Zitate aus unserer Lektüre

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Tschemmo
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Tschemmo »

Nach den interessanten, längeren Ausschnitten hier mal eine ziemlich kurze Binsenweisheit:
Siri Hustvedt hat geschrieben: "Alt werden ist schön, das Problem ist, dass der Körper dabei in die Binsen geht."
aus:
Der Sommer ohne Männer
Alt werden ist schön, das Problem ist nur, dass der Körper dabei in die Binsen geht!

(Siri Hustvedt)
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PaulPic
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von PaulPic »

3. Mund, bitter, knapp

Die Lebenserfahrung der Opfer zeigt sich in ihre Bitterkeit. Auf ihren Lippen bildet sich ein bitteres Schweigen. Ihnen wird niemand mehr etwas vormachen. Sie wissen, wie die Dinge gehen. Wer betont enttäuscht ist, gewinnt vielleicht sogar einen kleinen Vorsprung vor dem Schicksal, einen Spielraum für Selbstbehauptung und Stolz. Die Lippen, die sich vor Härte zusammengepresst und zu dünnen Strichen verengt haben, verraten die welterfahrene Seite bei den Betrogenen. Schon manche Kinder, denen das Leben übel mitgespielt hat, haben diese bitter knappen Münder, denen man so schwer noch irgendeine Zustimmung zu etwas Guten ablisten kann. Das Mißtrauen ist die Intelligenz der Benachteiligten. Doch leicht wird der Mißtrauische abermals zum Dummen, wenn seine Bitterkeit ihn auch an dem vorübergehen läßt, was nach all dem Schmerzlichen gut täte. Glück wird immer aussehen wie Betrug und wird viel zu billig scheinen, als daß es der Mühe lohnte, nach ihm zugreifen. An vergangene Erfahrung gebunden, wissen die zynisch bitteren Lippen nur das eine: daß letztlich doch alles Täuschung ist und daß niemand mehr sie dahin bringen wird, weich zu werden und, das Rote nach außen kehrend, irgendeiner Versuchung des Weltschwindels sich hinzugeben.

Peter Sloterdijk: Kritik der zynischen Vernunft, 1983, Seite 274-275
Paul
nanoq
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von nanoq »

Ein Zitat aus der Autobiografie von Carola Stern, Doppelleben

Sie berichtet von einem gemeinsamen Spaziergang mit ihrem Mann und einer alten Freundin etwa ein Jahr vor dem Tod ihres Mannes und dem Gespräch das die beiden dabei geführt haben:

"Was würdest denn du bedauern, wenn das Leben plötzlich zu Ende wäre?" Ohne zu überlegen antwortete er: "Dass die Welt voller Bücher ist – und wie wenige hat man lesen können! Für wie viele hat die Zeit nicht ausgereicht!"
Nightwalker2
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Nightwalker2 »

Es waren immer dieselben Sünden, die er seit Jahrzehnten zu hören bekam. Mit ruhiger Stimme sprach er Absolution, gab dem Beichtenden zehn Ave Maria als Buße auf und hörte die Tür sich schließen und wieder öffnen.
Aus dem Krimi "Perfektion" aus diesem Wettbewerb http://www.triboox.de/community/wettbewerb/
nanoq
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von nanoq »

Aus gegebenem Anlass:

Feierabend

Bürgerliches Wohnzimmer, Der Hausherr sitzt im Sessel, hat das Jackett ausgezogen, trägt Hausschuhe und döst vor sich hin. Hinter ihm ist die Tür zur Küche einen Spalt breit geöffnet. Dort geht die Hausfrau emsiger Hausarbeit nach. Ihre Absätze verursachen ein lebhaftes Geräusch auf dem Fliesenboden.

SIE Hermann ...

ER Ja ...

SIE Was machst du da?

ER Nichts ...

SIE Nichts? Wieso nichts?

ER Ich mache nichts ...

SIE Gar nichts?

ER Nein

(Pause)

SIE Überhaupt nichts?

ER Nein ... ich sitze hier ...

SIE Du sitzt da?

ER Ja ...

SIE Aber irgendwas machst du doch?

ER Nein ...

(Pause)

SIE Denkst du irgendwas?

ER Nichts Besonderes ...

SIE Es könnte ja nicht schaden, wenn du mal etwas spazierengingest ...

ER Nein-nein ...

SIE Ich bringe dir deinen Mantel ...

ER Nein danke ...

SIE Aber es ist zu kalt ohne Mantel ...

ER Ich gehe ja nicht spazieren ...

SIE Aber eben wolltest du doch noch ...

ER Nein, du wolltest, daß ich spazierengehe ...

SIE Ich? Mir ist es doch völlig egal, ob du spazierengehst ...

ER Gut ...

SIE Ich meine nur, es könnte dir nicht schaden, wenn du mal Spazierengehen würdest ...

ER Nein, schaden könnte es nicht ...

SIE Also was willst du denn nun?

ER Ich möchte hier sitzen ...

SIE Du kannst einen ja wahnsinnig machen!

ER Ach ...

SIE Erst willst du Spazierengehen ... dann wieder nicht ... dann soll ich deinen Mantel holen ... dann wieder nicht ... was denn nun?

ER Ich möchte hier sitzen ...

SIE Und jetzt möchtest du plötzlich da sitzen ...

ER Gar nicht plötzlich ... ich wollte immer nur hier sitzen ... und mich entspannen ...

SIE Wenn du dich wirklich entspannen wolltest, würdest du nicht dauernd auf mich einreden ...

ER Ich sag ja nichts mehr ...

(Pause)

SIE Jetzt hättest du doch mal Zeit, irgendwas zu tun, was dir Spaß macht ...

ER Ja ...

SIE Liest du was?

ER Im Moment nicht ...

SIE Dann lies doch mal was ...

ER Nachher, nachher vielleicht ...

SIE Hol dir doch die Illustrierten ...

ER Ich möchte erst noch etwas hier sitzen ...

SIE Soll ich sie dir holen?

ER Nein-nein, vielen Dank ...

SIE Will der Herr sich auch noch bedienen lassen, was?

ER Nein, wirklich nicht ...

SIE Ich renne den ganzen Tag hin und her ... Du könntest doch wohl einmal aufstehen und dir die Illustrierten holen ...

ER Ich möchte jetzt nicht lesen ...

SIE Dann quengle doch nicht so rum ...

ER (schweigt)

SIE Hermann!

ER (schweigt)

SIE Bist du taub?

ER Nein-nein ...

SIE Du tust eben nicht, was dir Spaß macht ... statt dessen sitzt du da!

ER Ich sitze hier, weil es mir Spaß macht ...

SIE Sei doch nicht gleich so aggressiv!

ER Ich bin doch nicht aggressiv ...

SIE Warum schreist du mich dann so an?

ER (schreit) ... Ich schreie dich nicht an!!



(Aus Loriots Szenen einer Ehe)
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Kibabu
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Kibabu »

Wie Leute heiraten?
Gute Beobacher behaupten, dass es keine zweite Sache gibt, geeigneter den menschlichen Leichtsinn in einem schaudererregenderem Maße zum Durchbruch kommen zu lassen, als eben in der Veranstaltung ehelicher Verbindungen. Man sagt, dass sogar die klügsten Menschen mehr Sorgfalt auf den Kauf von Stiefeln verwenden, als bei der Wahl ihrer Lebensgefährten.

Aus "Pawlin" von Nikolai Lesskow
Vor uns: 5 Monate Dunkelzeit
KenFolletRockt
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von KenFolletRockt »

nanoq hat geschrieben:Aus gegebenem Anlass:

Feierabend

Bürgerliches Wohnzimmer, Der Hausherr sitzt im Sessel, hat das Jackett ausgezogen, trägt Hausschuhe und döst vor sich hin. Hinter ihm ist die Tür zur
Einbaukücheeinen Spalt breit geöffnet. Dort geht die Hausfrau emsiger Hausarbeit nach. Ihre Absätze verursachen ein lebhaftes Geräusch auf dem Fliesenboden.

SIE Hermann ...

ER Ja ...

SIE Was machst du da?

ER Nichts ...

SIE Nichts? Wieso nichts?

ER Ich mache nichts ...

SIE Gar nichts?

ER Nein

(Pause)

SIE Überhaupt nichts?

ER Nein ... ich sitze hier ...

SIE Du sitzt da?

ER Ja ...

SIE Aber irgendwas machst du doch?

ER Nein ...

(Pause)

SIE Denkst du irgendwas?

ER Nichts Besonderes ...

SIE Es könnte ja nicht schaden, wenn du mal etwas spazierengingest ...

ER Nein-nein ...

SIE Ich bringe dir deinen Mantel ...

ER Nein danke ...

SIE Aber es ist zu kalt ohne Mantel ...

ER Ich gehe ja nicht spazieren ...

SIE Aber eben wolltest du doch noch ...

ER Nein, du wolltest, daß ich spazierengehe ...

SIE Ich? Mir ist es doch völlig egal, ob du spazierengehst ...

ER Gut ...

SIE Ich meine nur, es könnte dir nicht schaden, wenn du mal Spazierengehen würdest ...

ER Nein, schaden könnte es nicht ...

SIE Also was willst du denn nun?

ER Ich möchte hier sitzen ...

SIE Du kannst einen ja wahnsinnig machen!

ER Ach ...

SIE Erst willst du Spazierengehen ... dann wieder nicht ... dann soll ich deinen Mantel holen ... dann wieder nicht ... was denn nun?

ER Ich möchte hier sitzen ...

SIE Und jetzt möchtest du plötzlich da sitzen ...

ER Gar nicht plötzlich ... ich wollte immer nur hier sitzen ... und mich entspannen ...

SIE Wenn du dich wirklich entspannen wolltest, würdest du nicht dauernd auf mich einreden ...

ER Ich sag ja nichts mehr ...

(Pause)

SIE Jetzt hättest du doch mal Zeit, irgendwas zu tun, was dir Spaß macht ...

ER Ja ...

SIE Liest du was?

ER Im Moment nicht ...

SIE Dann lies doch mal was ...

ER Nachher, nachher vielleicht ...

SIE Hol dir doch die Illustrierten ...

ER Ich möchte erst noch etwas hier sitzen ...

SIE Soll ich sie dir holen?

ER Nein-nein, vielen Dank ...

SIE Will der Herr sich auch noch bedienen lassen, was?

ER Nein, wirklich nicht ...

SIE Ich renne den ganzen Tag hin und her ... Du könntest doch wohl einmal aufstehen und dir die Illustrierten holen ...

ER Ich möchte jetzt nicht lesen ...

SIE Dann quengle doch nicht so rum ...

ER (schweigt)

SIE Hermann!

ER (schweigt)

SIE Bist du taub?

ER Nein-nein ...

SIE Du tust eben nicht, was dir Spaß macht ... statt dessen sitzt du da!

ER Ich sitze hier, weil es mir Spaß macht ...

SIE Sei doch nicht gleich so aggressiv!

ER Ich bin doch nicht aggressiv ...

SIE Warum schreist du mich dann so an?

ER (schreit) ... Ich schreie dich nicht an!!



(Aus Loriots Szenen einer Ehe)
Genial!
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nanoq
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von nanoq »

"Wenn alles immer einfach wäre, gäbe es dann überhaupt noch Glück? Es muss entweder wie ein Geschenk vom Himmel fallen oder hart erarbeitet werden, denn wenn es nicht selten oder teuer wäre, dann wäre ja der ganze Reiz weg. Das ist nicht sehr gut gesagt, aber Hauptsache, ich mache mich verständlich. Glücklich sein, das hat viel mit Vergleichen zu tun.

Und außerdem gibt es eine Menge Leute auf der Welt, für die das Glück auf ähnliche Weise ausstirbt, wie die Jíbaros, die Gorillas oder das Ozon aussterben. Es bekommen nicht alle gleich viel ab. Das wäre ja bekannt, wenn das so wäre.

Das Glück ist eben nicht kommunistisch."


aus: Das Labyrinth der Wörter von Marie-Sabine Roger
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Buchecker
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Buchecker »

[So] She began to fight back. At first, she carried a knife in her purse. When she learned that carrying a concealed knife was a felony, she switched over to a gun. Concealing a revolver was just a misdemeanor, and she could live with that.

aus: Faye Kellerman, The Stalker, in: the garden of eden and other criminal delights
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Kibabu
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Kibabu »

"...Als letzter Verwundeter wurde lange nach dem Scharmützel der Soldat Wenzel Zavadil, ein gebürtiger Böhme, von zwei annamitischen Weibern in das Lazarett getragen... Der Arzt konnte keine Wunde finden und bekam auf sein Befragen von dem Patienten nur ein wildes Knurren zur Antwort, das er für die Laute eines slawischen Dialektes hielt...
...als wiederum die Wärterin mit der Meldung erschien: "Trompeter Wenzel Zavadil 49 Grad Fieber, bitte um ein längeres Thermometer."...

gefunden in: Der heiße Soldat von Gustav Meyrink
Vor uns: 5 Monate Dunkelzeit
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Buchecker »

"Woyzeck, Er ist ein guter Mensch, ein guter Mensch - aber mit Würde Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral das ist wenn man moralisch ist, versteht er. Es ist ein gutes Wort."
aus: Georg Büchner, Woyzeck
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Kibabu »

Nicht! Noch nicht!

...Du lieber Gott, da ist doch nichts dahinter!
Und wie ein dicker Bär sich murrend schleckt,
zu früh geweckt,
so zieh ich mich zurück und träume Winter.

Ich bin zu schwach. Ich will am Ofen hocken -
die Animalität ist noch nicht wach.
Ich bin zu schwach.
Laternenschimmer will ich, trübe Dämmerung und dichte Flocken.


Kurt Tucholsky
Vor uns: 5 Monate Dunkelzeit
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Kibabu »

Lest und lebt glücklich!
Vor uns: 5 Monate Dunkelzeit
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Kibabu »

...In dem Artikel war auch von Leuten die Rede, die sich trotz Satellitennavigation verirrt hatten.

Bill Bryson schreibt in Picknick mit Bären also über mich.
Vor uns: 5 Monate Dunkelzeit
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Kibabu
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Re: Zitate aus unserer Lektüre

Beitrag von Kibabu »

Eine Geisterwelt würde es sein, gebaut von seinem Geist und bewohnt von vielen anderen Geistern.

und

Ich erschrak. "Hier unten gibt es etwas, das lebt?"
"Ja. Leider."
"Was ist es?"
"Schwer zu sagen. Etwas sehr Großes. Ein Ungeheuer."
"In diesem Keller wohnt ein Ungeheuer?"
"In jedem Keller wohnt ein Ungeheuer."


aus
Die Stadt der träumenden Bücher von Walter Moers
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