Richard Powers: DER KLANG DER ZEIT

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bienwald
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Richard Powers: DER KLANG DER ZEIT

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Autor:
Richard Powers wurde 1957 geboren und lebt in Urbana, Illinois. Seine Bücher wurden mehrfach preisgekrönt.

"Der Klang der Zeit" war wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Die Übersetzer Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié leben in Köln und in der Eifel. Gemeinsam übertrugen sie neben Richard Powers, Yann Martel, Joseph O-Connor, Scott Bradfield und Patrick Leigh Fermor.

Meine Inhaltsangabe:
1961, der zwanzigjährige Jonah hat gerade einen Wettbewerb sehr gut abgeschlossen, er war zusammen mit seinem Bruder Joye aufgetreten, der ihn am Klavier begleitet hatte. Beide sind dunkelhäutig; der Vater ein 1938 aus Deutschland eingewanderter Jude, die Mutter eine Schwarze aus den USA. Es ist noch eine jüngere Schwester da, von ihr wird später erzählt.

Immer wieder geht die Geschichte zurück, z.B. zum Jahr 1938, wo der Vater in USA ankommt, er ist Mathematiker und Physiker, an der Universität tätig.
Und einige Zeit später, es gastiert eine schwarze Sängerin in New York, der ein Auftritt in vielen Teilen der USA, bzw. in vielen Konzertsälen usw. nicht erlaubt wurde wegen ihrer Hautfarbe, ihr Auftritt findet im Freien statt, in der Nähe des Weißen Hauses, auf Intervention eines Politikers, der wegen seiner Rassenansichten sonst kein Gehör im Parlament gefunden hatte, macht sich. Deliah auf den Weg.
Sie ist die Tochter einer Familie mit schwarzer Hautfarbe, der Vater Prof. für Medizin an der Universität, die Mutter eine praktizierende Christin, die im Chor und der Kirchengemeinde sehr aktiv ist. Aber: es ist eine Gemeinde, wo nur Schwarze sind. Zugang zu kulturellen Institutionen der Weißen ist ihnen verwehrt. Allerdings im Kreis der Akademiker um den Vater wird die Hautfarbe meistens übersehen, im beruflichen kleinen Kreis, es der Kreis um den Vater ist gemischt aus Weiß und Schwarz. Deliah selbst ist auch eine begeisterte Sängern, und sie möchte, obwohl ihr Vater es für nicht gut hält, und ihr das nicht finanziert, Gesang studieren. Sie arbeitet als Krankenschwester und finanziert sich damit ihr Studium für Gesang.
Diese beiden, Deliah und der weiße Jude aus Deutschland, begegnen sich bei diesem Open-Air-Konzert, und beider Leben verändert sich. Deliah muss das geheim halten, weil ein Umgang mit einem Weißen für eine schwarze Familie ebenso schlimm ist wie für Weiße der Umgang mit Schwarzen. Beide treffen sich aber, heiraten, bekommen diese zwei Jungs, Jonah und Joey, und dann ein Mädchen.
Jonah ist ein großes Talent mit einer riesigen Stimme, zunächst noch im Knaben-Sopran, und nach dem Stimmbruch wechselt er relativ und ungewöhnlich schnell in die Tenorstimme. In der Familie wird bei allen Gelegenheiten gesungen, egal ob am Tisch, oder sonst wo. Sie improvisieren, sind begeisterte Musiker; die Mutter spielt Klavier, und Joey, der ein Jahr jüngere Bruder von Jonah, spielt auch Klavier. Beide Eltern unterrichten ihre Kinder zunächst zuhause.
Nach sehr vielen Schwierigkeiten aufgrund der Hautfarbe wird Jonah schließlich in einem Konservatorium aufgenommen, und danach auch sein Bruder, der ihn am Klavier bei allen Vorträgen begleiten soll. Joey wird nur genommen, weil er gut für seinen Bruder, Jonah ist, der ein Stern am Gesangshimmel des Konservatorium ist. Es werden die Erlebnisse in dem Konservatorium, einem Internat, geschildert. Dort sind nur Weiße. Die vielen Demütigungen und Beleidigungen, ob seelisch oder körperlich, ertragen die beiden Jungs und verheimlichen sie vor den Eltern, weil sie wissen, die Eltern können das nicht ertragen. Es werden dann Bekanntschaften der beiden Jungs, als sie in der Pubertät sind geschildert, mit Mädchen, die weiß sind. Und es ist immer ein unlösbares Problem. Und schlichtweg nicht möglich, selbst wenn das weiße Mädchen gar nicht sah, dass ihr Freund, ob Jonah oder Joe, farbig sind, genügte ein Brief des Leiters der Schule an die Eltern des Mädchens in Österreich, dass sie Umgang mit einem Farbigen hat, und sofort wurde sie nachhause geholt. Jonah und Joey machen Karriere; aber als Jonah die erste Fachkritik der größten New Yorker Zeitung liest, und da steht, dass ein schwarzer Sänger am Starhimmel erschienen ist, also eben schreibt, dass das ein schwarzer Sänger ist, und die Verwunderung ist immer wieder allgegenwärtig, dass die beiden Brüder alle Kompositionen der westlichen Welt, vorzugsweise die der großen deutschen Komponisten in ihrem Repertoire haben. Die Weißen sind scheinbar der Ansicht, Schwarze müssten immer ihre Negersongs singen, und sonst nichts. - Jonah erschlägt diese Erkenntnis, und er beginnt seine Schwester zu verstehen, die das schon sehr viel früher rausgefunden hatte. (Sie ist später nicht mehr in der Familie, ist im Widerstand der Schwarzen aktiv).
Und als sie in Los Angeles zu Aufnahmen ihrer ersten Schallplatte sind, will Jonah unbedingt zu den Krawallen des Aufstandes der Schwarzen gehen, und gucken was da los ist. Sie gehen hin, geraten mitten in das Geschehen; Jonah wird von einem Schwarzen angegriffen, weil Jonah ein ziemlich heller Neger ist. Joey ist etwas dunkler, hat sich aber auch im Hintergrund gehalten. - Sie werden dann von der Polizei verhaftet, verbringen eine Nacht und zwei Tage im Gefängnis dort, fliegen dann wieder zurück nach New York. Jonah hat zum ersten Mal mit größer Deutlichkeit die Problematik erkannt, die Schwarz und Weiß darstellt. Viele Gespräche und Gedankengänge finden statt, Überlegungen, Rückkehr in die Vergangenheit, Erinnerungen, insbesondere an die Mutter, die ja schwarz war und in ihrem Haus verbrannt ist, wie das genau geschah, weiß niemand. Aber klar wird und ist auch: Eine Verbindung zwischen Schwarz und Weiß ist sehr, sehr schwierig, wird auch von beiden Seiten abgelehnt. Eine Schwarze, die mit einem Weißen zusammenlebt, ihn gar heiratet und auch noch Kindern von ihm bekommt, ist bei den Schwarzen schlichtweg unten durch, höchst gefährdet, weil sie der Hass der Schwarzen mit aller Wucht trifft.
Beide Brüder halten sich dann auch in Europa auf, zuerst Jonah, nach einigen Jahren kommt Joye auch dazu, sie gründen einen Chor, der die Stimmen, so wie sie sie empfinden, zu Gehör bringen soll. Und sie sind erfolgreich unterwegs in fast allen Ländern Europas und auch in Israel, dem Nahen Osten usw., wo ja auch die Wurzeln ihres weißen Vaters sind.
Und: Jonah kommt mit seiner Sangesgruppe in die USA, sie machen eine Tournee, und alle Geschwister treffen sich nach 20 Jahren wieder, die Schwester inzwischen Witwe, ihr Mann wurde von Polizisten ermordet, natürlich offiziell nicht, der Opapa, also der Großvater der drei, der Vater der schwarzen Mutter, lebt noch, und nach vielen Jahren trifft sich zumindest der schwarze Teil der Familie, auch zu letzten Mal; der Großvater stirbt bald danach. - Jonah besucht die Schule, die Joey und seine Schwester zusammen gegründet haben, Joey arbeitet dort als Musiklehrer, und es werden grandiose Situationen, wo einfach alle singen, beschrieben. Und Jonah kommt zu so einem Konzert, ist derart verblüfft und erstaunt, und erkennt, dass das eigentlich das ist, was er schon immer wollte.....
Es werden noch einige andere Lebensläufe von Nebengeschichten erzählt. Und wie von diesem Autor erwartet, immer im Bezug von Zeit und Raum gesehen.

Den Ausgang des Buchs beschreibe ich hier nicht, rücksichtnehmend auf Leute, die das Buch evtl. lesen möchten.


Einige Zitate, die einen ganz kleinen Eindruck vermitteln können:


"??..Mit den vier knochigen Fingern der rechten Hand fährt er sich über die Stirn, genauso unbewusst, wie er es an jedem Tag seines Lebens bestimmt hundertmal getan hat. Seine Augen leuchten bei dem Gedanken an die unlösbaren Rätsel eines jeden Tages. Wenn die Zeit tatsächlich noch existiert, dann als Resonanz dieser stationären Wellengleichung. Die Leben, die er noch leben muss, sind schon in ihm, ebenso real wie die, die er bisher gelebt hat. ??."

"?..Er sagte, wir täten Unrecht damit, dass wir euch Kinder aufzögen. Er sagte, es ?..'es sei ein Verbrechen. Dass wir - sünden. Sagt man so; Ein Zeitwort?' - ?Sündigen' - ?Er sagte, dass wir sündeln, wenn wir euch Jungs Aufziehen, als gäbe es den Kampf schwarz gegen Weiß nicht. Als ob wir schon angekommen seien in unserer eigenen Zukunft.' Ich schloss die Augen. In der Zukunft, die mein Vater sich erträumte, würde die Menschheit niemals ankommen, nicht einmal aus Versehen??????.."

"??????Wenn der Körper den Grenzen seiner Hülle entflieht, beginnt er zu schweben. Wie viele Menschen, gefangen im Fluss der Zeit, können auch nur für einen einzigen Augenblick aus der -Strömung heraustreten und am Ufer des Flusses verweilen; Johah übernahm den Tenor, und die Frauenstimmen setzten zum Flug an, drei Schritte Anlauf, dann der Sprung in die Schwerelosigkeit. Sie segelten empor bis zum Schlussstein des höchstens Gewölbes. Ihre Sicherheit gab mir Kraft, und die Noten rollten ohne viel Zutun vom Blatt, sobald ich sie ansah. Das polyphone Geflecht war so dicht, dass jede neue Stimme, wenn sie die vorherige aufgriff, klang, als kehre diese an den Anfang zurück?????"

".....................Wenn unser Vater Recht hatte, dann fließt die Zeit nicht, sondern ist einfach. In einer solchen Welt sind wir alles, was wir je waren oder sein werden. Aber in einer solchen Welt können wir auch nie etwas anderes sein oder gewesen sein, als wir jetzt sind....................."

Auch wieder, wie im Echo der Erinnerung, arbeitet der Autor mit Physik, Mathematik, und in diesem Buch eben das vermischt mit Musik. Alleine die Kenntnisse dieser einzelnen Wissenschaften sind grandios. Und wie er das alles einbindet in eine Geschichte von 1938 bis etwa heute, das ist schon Literatur erster Güte. Und wie er insbesondere die Rassengeschichte in USA schildert, teilweise uns Europäern ganz unbekannt, muss sehr gut recherchiert sein. Das zu erfinden, traue ich dem Autor nicht zu.

Hochinteressant seine Reisen von einer Zukunft in eine Vergangenheit, die schon Zukunft war, als sie noch aktuell war. Und umgekehrt. Seine Vergleiche mit den Geschwindigkeiten von unterschiedlichen Elementen z.B., ein Ton, seine Geschwindigkeit, oder ein Licht, und seine Geschwindigkeit. Der Schluss daraus: Zeit ist etwas nicht messbares. Alles war wir meinen, in Zeit bemessen zu können, ist ein Trugbild und ist eigentlich nur unser Gefühl für das im Augenblick aktuelle. Diese Erklärungen werden vom Vater des Protagonisten, also Joeys Vater, dem weißen Juden aus Deutschland, der Prof für Physik ist, im Buch geschildert. - Seine geistige Verwandtschaft mit Einstein ist logisch, und Bestandteil, aber eben nicht ganz genau, sondern er hat noch viel Neues diesbezüglich entdeckt. Das genauer zu schildern, ist mir nicht möglich, ich habe von diesem Fach nicht so viel Ahnung, dass ich da jetzt 50 Seiten in paar Sätze zusammenfassen könnte.
Herzlichen Gruß
Bienwald
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bienwald
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Beitrag von bienwald »

ja, selbst das kurze Anschauen ist vermutlich schon etwas schwierig; ist verständlich, alleine beim Namen des Autors gucken viele Leute schon gar nicht... :lol:

Naja, okee, es ist nicht einfach zu lesen und m.E. nur für Viel-Leser geeignet, die sich mal dran wagen, auch so was zu lesen, oder eben für Viel-Leser die ohnehin solche Sachen schon öfter gelesen haben und gute Erfahrungen gemacht haben, so gings mir. :lol:

Also ruhig mal anfangen, so ein Buch zu lesen.
Weglegen, irgendwann wieder weiterlesen.
Und der Zeitpunkt kommt schon, wo man dann die Spannung entdeckt und es nicht mehr aus der Hand legt, auch wenn es sehr dick ist. :lol:
Herzlichen Gruß
Bienwald
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