer Freundin ausgeliehen. Was ich besonders gelungen fand, waren die Personenbeschreibungen, vor allem die von den männlichen Hauptpersonen. Könnte ich mir auch sehr gut als Film vorstellen. Danke, dass Du das Ende nicht beschrieben hattest. Ich fand es allerdings auch nicht so überraschend, damit hatte ich irgendwann gerechnet. Das hat mich aber nicht gestört, denn es ist, wie Du auch geschrieben hattest, kein klassischer Krimi, wo es um das Planen eines Verbrechens geht. Die physikalischen Hintergründe haben mich ,ehrlich gesagt, weniger interessiert, da überhaupt nicht mein Ding, die Personenkonstellation, die Charaktere, die Geschichte eines Verbrechens und seine Aufklärung dafür aber umso mehr. Mein Fazit: rundum empfehlenswert. Danke noch mal für den tollen Tipp!

Lieben Gruß, Hermelinchen
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bienwald
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Beitrag von bienwald »

ich habe hier ein Interview mit der Juli Zeh gefunden:

http://www.spiegel.de/kultur/literatur/ ... 97,00.html

ich war auf der Suche nach weiteren Romanen von ihr.
Herzlichen Gruß
Bienwald
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bienwald
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Beitrag von bienwald »

sie hat auch noch geschrieben:

Spieltrieb

Adler und Engel
Herzlichen Gruß
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isa
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Beitrag von isa »

hi

ich muss gerade eine Buchvorstellung von Schilf machen und hab noch ein paar Fragen. z.B. in wie fern Schuld ein Thema in dem Buch ist?
und was hat es mit dem Vogelei auf sich?
Würde mich über Antworten freuen. :)
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bienwald
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Beitrag von bienwald »

naja isa, wenn du es vorstellen willst/musst, dann musst du auch selbst drauf kommen, was damit sein könnte.
Und wenn du das Buch gelesen hast, hast du Antworten.

Ob du jetzt "Schuld" nimmst oder "Vogelei" -
egal, aber du musst das schon selbst interpretieren.
Wir willst du sonst auf Rückfragen antworten können ????
Herzlichen Gruß
Bienwald
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isa
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Registriert: Fr 23. Mai 2008, 20:04

Beitrag von isa »

naja, ich hab mir ja schon Gedanken darüber gemacht.
Das Vogelei ist ja der Tumor, welche am Schluss "ausbricht", also zum Tod führt ("Die Schale zerbricht").
Da Schilf aber auch über alles den Überblick hat und immersofort die Zusammenhänge der Fälle erkennt, könnte das Vogelei auch den "Vogelblick" Schilfs darstellen.
Und ich denke Schuld ist in so fern ein Thema, da Schilf den wahren Täter finden möchte und nicht Sebastian als schuldig sieht.

Ich hab eben gedacht, dass es vielleicht noch andere, bessere Interpretationsmöglichkeiten gibt. Aber du hast schon recht.

Trotzdem danke.
Gruß isa
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bienwald
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Beitrag von bienwald »

ja isa, das mit der Schuldfrage ist natürlich m.E. ein Hauptthema, und wie damit umgegangen wird.

Aber um den Schluss und alles nicht zu verraten, falls das Buch jemand lesen möchte, habe ich mich da zurückgehalten.

Dass es ungewöhnlich ausgeht, okee, das kann man verraten, aber mehr nicht.

Ansonsten bietet dieses Buch sehr viel Stoff zur Diskussion, aber auch zur Interpreation.
Herzlichen Gruß
Bienwald
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bienwald
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Beitrag von bienwald »

nachdem ich ja jetzt dieses Buch und "Spieltrieb" gelesen habe, (Adler und Engel werden folgen) - ist jetzt die Absicht der Autorin noch deutlicher geworden, sogenannte "Straftaten" von einer ganz anderen Warte aus zu beleuchten, zu interpretieren.
Was nicht als Rechtfertigung anzusehen ist, nein, auf keinen Fall; aber zumindest der tumben Ansicht sehr vieler Mitbürger entgegentritt, bzw. das versucht....
Herzlichen Gruß
Bienwald
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