Zitate aus unserer Lektüre

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Kibabu
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Kibabu »

Aber ich akzeptiere keine kollektive Verantwortung, ich fühle mich nicht verpflichtet, ein Ereignis zu bereuen, das sich ein halbes Jahrhundert vor meiner Geburt zugetragen hat.


Das Erbe der Elfen - Andrzej Sapkowski
Vor uns: 5 Monate Dunkelzeit
nanoq
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von nanoq »

Jean Renoir zitiert in seinem Buch Mein Vater Auguste Renoir seinen Vater folgendermaßen:

"Wenn ich mir vorstelle, ich wäre bei Intellektuellen geboren! Jahre hätte ich gebraucht, ehe ich die Vorurteile losgeworden wäre und die Dinge gesehen hätte, wie sie sind."

So sehe ich das auch...
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Vidya Venn
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Vidya Venn »

statt intellektuell kannste auch gut bürgerlich-katholisch aufwachsen. Jippieh, da kommt nicht nur Freude auf, nein da jubelt nicht nur die Psychotherapie, da sind so viele Vorurteile abzubauen bzw Vorverurteilungen, Standesdünkel, Leistungsdruck, Daseinsberechtigungsscheine wollen erworben und täglich verlängert werden... Ich weiß, wovon ich rede :mrgreen:
nanoq
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von nanoq »

"Die Bücher da sind mein Familienleben, reden mit mir und sind mit mir still."

aus: Polterabend von Alfred Komarek
(ein österreichischer Krimi)
nanoq
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von nanoq »

"Zum Glück habe ich es mir im Laufe der Jahre angewöhnt, nirgendwo hinzugehen, ohne etwas zu lesen mitzunehmen, um stets für den Fall gewappnet zu sein, dass jemand zu spät kommt, dass das Meeting früher zu Ende ist oder dass ich versehentlich für fünfunddreißig Jahre eingesperrt und in Einzelhaft gesteckt werde. Ehrlich gesagt, beunruhigen mich diese Leute, die auf langen Bahnfahrten nichts lesen und einfach mit leerem Blick in unbestimmte Fernen schauen. Was zum Teufel geht in deren Köpfen vor? Möglicherweise verfügen sie über ein ausgezeichnetes Gedächtnis und erinnern sich gerade an ein besonders gutes Buch, das sie mal gelesen haben, was es ihnen erspart, eines mit sich herumzuschleppen. Denn ganz ungefährlich ist es nicht, ein Buch bei sich zu haben: Man könnte es schließlich irgendwo vergessen, bevor man es durchgelesen hat. Ich habe zum Beispiel auf Costa Rica Get Shorty hinten im Jeep eines betrunkenen Bauern vergessen, als ich den Roman erst zu zwei Dritteln gelesen hatte. Dadurch wurde mir die Reise völlig verdorben. Der Regenwald ist ohne Elmore Leonard viel langweiliger. Und Die Asche meiner Mutter habe ich gleich zweimal verloren. Wird der arme Junge jemals erwachsen? Überreden sie seinen Dad zu einer Entziehungskur?"


aus: Pete McCarthy, McCarthy’s Bar – Mein ganz persönliches Irland

(Es handelt sich dabei um einen Reisebericht eines Engländers mir irischer Mutter, dessen eine Reiseregel besagt "Gehe nie an einem Pub vorbei, der deinen Namen trägt". In Irland hat er gar nicht so selten die Gelegenheit, diese Regel zu befolgen, wobei man sagen muss, dass er nicht nur Pubs dieses Namens aufsucht.)
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Kibabu
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Kibabu »

Oh, das ist gut! Ich halte es übrigens ganz ähnlich. :)
Vor uns: 5 Monate Dunkelzeit
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Buchecker
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Buchecker »

Wenn ich immer dort, wo mein Nachname draufsteht, einkehren würde, wäre ich mittlerweile entweder berühmt, im Knast oder in der Klappse.
Ein Ort aus Wahn und Schall
Genannt Schloss Schattenhall
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PaulPic
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von PaulPic »

Ein Experiment (Quelle unbekannt - erhalten von Mitarbeitern der Daimler Benz AG):
  1. Stecken Sie 5 Affen in einen Käfig. Hängen Sie eine Banane an einem Seil unter die Decke und stellen Sie eine Trittleiter darunter.
  2. Sobald der erste Affe auf die Trittleiter klettert, um die Banane zu greifen, bespritzen Sie alle 5 Affen mit eiskaltem Wasser. Wiederholen Sie diese Prozedur bei jedem Versuch eines Affen, die Banane zu ergreifen. Schon bald wird jeder Versuch eines Affen, die Banane zu greifen, von den anderen Affen vehement verhindert.
  3. Stellen Sie das kalte Wasser ab, und benutzen Sie es nie wieder. Ersetzen Sie einen der 5 ursprünglichen Affen durch einen neuen Affen. Der Neuankömmling wird von den anderen Affen heftig angegriffen, sobald er versucht, die Trittleiter zu erklimmen. Nach weiteren Versuchen lernt er, daß man bei jedem Versuch angegriffen wird.
  4. Wiederholen Sie den 3. Schritt und ersetzen Sie einen weiteren Affen. Der erste neue Affe aus Schritt 3 wird den zweiten Neuankömmling ebenfalls mit großem Enthusiasmus angreifen –
    obwohl er nicht weiß, welchen Sinn das hat.
  5. Ersetzen sie schrittweise die restlichen ursprünglichen Affen durch neue Affen. Achtung: Niemals zwei neue Affen gleichzeitig in den Käfig setzen! Das könnte das Experiment scheitern lassen!
  6. Nachdem alle ursprünglichen Affen, die die Erfahrung mit eiskaltem Wasser machten, ersetzt wurden, sitzen nun ausschließlich Affen im Käfig, die Verhaltensweisen angenommen haben, deren Gründe sie weder kennen noch verstehen. Sie verhalten sich von nun an gemäß einer Tradition, obwohl die Gründe dafür längst nicht mehr existieren.
aus: Jörg Gastmann: Die Geldlawine, Leseprobe: Verhinderer
Paul
Moranda
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Moranda »

Aus dem Buch Kühl graut der Morgen von Kristin Marja Baldursdottir

Es geht um eine Lehrerin, die alte Wörterbücher sammelt und gerade ein Exemplar Französisch/Französisch mit bunten Illustrationen erstanden hat.

Achthundert Gramm. Umschlagdeckel weg, Erscheinungsjahr in alle Ewigkeit ein ungelöstes Rätsel. Unglaublich, wie rücksichtslos Leute mit einem Wörterbuch umgehen können. Ein Wörterbuch, in dem man bis zum Ende seiner Tage nachschlagen kann, kein Vergleich zu den Einwegromanen, die im Regal Staubmilben zum Opfer fallen. Was für eine verkrachte Existenz hat dieses Buch besessen? Ein isländischer Schlunz, der mit seinen Sachen nicht gut umgeht, seine Bücher zerfleddert, seine Schuhe nicht putzt, sich bekleckert und sich den Mund am Ärmel abwischt.
nanoq
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von nanoq »

Ich habe gerade die Erinnerungen von Ida Ehre gelesen:
Gott hat einen größeren Kopf, mein Kind...

Der Titel ist ein Zitat von ihrer Mutter (die meinte, man solle sich nicht so viele Gedanken bzw. Sorgen machen, denn Gott hat eben den größeren Kopf). Und in diesem Buch hat mich immer wieder sehr berührt, was Ida Ehre von ihrer Mutter erzählt, die muss wahrlich ein unglaublicher Mensch gewesen sein.

Die Mutter von Ida Ehre wurde während des zweiten Weltkriegs von der Gestapo abgeholt (die Familie war jüdisch) und nach Theresienstadt gebracht, wo sie dann auch umgekommen ist. Unmittelbar bevor sie dorthin abtransportiert wurde, konnte sie ihrer Tochter noch einen Zettel zukommen lassen, auf dem stand:

"Mein geliebtes Kind, die Welt kann nur miteinander leben, wenn das Wort Liebe groß geschrieben ist. Liebe und Toleranz – nicht hassen, nur lieben."



Unglaublich, oder? Ich jedenfalls wäre ganz sicher nicht in der Lage, in so einer Situation keinen Hass zu empfinden.
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Kibabu
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Kibabu »

"Frauen tanzten nackt, um unerwünschte Drachengeister zu vertreiben."

aus Das alte China von Edward H. Schafer

Nun ja, mit meinen Tanzkünsten könnte ich auch dies oder das vertreiben, auch bekleidet...
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Kibabu
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Kibabu »

und aus demselben Buch:

"Zwei von den alten Chinesen erfundene Formen der Therapie - Akupunktur u. Moxibusion - breiteten sich schließlich über ganz Asien aus und waren auch im Westen zeitweise in Mode. Bei der Akupunktur behandelte man Krankheiten oder Schmerzen, indem man den Körper des Patienten an den Stellen mit Nadeln stach, von denen man glaubte, sie stünden mit jenen inneren Organen, die die Beschwerden verursachten, in Verbindung... Beide beruhten auf primitiven Vorstellungen von Anatomie und Physiologie."

Tja, das hat man davon, wenn man ältere Publikationen liest... :roll:
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PaulPic
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von PaulPic »

Denn Politik ist gestern und heute mehr denn je das, als was die Kyniker der zerfallenden griechischen Stadtgemeinschaften sie erlebten: ein bedrohliches Zwangsverhältnis von Menschen zueinander, eine Sphäre bedenklicher Karrieren und fragwürdiger Ambitionen, ein Mechanismus der Entfremdung, die Ebene des Krieges und des sozialen Unrechts - kurzum jene Hölle, die die Existenz gewaltfähiger Anderer über uns verhängt.

Peter Sloterdijk, Kritik der zynischen Vernunft, 1983, Seite 213
Paul
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PaulPic
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von PaulPic »

Zur großen Zeit der bürgerlichen Künste wirkte in ihnen ein ungeheurer Hunger nach Negativität - nicht zuletzt deswegen, weil in dieser das Geheimnis des Lebendigen pulsiert. Immer wieder haben befreiende Negativismen den Hang zur harmonischen Stilisierung durchbrochen. Gegen das Harmonieverlangen stand stets erneut ein sinnlicher Realismus auf. Er trägt die philosophische Bedeutsamkeit bürgerlicher Kunst; er macht sie zum Vehikel der Großen Dialektik. Die Höhe ist schal, die sich nicht vor großen Tiefen profiliert; das Erhabene wird zum Krampf, dem das Lächerliche nicht wieder auf den Boden hilft. Die philosophisch bedeutenden bürgerlichen Kunststile - von wenigen klassizistisch-harmonischen und ästhetisch »kalten« Tendenzen abgesehen - sind Negationsstile, Universalismen, Realismen, Naturalismen, Expressionismen, Nackt-, Schrei- und Enthüllungsstile. Der sinnliche Verismus der Künste bot der »ganzen Wahrheit« eine Zuflucht. Sie blieben eine Sphäre, wo man prinzipiell beides wissen durfte - wie Pascal von der Erkenntnis der »condition humaine« gefordert hatte, das sie beides weiß, Großes und Kleines, Englisches und Teuflisches, Hohes und Niedriges. Die große Kunst suchte ein Ganzes aus Extremen, keine spannungslose Mitte.

Peter Sloterdijk: Kritik der zynischen Vernunft, 1983, Seite 217
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PaulPic
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von PaulPic »

Es lassen sich zwei spekulative Regeln der sozialen Kunst-Ökologie umschreiben: Das Echte, Lebendige, was als »Original« existiert, wird durch Seltenheit eingegrenzt; die Impulse, die diese Originale (Werke und individuellen) in die Masse aussenden, werden durch Fiktionalisierung eingegrenzt. Das Echte bleibt selten; Nachahmungen sowie bloße »Interessantheiten« sind ohnehin ungefährlich und werden zur Vermassung freigegeben.

Die Kunst schreit nach Leben, sobald der kynische Impuls in ihr wirksam ist. Überall, wo ästhetische Techniken im Spiel sind, in der Presse wie in den Funkmedien, in der Reklame wie in der Warenästhetik, wird dieser Ruf in seiner fiktionale eingegrenzten Form in die Massen gebracht. Hier erscheint die Kunst noch als das Gefällige, hier gibt es noch das Schöne zu billigen Preisen. Hingegen hat sich seit mehr als 100 Jahren die »hohe Kunst« ins Schwierige, Artistische und Schmerzliche zurückgezogen - in verfeinerte Häßlichkeit, raffinierte Brutalitäten und kalkulierte Unverständlichkeit; ins tragische Komplexe und verstörend Beliebige.

Die ästhetische Moderne liefert eine Kunst vergifteter Pralinen. Man kann sie, vielleicht, in erregt kalter Kennerschaft betrachten, aber nicht zu sich nehmen, ohne Verstimmungen zu riskieren. Es wird in den modernen Künsten so viel frische Negativität ausgespieen, daß der Gedanke an »Kunstgenuß« verfliegt. Nur im Snobismus, bei der Elite der Kenner und bei den Fetischisten, blüht die Lust an der Ungenießbarkeit, die in die Dandybewegungen des 19. Jahrhunderts zurückreicht und die heute in den Selbststilisierungen jugendlicher Cliquen auf schick und scheußlich wieder auftaucht.

Peter Sloterdijk: Kritik der zynischen Vernunft, 1983, Seite 218,219
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