Adventskalender

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Buddenbrooks
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Re: Adventskalender

Beitrag von Buddenbrooks »

Weihnachtsmarotten und andere Kapriolen


Es sind nur noch wenige Tage bis zum Weihnachtsfest, und ich sitze vor unserem halbfertig geschmückten Weihnachtsbaum und schwelge in Gedanken. Mir fällt die Zeit ein, als ich noch zu Hause bei meinen Eltern wohnte und mein Vater traditionell am Heiligen Abend den Weihnachtsbaum schmückte. Eine Aufgabe die der Chef des Hauses, in diesem Fall meine Mutter, ihm höchst persönlich aufgetragen hatte. Mein Vater hatte wie jedes Jahr zu Weihnachten keinen leichten Stand. Schon die Prozedur einen geeigneten Weihnachtsbaum ausfindig zu machen, wurde im Beisein meiner Mutter zu einer Geduldsprobe, die mein Vater jedes Mal mit Bravour meisterte, indem er meine Mutter mit Ruhe und Besonnenheit gewähren lies. Das Schmücken des Baumes war abhängig von der Laune und Kreativität meiner Mutter. Das bedeutete, dass unser Weihnachtsbaum jedes Jahr in einem anderen farblichen Glanz erstrahlte. Und jedes Jahr am Heilig Abend wurde ein Höhepunkt zelebriert, der die Feierlichkeiten erst zur Vollendung brachte. Das Anbringen der Christbaumspitze! Eine Prozedur, die meine Familie mit erwartungsvoller Spannung verfolgte. So auch unsere Großeltern, die mit uns gemeinsam in einem Haus wohnten. Opa war nämlich stets darauf bedacht, dass sein Sohn diese Tradition aufrecht hielt und diese gewissenhaft an seine Kinder weiter gab.
Bei diesem feierlichen Akt, saß Opa wieder jedes Jahr in seinem Lehnsessel und beobachtete genüßlich das Tagwerk meines Vaters. Er kam auch nicht darum herum darauf hinzuweisen, dass ein guter Schluck vom feinen Gerstensaft für die notwendige Entspannung und die Gewißheit sorgen würde, dass der Baum in besonders hellem Glanz erstrahlen würde. In diesem Sinne ging es ihm natürlich auch um sein Wohlergehen und das seines Sohnes. Oma war mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden und rügte Opa, indem sie ihm einen leichten Klaps mit der flachen Hand in den Nacken gab.
"Je oller, desto doller", sagte sie dann, nicht ohne einen ernsten Unterton. Opa amüsierte sich seinerseits darüber und antwortete mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck: "Ja, ja meine Elli ist immer noch so stürmisch wie am ersten Tag", und gab ihr einen Klaps auf den Po. Von dieser Art der Tuchfühlung war Oma nicht überzeugt und verschwand eilenden Schrittes in der Küche, um ihrer Schwiegertochter beim Zubereiten des Festmahles zur Hand zu gehen.
Wenig später folgte, der mit Spannung erwartete Akt. Die Christbaumspitze wurde feierlich hervorgeholt und dem Weihnachtsbaum aufgesteckt.. Obwohl Opa und mein Vater bis zu diesem Moment schon eine Menge Gerstensaft intus hatten, verlief die Prozedur eigentlich immer reibungslos. Mein Vater richtete die Leiter aus und Opa stellte sich schon einmal in Pose, um das Lot mit dem Auge zu peilen. Die Christbaumspitze war ein Gebilde aus feinem Glas, das silbern schimmerte und am oberen Ende mit einem federähnlichem Schmuck versehen war. Der Weihnachtsbaum war wie immer so groß, das er mit der Christbaumspitze fast bis zur Wohnzimmerdecke reichte. Sobald mein Vater das gute Stück angebracht hatte, konnte Opa seine militärische Vorliebe nicht zurückhalten. "Ka- upftata, ka- upftata, ka- upf, ka- upf, ka- upftata" schnaufte es jedes Mal aus ihm heraus. Der Feldmarschall Graf Josef Radetzky hätte an Opa seine wahre Freude gehabt.
Mit allen militärischen Ehren die er kannte, schlurfte Opa in seinen alten Pantoffeln um den Baum herum. Opa war noch vor 1900 geboren und hatte uns immer angedroht über Hundert Jahre alt zu werden.
"Ich habe den Kaiser überlebt, Adolf und Stalin, und wenn dieser Scheiß Körper nicht dem Zerfall preisgegeben wäre, ich würde euch junges Gemüse auch noch überleben", sagte er und sackte wenig später entkräftet in seinen Lehnsessel.
Trotz dieser Mühseligkeiten die vor dem eigentlichen Fest immer stattfanden, waren die Weihnachtstage für mich die schönste Zeit im Jahr, an die ich mich immer wieder gerne erinnere. 1995 jedoch, sollte die alljährliche Prozedur eine äußerst kritische Phase erreichen.
Mit einer geübten Routine schmückte mein Vater den Weihnachtsbaum. In diesem Jahr war Lila die Wunschfarbe meiner Mutter und anstelle der handelsüblichen klar leuchtenden Lichterkette, musste unser Weihnachtsbaum in diesem Jahr bunt wie ein Harlekin leuchten. So die Meinung meines Vaters, der sich mit dieser Äußerung nicht gerade bei meiner Mutter einschmeichelte. Und weil Opa der Situation nicht ernstes abverlangen konnte, gab er spöttisch zum Ausdruck: "Setz der Narretei doch endlich die Spitze auf", und erntete von seiner Schwiegertochter bitterböse Blicke.
"Kiek me nech so an, als wolls me in de Groaf breng!"
Wohlweißlich seiner Missetat bewußt, antwortete er in Plattdeutsch, was ihm die notwendige Distanz zu ihr verschaffte. In der Zwischenzeit holte mein Vater den Karton mit der Christbaumspitze vom Dachboden. Was daraufhin geschah, könnte man als ein Wechselbad der Gefühle bezeichnen. Die Christbaumspitze war durch einen widrigen Umstand im Laufe des Jahres zu Bruch gegangen und lag zerbröselt in dem Karton. Während mein Vater mit seiner roten Nase sichtlich amüsiert meiner Mutter diese peinliche Angelegenheit mitteilte, brach für sie eine Welt zusammen. Ein Weihnachtsbaum ohne Christbaumspitze, wäre für sie wie Maria und Josef ohne das Christkind. Ein Umstand, den sie auf gar keinen Fall hinnehmen wollte. Für mich rückte das Fest der Liebe in weite Ferne, denn die Geschäfte hatten schon alle geschlossen und eine Notlösung für diese Situation war nicht in Sicht. Alle Bemühungen seitens meines Vaters das Fest noch zu retten scheiterten daran, dass meine Mutter ihm den Vorwurf machte, nicht mit der notwendigen Sorgfalt ans Werk gegangen zu sein.
Opa saß wie gewohnt in seinem Lehnsessel und verfolgte mit einem verschmitzten Gesichtsausdruck das Geschehen. Als die Situation zu eskalieren drohte, stand er in aller Gemütsruhe auf und schlurfte mit bedächtigen Schritten in sein Zimmer. Als er an mir vorbei schob, konnte ich ihn die Klänge des Radetzkymarsches summen hören. "Na Opa, groovt der Beat wieder?" Aber Opa schlich unbeirrt an mir vorüber. Nachdem er die Türe hinter sich geschlossen hatte, konnte man aus seinem Zimmer einige geschäftige Geräusche hören. Nach einer viertel Stunde ging dann die Türe auf und Opa stand in einem gleißend hellem Licht, das von einem Baustrahler ausging, in dem Türrahmen und hielt etwas sonderbares in seiner erhobenen Hand, das nun vor mir liegt und darauf wartet traditionell auf die Spitze meines Weihnachtsbaumes gesteckt zu werden.
Das sonderbare Teil, das Opa da in seiner Hand hielt, war der goldene Paradeschmuck zum Aufstecken für die Pickelhaube seiner kaiserlichen Majestät Wilhelm I., Kaiser von Deutschland.
"Dieses edle Schmuckstück habe ich dem Blödmann von Kaiser stibitzt, als ich noch ein Lausebengel war und er einmal zu Besuch in unserer Stadt war", sagte Opa nicht ohne stolzem Unterton und schlurfte an uns vorüber. Fassungslos starrten wir auf das goldene Utensil und waren sprachlos. Mit einem zackigem "Ka- upftata, ka- upftata, ka- upf, ka- upf, ka- upftata, hielt er den Radetzkymarsch zum Besten, stieg etwas wackelig die Leiter empor und steckte voller Stolz den Paradeschmuck auf die Weihnachtsbaumspitze, richtete den Federschmuck aus und stieg freudestrahlend die Leiter herunter. Wahrlich ich sage euch, es bereitete sich ein kaiserlicher Glanz in unserem Wohnzimmer aus und die Augen meiner Mutter leuchteten, als wäre ihr der Weihnachtsengel persönlich erschienen. Somit konnte das Fest der Liebe, das nun in wahrlich kaiserlichem Licht erstrahlte, friedvoll gefeiert werden.
Opa ist keine hundert Jahre alt geworden. In der Nacht zu Silvester, gegen 23:45 Uhr, hat er das zeitliche gesegnet. Nun wird er seiner kaiserlichen Majestät, wahrscheinlich gehörig den Marsch blasen. Manchmal fehlt mir dieser verschrobene alte Kauz mit seinen Geschichten und Eigenarten. Ich schaue auf, nehme mein Glas mit Gerstensaft und proste ihm zu. "Prost Opa, und frohe Weihnachten"

von Enrico Andreas Brodbeck
Buddenbrooks
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Re: Adventskalender

Beitrag von Buddenbrooks »

Plattdeutsches Weihnachtsverschen

Wihnachtsmann, kiek mi an,
lüttje Deern bün ick man,
veel vertelln, dat kann ick nich,
Wihnachtsmann, vergeet mi nich!
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xenna
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Re: Adventskalender

Beitrag von xenna »

Jedesmal wenn Weihnachten kommt, muß ich an Herrn Sörensen denken. Er war der erste Mensch in meinem Leben, der ein einsames Weihnachtsfest feierte, und das habe ich nie vergessen können.

Herr Sörensen war mein Lehrer in der ersten Klasse. Er war gut, im Winter bröselte er sein ganzes Frühstücksbrot für die hungrigen Spatzen vor dem Fenster zusammen. Und wenn im Sommer die Schwalben ihre Nester unter den Dachvorsprung klebten, zeigte er uns die Vögel, wie sie mit hellen Schreien hin und her flogen. Aber seine Augen blieben immer betrübt.

Im Städtchen sagten sie, Herr Sörensen sei ein wohlhabender Mann. „Nicht wahr, Herr Sörensen hat Geld?" fragte ich einmal meine Mutter. „Ja, man sagt's." - „Ja … ich hab' ihn einmal weinen sehen, in der Pause, als ich mein Butterbrot holen wollte …"

„Herr Sörensen ist vielleicht so betrübt, weil er so allein ist", sagte meine Mutter. „Hat er denn keine Geschwister?" fragte ich. „Nein - er ist ganz allein auf der Welt…"

Als dann Weihnachten da war, sandte mich meine Mutter mit Weihnachtsbäckereien zu Herrn Sörensen. Wie gut ich mich daran erinnere. Unser Stubenmädchen ging mit, und wir trugen ein großes Paket, mit rosa Band gebunden, wie die Mutter stets ihre Weihnachtspäckchen schmückte.

Die Treppe von Herrn Sörensen war schneeweiß gefegt. Ich getraute mich kaum einzutreten, so rein war der weiße Boden. Das Stubenmädchen überbrachte die Grüße meiner Mutter. Ich sah mich um. Ein schmaler hoher Spiegel war da, und rings um ihn, in schmalen Rahmen, lauter schwarzgeschnittene Profile, wie ich sie nie vorher gesehen hatte.

Herr Sörensen zog mich ins Zimmer hinein und fragte mich, ob ich mich auf Weihnachten freue. Ich nickte. „Und wo wird Ihr Weihnachtsbaum stehen, Herr Sörensen?" - „Ich? Ich habe keinen, ich bleibe zu Hause."

Und da schlug mir etwas aufs Herz beim Gedanken an Weihnachten in diesem „Zuhause". - In dieser Stube mit den schwarzen kleinen Bildern, den schweigenden Büchern und dem alten Sofa, auf dem nie ein Mensch saß - ich fühlte das Trostlose, das Verlassene in dieser einsamen Stube, und ich schlug den Arm vors Gesicht und weinte.

Herr Sörensen zog mich auf seine Knie und drückte sein Gesicht an meines. er sagte leise: „Du bist ein guter, kleiner Bub." Und ich drückte mich noch fester an ihn und weinte herzzerbrechend.

Als wir heimkamen, erzählte das Stubenmädchen meiner Mutter, ich hätte „gebrüllt".

Aber ich schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, ich habe nicht gebrüllt. Ich habe geweint. Und weißt du, ich habe deshalb geweint, weil nie jemand zu Herrn Sörensen kommt. Nicht einmal am Heiligen Abend…"

Später, als wir in eine andere Stadt zogen, verschwand Herr Sörensen aus meinem Leben. Ich hörte nie mehr etwas von ihm. Aber an jenem Tag, als ich an seiner Schulter weinte, fühlte ich, ohne es zu verstehen, zum ersten Male, daß es Menschen gibt, die einsam sind. Und daß es besonders schwer ist, allein und einsam zu sein an Weihnachten.

Herman Bang
Guckst du hier
Und hier stell´ich mich persönlich vor:
http://www.booklooker.de/xenna
nanoq
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Re: Adventskalender

Beitrag von nanoq »

Da wir uns mit Herman Bang ja ohnehin in Dänemark befinden, habe ich für heute, den

04. Dezember 2010

mal etwas für euch, das ich auf einer dänischen Weihnachtsseite gefunden habe: Tror du på julemanden? Ich bin sicher, dass es diesen oder einen sehr ähnlichen Text auch schon auf deutsch gibt und man ihn im Internet irgendwo finden kann. Da ich aber keine Lust habe, danach zu suchen, habe ich einfach den dänischen Text für euch übersetzt. Für alle, die schon immer mal wissen wollten, was eigentlich aus dem Weihnachtsmann geworden ist:



Glaubst du an den Weihnachtsmann?

1) Es gibt ca. 2 Milliarden Kinder (Personen unter 18) auf der Erde. Allerdings braucht der Weihnachtsmann Muslime, Hinduisten, Juden oder Buddhisten nicht zu besuchen, was die Anzahl auf 15 % oder 378 Millionen reduziert. Bei einem Weltdurchschnitt von 3,5 Kindern pro Haushalt sind daher 108 Millionen Haushalte zu besuchen, da wir davon ausgehen, dass in jedem Haushalt mindestens ein artiges Kind lebt.

2) Durch die verschiedenen Zeitzonen und die Erdrotation stehen dem Weihnachtsmann ca. 31 Stunden für seine Arbeit zur Verfügung, wenn wir davon ausgehen, dass er von Osten nach Westen reist, was logisch wäre. Das entspricht dann einem Besuch von 967,7 Haushalten pro Sekunde. Das bedeutet, dass der Weihnachtsmann für jeden christlichen Haushalt mit einem artigen Kind etwa 1/1000 Sekunde Zeit hat, um den Schlitten zu parken, herauszuspringen und im Schornstein hinunter zu hopsen, die Socken zu füllen, die am Kamin hängen, die restlichen Geschenke unter den Weihnachtsbaum zu packen, die Süßigkeiten zu essen, die ihm hingelegt worden sind, den Schornstein wieder hinaufzukriechen, auf den Schlitten zu hüpfen und zum nächsten Haus weiterzufahren. Wenn wir voraussetzen, dass alle Haushalte, die er besuchen muss, gleichmäßig verteilt sind (wir wissen natürlich, dass dem nicht so ist, aber wir nehmen es einmal an, um die Berechnung durchführen zu können), sind die Häuser im Schnitt ca. 1 km voneinander entfernt. Das ergibt eine Gesamtstrecke von ca. 100 Millionen km, wobei Toilettenbesuche und Pausen noch zu berücksichtigen sind. Das heißt, dass der Schlitten des Weihnachtsmannes ca. 1000 km in der Sekunde fliegt, also mit 3000facher Schallgeschwindigkeit. Zum Vergleich sei erwähnt, dass das schnellste Fahrzeug, das die Menschheit je geschaffen hat, die Raumsonde Ulysses, 50 km in der Sekunde fliegt. Ein konventionelles Rentier läuft übrigens maximal 30 km/h schnell.

3) Die Nutzlast des Schlittens ist ein weiterer interessanter Aspekt. Nehmen wir an, jedes Kind bekommt mindestens ein Lego-Set von mittlerer Größe (1 kg), dann muss der Schlitten über 500.000 Tonnen tragen (den Weihnachtsmann selbst nicht mit eingerechnet). An Land kann ein normales Rentier maximal 200 kg ziehen. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass die speziellen fliegenden Rentiere das 10fache dieses Gewichts ziehen können, kann das nicht mit 8 oder 9 erledigt werden – der Weihnachtsmann benötigt 360.000 Rentiere. Dadurch steigt das Gesamtgewicht des Schlittens inklusive Geschenke auf etwa 600.000 Tonnen.

4) 600.000 Tonnen, die mit 1000 km/s fliegen, erzeugen einen enormen Luftwiderstand. Dies würde die Rentiere ähnlich erhitzen, wie einen Meteor, der in die Erdatmosphäre eintritt. Die beiden vorderen Rentiere würden jedes eine Energie von 14.300 Trilliarden Joule pro Sekunde, oder 14.300 Trilliarden Watt, absorbieren. Sie würden sofort in Flammen aufgehen und die Rentiere dahinter würden einem Überschallknall ausgesetzt und dann selbst ebenfalls verbrennen. Die gesamte Rentierherde wäre innerhalb 4,26 Tausendstel einer Sekunde verbrannt, also etwa wenn der Weihnachtsmann das fünfte Haus erreicht. Aber das spielt ohnehin keine Rolle, denn wenn der Schlitten des Weihnachtsmanns in 1/1000 Sekunden von 0 auf 1000 km/s beschleunigt, werden alle im Schlitten einer Kraft ausgesetzt, die 17.500 mal stärker ist als die Schwerkraft. Ein Weihnachtsmann mit einem Gewicht von 150 kg (geschätzt nach dem vorhandenen Bildmaterial) würde mit einem Gewicht von ca. 3 Millionen kg an das Ende des Schlittens genietet, was sofort jeden einzelnen Knochen in seinem Körper zerschmettern und ihn mit einem Schlag in einem großen Klecks verwandeln würde.

5) Die Schlussfolgerung ist daher, dass wenn der Weihnachtsmann je existiert hat, er jetzt tot ist.

Aber das glauben wir nicht.
Enibas

Re: Adventskalender

Beitrag von Enibas »


Weihnachtszeit

Seit Jahren hat’s nicht so geschneit!
Das rieselt, rinnt und häuft sich an,
dass man im Lande weit und breit
nicht Weg noch Steg erkennen kann.
Die Stadt sieht wie ein Märchen aus:
hat jedes Häuschen, jedes Haus
ein Mützchen auf aus weißem Schnee,
das blinkt und blitzt im Sonnenschein,
als wär’s von lauter Edelstein.
Und drinnen gibt’s verschloss’ne Türen!
Ein Zimmer, das das ganze Jahr
genau wie andre Zimmer war,
bekommt ein feierlich Gesicht:
Oft ist’s zur Dämmerung, als glitten
verstohl’ne Schritte hin und her,
man sieht ein heimlich huschend Licht,
als ob das Christkind drinnen wär’!
Verschwieg’ne Päckchen kommen an,
die rascheln gar so wunderlich,
wenn kleine Finger daran rühren . . .
Doch Mutter wehrt auf alle Bitten:
"Nicht fragend! `s ist vom Weihnachtsmann!"
Ein unbestimmter Kuchenduft
liegt wunderlich in der Luft!
Die Kinder schnuppern leis herum
und schau’n sich an und lachen stumm
und drücken sich am Schlüsselloch
die Näschen platt . . . .
O sel’ge Zeit,
wenn Liebe sich im stillen müht
und nicht genug zu tun weiß,
wenn mitten unter Schnee und Eis
die Blume des Erbarmens blüht,
wenn jubelnd sich die Glocken schwingen
und jedem, der es hören will,
die süße Weihnachtsbotschaft bringen:
"Das Christkind kommt, seid froh und still!"

Anna Ritter, 1865 - 1921


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lemmy
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Re: Adventskalender

Beitrag von lemmy »

Tolle, wenn auch sehr unterschiedliche Beiträge! Vielen Dank an nanoq und enibas! :D

@nanoq:
Ist ja alles recht und schön, aber ich hab's nicht so mit Mathe und Physik, ich glaube liebe an den Weihnachtsmann. :lol:
Outside of a dog, a book is a man's best friend.
Inside of a dog, it's too dark to read.
Groucho Marx
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Vidya Venn
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Re: Adventskalender

Beitrag von Vidya Venn »

lemmy hat geschrieben:Tolle, wenn auch sehr unterschiedliche Beiträge! Vielen Dank an nanoq und enibas! :D

@nanoq:
Ist ja alles recht und schön, aber ich hab's nicht so mit Mathe und Physik, ich glaube liebe an den Weihnachtsmann. :lol:

ich auch, obwohl, bei uns sinds Nikolaus und Christkind :D
Enibas

Re: Adventskalender

Beitrag von Enibas »

05. Dezember 2010

Nikolaus, komm in unser Haus,
leer deine große Tasche aus,
Stell deinen Schimmel untern Tisch,
daß er Heu und Hafer frißt.
Heu und Hafer frißt er nicht?
Zuckerbrezel kriegt er nicht.

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Tschemmo
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Re: Adventskalender

Beitrag von Tschemmo »

6. Dezember - Nikolaus!

Ida bog mit ihrem Mini recht scharf um die letzte Kurve vor der Tiefgarage des Klinikums. Es hatte leicht gefroren und sie kam mit dem Wagen ins Schleudern, konnte das Fahrzeug nach einer Schrecksekunde aber wieder voll unter ihre Kontrolle bringen. Zwei Autos standen bereits vor der Schranke, sie wartete bis der Golf in der Garage verschwunden war und legte schon den Gang ein, aber der vor ihr stehende Wagen fuhr nicht an.
„Verdammter Mist“ sagte sie zu sich und blickte auf die Uhr. Ihr blieben noch sieben Minuten bis zu ihrem Termin mit Prof. Wagner. „Kommen sie am Mittwochmorgen um 8:00 in mein Büro, dann gebe ich ihnen noch eine letzte Chance, um die Prüfung abzulegen. Aber seien sie pünktlich, ich habe noch andere Dinge zu tun, als mich mit euch verlaustem Studentenpack abzugeben!“ Den letzten Teil seiner Aussage hatte er in einem ironischem Ton zum Besten gegeben, aber Ida hatte schon lange gewusst: in jedem Spaß steckt auch ein gewisser Ernst. Sie fragte sich, ob der Chef der Mikrobiologie wohl vergessen hatte, dass heute der 6. Dezember sein würde - Nikolaus! Der Wagen vor ihr fuhr immer noch nicht an, inzwischen war er in einer Wolke aus Abgasen, die ihn in der kalten Luft einhüllten, nahezu verschwunden. Ida stieg genervt aus und ging an die Fahrertür des alten Opel. Sie konnte nichts genaues erkennen, dann klopfte sie an die Fensterscheibe. Nichts geschah. Sie öffnete die Fahrertür langsam von außen. „Scheiße!“ entfuhr es ihr. Sie fühlte dem Mann auf dem Fahrersitz den Puls an der Halsschlagader, sie meinte nichts mehr zu spüren, als der Mann, der mit dem auf die Brust gesunkenen Kopf auf dem Sitz saß, plötzlich nach Luft schnappte. „Tot ist der noch nicht, aber auch nicht mehr weit davon entfernt!“ Sie überlegte, was jetzt zu tun sei. Sollte sie anfangen ihn zu reanimieren oder gleich das nötige veranlassen, …
„Kann ich ihnen helfen junge Frau?“ hörte sie jemanden neben sich sagen. Sie hatte nicht bemerkt, dass ein älterer Mann mit langem ungepflegtem Bart und abgetragenem Mantel herangetreten war, auf dem Rücken trug er einen Tramper-Rucksack. Sie roch sein Mensch sein allzu deutlich, er trug schwere Boots und hatte eine Zeitung unter dem Arm. Das auffälligste aber war seine leuchtend rote Zipfelmütze mit weißem Bommel daran. Als er gesprochen hatte, hatte sie auch seine Fahne gerochen, er wirkte aber nicht betrunken. Ida sah auf ihre Armbanduhr, die zeigte bereits eine Zeit nach 8:00 an und sie warf dem Mann einen resignierten Blick zu.
„Nein, ich glaube nicht; ich rufe jetzt dien Rettungsdienst und die Polizei“, sagte sie und zog ihr Handy aus der Hosentasche.
„Ihre Uhr ist ja sehr hübsch, genau wie sie, aber sie geht ziemlich verkehrt!“ Der Mann wirkte nicht so als ob er überhaupt eine Uhr besäße. Er zeigte mit der Hand auf die große Uhr am Bankgebäude gegenüber. Dort war 7:53 zu lesen, Ida schluckte. Ihr inzwischen aufgeklapptes Handy zeigte dieselbe Uhrzeit an. Sie konnte es immer noch schaffen.
„Können sie das hier erledigen?! fragte sie unsicher und hielt dem Alten ihr Handy hin.
„Sicher!“ sagte der Mann, griff nach dem Telefon. „Sehen sie nur zu, dass sie ihren Termin noch wahrnehmen, wär Schade um die ganze Arbeit.“ Sie hatte nicht recht verstanden, hörte es aber auch nicht richtig, der Alte lächelte nur. Dann umarmte sie ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie parkte ein paar Meter weiter auf einem Behinderten-Parkplatz Um 7:058 betrat sie das Büro von Prof. Wagner.
Zuletzt geändert von Tschemmo am Di 7. Dez 2010, 17:23, insgesamt 1-mal geändert.
Alt werden ist schön, das Problem ist nur, dass der Körper dabei in die Binsen geht!

(Siri Hustvedt)
nanoq
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Re: Adventskalender

Beitrag von nanoq »

Ah, Enibas hat gestern die Fahne unseres Adventskalenders hochgehalten und Tschemo heute früh. Wie schön!

Ich habe für heute mal eine Geschichte von Bertolt Brecht, die zeigt, wie auch mal eine Kleinigkeit eine wunderbare Wirkung haben kann. Zum Nikolaus wünsche ich uns allen, dass wir in schweren Situationen so ein Paket erhalten, das unser Leben einfach wieder schön werden lässt.


Das Paket des lieben Gottes

Nehmt eure Stühle und eure Teegläser mit hier hinter an den Ofen und vergeßt den Rum nicht. Es ist gut, es warm zu haben, wenn man von der Kälte erzählt.

Manche Leute, vor allem eine gewisse Sorte Männer, die etwas gegen Sentimentalität hat, haben eine starke Aversion gegen Weihnachten. Aber zumindest ein Weihnachten in meinem leben ist bei mir wirklich in bester Erinnerung. Das war der Weihnachtsabend 1908 in Chicago.

Ich war anfangs November nach Chicago gekommen, und man sagte mir sofort, als ich mich nach der allgemeinen Lage erkundigte, es würde der härteste Winter werden, den diese ohnehin genügend unangenehme Stadt zustande bringen könnte. Als ich fragte, wie es mit den Chancen für einen Kesselschmied stünde, sagte man mir, Kesselschmiede hätten keine Chance, und als ich eine halbwegs mögliche Schlafstelle suchte, war alles zu teuer für mich. Und das erfuhren in diesem Winter 1908 viele in Chicago, aus allen Berufen.

Und der Wind wehte scheußlich vom Michigan-See herüber durch den ganzen Dezember, und gegen Ende des Monats schlossen auch noch eine Reihe großer Fleischpackereien ihren Betrieb und waren eine ganze Flut von Arbeitslosen auf die kalten Straßen.

Wir trabten die ganzen Tage durch sämtliche Stadtviertel und suchten verzweifelt nach etwas Arbeit und waren froh, wenn wir am Abend in einem winzigen, mit erschöpften Leuten angefüllten Lokale im Schlachthofviertel unterkommen konnten. Dort hatten wir es wenigstens warm und konnten ruhig sitzen. Und wir saßen, so lange es irgend ging, mit einem Glas Whisky, und wir sparten alles den Tag über auf dieses eine Glas Whisky, in das noch Wärme, Lärm und Kameraden mit einbegriffen waren, all das, was es an Hoffnung für uns noch gab.

Dort saßen wir auch am Weihnachtsabend dieses Jahres, und das Lokal war noch überfüllter als gewöhnlich und der Whisky noch wässeriger und das Publikum noch verzweifelter. Es ist einleuchtend, daß weder das Publikum noch der Wirt in Feststimmung geraten, wenn das ganze Problem der Gäste darin besteht, mit einem Glas eine ganze Nacht auszureichen, und das ganze Problem des Wirtes, diejenigen hinauszubringen, die leere Gläser vor sich stehen hatten.

Aber gegen zehn Uhr kamen zwei, drei Burschen herein, die, der Teufel mochte wissen woher, ein paar Dollars in der Tasche hatten, und die luden, weil es doch eben Weihnachten war und Sentimentalität in der Luft lag, das ganze Publikum ein, ein paar Extragläser zu leeren. fünf Minuten darauf war das ganze Lokal nicht wiederzuerkennen.

Alle holten sich frischen Whisky (und paßten nun ungeheuer genau darauf auf, daß ganz korrekt eingeschenkt wurde), die Tische wurden zusammengerückt, und ein verfroren aussehendes Mädchen wurde gebeten, einen Cakewalk zu tanzen, wobei sämtliche Festteilnehmer mit den Händen den Takt klatschten. Aber was soll ich sagen, der Teufel mochte seine schwarze Hand im Spiel haben, es kam keine reche Stimmung auf.

Ja, geradezu von Anfang an nahm die Veranstaltung einen direkt bösartigen Charakter an. ich denke, es war der zwang, sich beschenken lassen zu müssen, der alle so aufreizte. Die Spender dieser Weihnachtsstimmung wurden nicht mit freundlichen Augen betrachtet. Schon nach den ersten Gläsern des gestifteten Whiskys wurde der Plan gefaßt, eine regelrechte Weihnachtsbescherung, sozusagen ein Unternehmen größeren Stils, vorzunehmen.

Da ein Überfluß an Geschenkartikeln nicht vorhanden war, wollte man sich weniger an direkt wertvolle und mehr an solche Geschenke halten, die für die zu Beschenkenden passend waren und vielleicht sogar einen tieferen Sinn ergaben.

So schenkten wir dem Wirt einen Kübel mit schmutzigem Schneewasser von draußen, wo es davon gerade genug gab, damit er mit seinem alten Whisky noch ins neue Jahr hinein ausreichte. Dem Kellner schenkten wir eine alte, erbrochene Konservenbüchse, damit er wenigstens ein anständiges Servicestück hätte, und einem zum Lokal gehörigen Mädchen ein schartiges Taschenmesser, damit es wenigstens die Schicht Puder vom vergangenen Jahr abkratzen könnte.

Alle diese Geschenke wurden von den Anwesenden, vielleicht nur die Beschenkten ausgenommen, mit herausforderndem Beifall bedacht. Und dann kam der Hauptspaß.
Es war nämlich unter uns ein Mann, der mußte einen schwachen Punkt haben. Er saß jeden Abend da, und Leute, die sich auf dergleichen verstanden, glaubten mit Sicherheit behaupten zu können, daß er, so gleichgültig er sich auch geben mochte, eine gewisse, unüberwindliche Scheu vor allem, was mit der Polizei zusammenhing, haben mußte. Aber jeder Mensch konnte sehen, daß er in keiner guten Haut steckte.

Für diesen Mann dachten wir uns etwas ganz Besonderes aus. Aus einem alten Adreßbuch rissen wir mit Erlaubnis des Wirtes drei Seiten aus, auf denen lauter Polizeiwachen standen, schlugen sie sorgfältig in eine Zeitung und überreichten das Paket unserm Mann.

Es trat eine große Stille ein, als wir es überreichten. Der Mann nahm zögernd das Paket in die Hand und sah uns mit einem etwas kalkigen Lächeln von unten herauf an. Ich merkte, wie er mit den Fingern das Paket anfühlte, um schon vor dem Öffnen festzustellen, was darin sein könnte. Aber dann machte er es rasch auf.

Und nun geschah etwas sehr merkwürdiges. Der Man nestelte eben an der Schnur, mit der das "Geschenk" verschnürt war, als sein Blick, scheinbar abwesend, auf das Zeitungsblatt fiel, in das die interessanten Adreßbuchblätter geschlagen waren. Aber da war sein Blick schon nicht mehr abwesend. Sein ganzer dünner Körper (er war sehr lang) krümmte sich sozusagen um das Zeitungsblatt zusammen, er bückte sein Gesicht tief darauf herunter und las. Niemals, weder vor- noch nachher, habe ich je einen Menschen so lesen sehen. Er verschlang das, was er las, einfach. Und dann schaute er auf. Und wieder hatte ich niemals, weder vor- noch nachher, einen Mann so strahlend schauen sehen wir diesen Mann.

"Da lese ich eben in der Zeitung", sagte er mit einer verrosteten mühsam ruhigen Stimme, die in lächerlichem Gegensatz zu seinem strahlenden Gesicht stand, "daß die ganze Sache einfach schon lang aufgeklärt ist. Jedermann in Ohio weiß, daß ich mit der ganzen Sache nicht das Geringste zu tun hatte." Und dann lachte er.

Und wir alle, die erstaunt dabei standen und etwas ganz anderes erwartet hatten und fast nur begriffen, daß der Mann unter irgendeiner Beschuldigung gestanden und inzwischen, wie er eben aus dem Zeitungsblatt erfahren hatte, rehabilitiert worden war, fingen plötzlich an, aus vollem Halse und fast aus dem Herzen mitzulachen, und dadurch kam ein großer Schwung in unsere Veranstaltung, die gewisse Bitterkeit war überhaupt vergessen, und es wurde ein ausgezeichnetes Weihnachten, das bis zum morgen dauerte und alle befriedigte.

Und bei dieser allgemeinen Befriedigung spielte es natürlich gar keine Rolle mehr, daß dieses Zeitungsblatt nicht wir ausgesucht hatten, sondern Gott.
nanoq
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Re: Adventskalender

Beitrag von nanoq »

7. Dezember

Heute habe ich wieder einen echten Weihnachtsklassiker, diesmal von O. Henry:

Das Geschenk der Weisen

Ein Dollar und siebenundachtzig Cent. Das war alles. Und sechzig Cent davon ja Pennies. Stück für Stück ersparte Pennies, wenn man hin und wieder den Kaufmann, Gemüsemann oder Fleischer beschwatzt hatte, bis einem die Wangen brannten im stillen Vorwurf der Knauserei, die solch ein Herumfeilschen mit sich brachte. Dreimal zählte Della nach. Ein Dollar und siebenundachtzig Cent. Und morgen war Weihnachten. Da blieb einem nichts anderes, als sich auf die schäbige kleine Chaise zu werfen und zu heulen. Das tat Della. Was zu der moralischen Betrachtung reizt, das Leben bestehe aus Schluchzen, Schniefen und Lächeln, vor allem aus Schniefen.

Während die Dame des Hauses allmählich von dem ersten Zustand in den zweiten übergeht, werfen wir einen Blick auf das Heim. Eine möblierte Wohnung für acht Dollar die Woche. Sie war nicht gerade bettelhaft zu nennen; höchstens für jene Polizisten, die speziell auf Bettler gehetzt wurden. Unten im Hausflur war ein Briefkasten, in den nie ein Brief fiel, und ein Klingelknopf, dem keines Sterblichen Finger je ein Klingelzeichen entlocken konnte. Dazu gehörte auch eine Karte, die den Namen "Mr. James Dillingham jr." trug. Das "Dillingham" war in einer früheren Zeit der Wohlhabenheit, als der Eigentümer dreißig Dollar die Woche verdiente, hingepfeffert worden. Jetzt, da das Einkommen auf zwanzig Dollar zusammengeschrumpft war, wirkten die Buchstaben des "Dillingham" verschwommen, als trügen sie sich allen Ernstes mit dem Gedanken, sich zu einem bescheidenen und anspruchslosen D zusammenzuziehen. Aber wenn Mr. James Dillingham jr. nach Hause und oben in seine Wohnung kam, wurde er "Jim" gerufen und von Mrs. James Dillingham jr., die bereits als Della vorgestellt wurde, herzlich umarmt. Was alles sehr schön ist.

Della hörte auf zu weinen und fuhr mit der Puderquaste über ihre Wangen. Sie stand am Fenster und blickte trübselig hinaus auf eine graue Katze, die auf einem grauen Zaun in einem grauen Hinterhof spazierte. Morgen war Weihnachten, und sie hatte nur einen Dollar siebenundachtzig, um für Jim ein Geschenk zu kaufen. Monatelang hatte sie jeden Penny gespart, wo sie nur konnte, und dies war das Resultat. Zwanzig Dollar die Woche reichte nicht weit. Die Ausgaben waren größer gewesen, als sie gerechnet hatte. Das ist immer so. Nur einen Dollar siebenundachtzig, um für Jim ein Geschenk zu kaufen. Für ihren Jim. So manche glückliche Stunde hatte sie damit verbracht, sich etwas Hübsches für ihn auszudenken. Etwas Schönes, Seltenes, Gediegenes - etwas, was annähernd der Ehre würdig war, Jim zu gehören. Zwischen den Fenstern stand ein Trumeau. Vielleicht haben Sie schon einmal einen Trumeau in einer möblierten Wohnung zu acht Dollar gesehen. Ein sehr dünner und beweglicher Mensch kann, indem er sein Spiegelbild in einer raschen Folge von Längsstreifen betrachtet, eine ziemlich genaue Vorstellung von seinem Aussehen erhalten. Della war eine schlanke Person und beherrschte diese Kunst.

Plötzlich wirbelte sie von dem Fenster fort und stand vor dem Spiegel. Ihre Augen glänzten und funkelten, aber ihr Gesicht hatte in zwanzig Sekunden die Farbe verloren. Flink löste sie ihr Haar und ließ es in voller Länge herabfallen. Zwei Dinge besaßen die James Dillinghams jr., auf die sie beide unheimlich stolz waren. Das eine war Jims goldene Uhr, die seinem Vater und davor seinem Großvater gehört hatte. Das andere war Dellas Haar. Hätte die Königin von Saba in der Wohnung jenseits des Luftschachts gelebt, dann hätte Della eines Tages ihr Haar zum Trocknen aus dem Fenster gehängt, um Ihrer Majestät Juwelen und Vorzüge im Wert herabzusetzen. Wäre König Salomo der Portier gewesen und hätte all seine Schätze im Erdgeschoss aufgehäuft, Jim hätte jedes mal seine Uhr gezückt, wenn er vorbeigegangen wäre, bloß um zu sehen, wie sich der andere vor Neid den Bart raufte. Jetzt floss also Dellas Haar wellig und glänzend an ihr herab wie ein brauner Wasserfall. Es reichte bis unter die Kniekehlen und umhüllte sie wie ein Gewand. Nervös und hastig steckte sie es wieder auf. Einen Augenblick taumelte sie und stand ganz still, während ein paar Tränen auf den abgetretenen Teppich fielen.

Die alte braune Jacke angezogen, den alten braunen Hut aufgesetzt, und mit wehenden Röcken und immer noch das helle Funkeln in den Augen, schoss sie zur Tür hinaus und lief die Treppe hinab auf die Straße. Wo sie stehen blieb, lautete das Firmenschild Mme. Sofronie. Alle Sorten Haarersatz. Della rannte die Treppe hinauf und versuchte atemschöpfend, sich zu sammeln.

Madame, groß, zu weiß und frostig, sah kaum nach "Sofronie" aus.

"Wollen Sie mein Haar kaufen?" fragte Della.

"Ich kaufe Haar", sagte Madame. "Nehmen Sie den Hut ab, damit wir es einmal ansehen können."

Der braune Wasserfall stürzte in Wellen herab.

"Zwanzig Dollar", sagte Madame, mit kundiger Hand die Masse anhebend.

"Geben Sie nur schnell her", sagte Della.

Oh, und die nächsten beiden Stunden trippelten auf rosigen Schwingen. Nehmen Sie es nicht so genau mit der zerhackten Metapher. Sie durchwühlte die Läden nach dem Geschenk für Jim. Schließlich fand sie es. Bestimmt war es für Jim und für niemand sonst gemacht. Keins gab es in den Läden, das diesem glich, und sie hatte in allen das Oberste zuunterst gekehrt. Es war eine Uhrkette aus Platin, einfach und edel im Dessin, die ihren Wert auf angemessene Weise durch das Material und nicht durch eine auf den Schein berechnete Verzierung offenbarte - wie es bei allen guten Dingen sein sollte. Sie war sogar der Uhr würdig. Kaum hatte sie die Kette erblickt, als sie auch schon wusste, dass sie Jim gehören müsse. Sie war wie er. Überlegene Ruhe und Wert - das passte auf beide. Einundzwanzig Dollar nahm man ihr dafür ab, und mit den siebenundachtzig Cent eilte sie nach Hause. Mit dieser Kette an der Uhr konnte Jim wirklich in jeder Gesellschaft um die Zeit besorgt sein. So großartig die Uhr war, manchmal blickte er wegen des alten Lederriemchens, das er an Stelle einer Kette benutzte, nur verstohlen nach ihr.

Als Della zu Hause angelangt war, wich ihr Rausch ein wenig der Vorsicht und der Vernunft. Sie holte ihre Brennschere heraus, zündete das Gas an und machte sich ans Werk, die Verheerungen auszubessern, die von Freigebigkeit in Verein mit Liebe angerichtet worden waren. Was stets eine gewaltige Aufgabe ist, liebe Freunde - eine Mammutaufgabe. Nach vierzig Minuten war ihr Kopf dicht mit kleinen Löckchen bedeckt, mit denen sie wundervoll aussah, wie ein schwänzender Schuljunge. Lange, sorgfältig und kritisch betrachtete sie ihr Spiegelbild.

"Wenn mich Jim nicht umbringt, bevor er mich ein zweites Mal ansieht, wird er sagen, ich sehe aus wie ein Chormädel von Coney Island", meinte sie bei sich. "Aber was - oh, was hätte ich denn mit einem Dollar siebenundachtzig anfangen sollen?"

Um sieben war der Kaffee gekocht, und die Bratpfanne stand hinten auf der Kochmaschine, heiß und bereit, die Kotelette zu braten.

Jim verspätete sich nie. Della ließ die Uhrkette in ihrer Hand verschwinden und setzte sich auf die Tischkante nahe der Tür, durch die er immer eintrat. Dann hörte sie seinen Schritt auf der Treppe, unten, auf den ersten Stufen, und wurde einen Augenblick blass. Sie hatte sich angewöhnt, wegen der einfachsten Alltäglichkeit stille kleine Gebete zu murmeln, und jetzt flüsterte sie "Bitte, lieber Gott, mach, dass er mich noch hübsch findet."

Die Tür öffnete sich, Jim trat ein und schloss sie. Er sah mager und sehr feierlich aus. Armer Junge, er war erst zweiundzwanzig - und schon mit Familie belastet! Er brauchte einen neuen Mantel und hatte auch keine Handschuhe. Jim blieb an der Tür stehen, reglos wie ein Vorstehhund, der eine Wachtel ausgemacht hat Seine Augen waren auf Della geheftet, und ein Ausdruck lag in ihnen, den sie nicht zu deuten vermochte und der sie erschreckte. Es war weder Ärger noch Verwunderung, weder Missbilligung noch Abneigung, noch überhaupt eins der Gefühle, auf die sie sich gefasst gemacht hatte. Er starrte sie nur unverwandt an mit diesem eigentümlichen Gesichtsausdruck.

Della rutschte langsam vom Tisch und ging zu ihm.

"Jim, Liebster", rief sie, "sieh mich nicht so an. Ich hab' mein Haar abschneiden lassen und verkauft, weil ich Weihnachten ohne ein Geschenk für dich nicht überlebt hätte. Es wird wieder wachsen - du nimmst es nicht tragisch, nicht wahr? Ich musste es einfach tun. Mein Haar wächst unheimlich schnell. Sag mir fröhliche Weihnachten, Jim, und lass uns glücklich sein. Du ahnst nicht, was für ein hübsches, was für ein schönes, wunderschönes Geschenk ich für dich bekommen habe."

"Du hast dein Haar abgeschnitten?" fragte Jim mühsam, als könne er selbst nach schwerster geistiger Arbeit nicht an den Punkt gelangen, diese offenkundige Tatsache zu begreifen.

"Abgeschnitten und verkauft", sagte Della. "Hast du mich jetzt nicht noch ebenso lieb? Ich bin auch ohne mein Haar noch dieselbe, nicht wahr?"

Jim blickte neugierig im Zimmer umher.

"Du sagst, dein Haar ist weg?" bemerkte er mit nahezu idiotischem Gesichtsausdruck.

"Du brauchst nicht danach zu suchen", sagte Della. "Ich sag' dir doch, es ist verkauft - verkauft und weg. Heute ist Heiligabend, Jungchen. Sei nett zu mir, denn es ist ja für dich weg. Vielleicht waren die Haare auf meinem Kopf gezählt", fuhr sie mit einer jähen, feierlichen Zärtlichkeit fort, "aber nie könnte jemand meine Liebe zu dir zählen. Soll ich die Kotelette aufsetzen, Jim?"

Jim schien im Nu aus seiner Starrheit zu erwachen. Er umarmte seine Della. Wir wollen inzwischen mit diskreten Forscherblicken zehn Sekunden lang eine an sich unwichtige Sache in anderer Richtung betrachten. Acht Dollar die Woche oder eine Million im Jahr - was ist der Unterschied? Ein Mathematiker oder ein Witzbold würden uns eine falsche Antwort geben. Die Weisen brachten wertvolle Geschenke, aber dies war nicht darunter. Diese dunkle Behauptung soll später erläutert werden. Jim zog ein Päckchen aus der Manteltasche und warf es auf den Tisch.

"Täusch dich nicht über mich, Dell", sagte er. "Du darfst nicht glauben, dass es etwas wie Haare schneiden oder stutzen oder waschen mich dahin bringen könnte, mein Mädchen weniger lieb zu haben. Aber wenn du das Päckchen auspackst, wirst du sehen, warum du mich zuerst eine Weile aus der Fassung gebracht hast."

Weiße Finger rissen hurtig an der Strippe und am Papier. Und dann ein verzückter Freudenschrei, und dann - ach! - ein schnelles weibliches Hinüberwechseln zu hysterischen Tränen und Klagen, die dem Herrn des Hauses den umgehenden Einsatz aller Trostmöglichkeiten abforderten.

Denn da lagen die Kämme - die Garnitur Kämme, die Della seit langem in einem Broadway-Schaufenster angeschmachtet hatte. Wunderschöne Kämme, echt Schildpatt mit Juwelen verzierten Rändern - gerade in der Schattierung, die zu dem schönen, verschwundenen Haar gepasst hätte. Es waren teure Kämme, das wusste sie, und ihr Herz hatte nach ihnen gebettelt und gebarmt, ohne die leiseste Hoffnung, sie je zu besitzen. Und nun waren sie ihr eigen; aber die Flechten, die der ersehnte Schmuck hätte zieren sollen, waren fort. Doch sie presste sie zärtlich an die Brust und war schließlich so weit, dass sie mit schwimmenden Augen und einem Lächeln aufblicken und sagen konnte:

"Mein Haar wächst so schnell, Jim!"

Und dann sprang Della auf wie ein gebranntes Kätzchen und rief: "Oh, oh!"

Jim hatte ja noch nicht sein schönes Geschenk gesehen. Ungestüm hielt sie es ihm auf der geöffneten Hand entgegen. Das leblose, kostbare Metall schien im Abglanz ihres strahlenden, brennenden Eifers zu blitzen.

"Ist die nicht toll, Jim? Die ganze Stadt hab' ich danach abgejagt. Jetzt musst du hundertmal am Tag nachsehen, wie spät es ist. Gib mir die Uhr. Ich möchte sehen, wie sich die Kette dazu macht."

Statt zu gehorchen, ließ er sich auf die Chaiselongue fallen, legte die Hände im Nacken zusammen und lächelte.

"Dell", sagte er, "wir wollen unsere Weihnachtsgeschenke beiseite legen und eine Weile aufheben. Sie sind zu hübsch, um sie jetzt schon in Gebrauch zu nehmen. Ich habe die Uhr verkauft, um das Geld für die Kämme zu haben. Wie wäre es, wenn du die Kotelette braten würdest?"

Die Weisen waren, wie ihr wisst, weise Männer - wunderbar weise Männer -, die dem Kind in der Krippe Geschenke brachten. Sie haben die Kunst erfunden, Weihnachtsgeschenke zu machen. Da sie weise waren, waren natürlich auch ihre Geschenke weise und hatten vielleicht den Vorzug, umgetauscht werden zu können, falls es Dubletten gab. Und hier habe ich euch nun schlecht und recht die ereignislose Geschichte von zwei törichten Kindern in einer möblierten Wohnung erzählt, die höchst unweise die größten Schätze ihres Hauses füreinander opferten. Doch mit einem letzten Wort sei den heutigen Weisen gesagt, dass diese beiden die weisesten aller Schenkenden waren. Von allen, die Geschenke geben und empfangen, sind sie die weisesten. Überall sind sie die weisesten. Sie sind die wahren Weisen.
Enibas

Re: Adventskalender

Beitrag von Enibas »

08. Dezember 2010

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

Vorfreude auf Weihnachten

Ein Kind - von einem Schiefertafel-Schwämmchen
Umhüpft - rennt froh durch mein Gemüt.

Bald ist es Weihnacht! - Wenn der Christbaum blüht,
Dann blüht er Flämmchen.
Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt
Uns mild. - Es werden Lieder, Düfte fächeln. –
Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt,
Wird dann doch gütig lächeln.

Wenn wir im Traume eines ewigen Traumes
Alle unfeindlich sind - einmal im Jahr! -
Uns alle Kinder fühlen eines Baumes.

Wie es sein soll, wie’s allen einmal war.

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nanoq
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Re: Adventskalender

Beitrag von nanoq »

9. Dezember 2010

Heute gibt's von mir auch nur ein kleines Weihnachtsgedicht, dann bin ich auch schon wieder weg.

Es ist von Joseph von Eichendorff


Weihnachten

Markt und Straßen stehn verlassen,
still erleuchtet jedes Haus.
Sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug fromm geschmückt.
Tausend Kindlein stehn und schauen,
sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
bis hinaus ins freie Feld.
Hehres Glänzen, heilges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
aus des Schnees Einsamkeit
steigts wie wunderbares Singen -
O du gnadenreiche Zeit!
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Vidya Venn
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Re: Adventskalender

Beitrag von Vidya Venn »

Haaach nanoq, da werden Erinnerungen wach
nanoq
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Re: Adventskalender

Beitrag von nanoq »

Vidya Venn hat geschrieben:Haaach nanoq, da werden Erinnerungen wach
Ich hoffe es sind schöne Erinnerungen. Ich mag dies Gedicht von Eichendorff recht gern.
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