Der rote Satz

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Buchecker
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Buchecker »

Na ja, zumindest mit der Dankesrede hat's vielleicht noch ein paar Tage Zeit. Ich arbeite schon an dem Gedicht: "Was auch noch gesagt werden sollte!"
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Buchecker
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Buchecker »

Das Gedicht (War's ein Gedicht?) hab ich dann doch lieber woanders reingestellt, also folgt hier dann nur die nächste Preisaufgabe für unerschrockene Kreativisten:

Für einen kurzen Moment lachte die Sonne.

Vielleicht lassen sich ja auch mal wieder neue Teilnehmer/innen vom Reiz der Aufgabe und den wertvollen Sachpreisen zur Teilnahme bewegen......
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Yumo
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Yumo »

Doris öffnete ein Auge und schielte verschlafen auf den Wecker. 7:48 Uhr. Mit einem Schlag war sie hellwach. Sie fluchte innerlich, daß sie so heftig verpennt hatte und zu spät zur Nachtschicht kommen würde, die schon vor gut 20 Minuten begonnen hatte. Komisch, daß die noch nicht angerufen hatten – oder hatte sie das etwa genauso wie den Wecker überhört? Egal, schnell unter die Dusche und dann nix wie los. Unterwegs würde sie sich vom Handy melden.
Die kalte Luft roch nach Schnee, aber zumindest sprang der klapprige Polo problemlos an. Doris hoffte, daß sie es wenigstens bis 20:30 Uhr schaffte, an der Arbeit zu sein. Doch der Verkehr stockte und sie kam nur im Schrittempo vorwärts. Ausgerechnet heute abend mußte solch ein Verkehr sein! Allmählich machte sich bei ihr Panik breit. Sie war noch in der Probezeit und wenn die Chefin das erfuhr, wer weiß, was ihr dann blühen würde.
Im Radio lief ein langweiliges Stück von Chris de Würg. Doris kramte nach ihrem Handy. "HR3, wir wünschen einen guten Morgen. Hier unsere aktuellen Verkehrsmeldungen..." Guten Morgen? Doris war erst völlig verwirrt, dann fiel ihr ein Stein vom Herzen. Für einen kurzen Moment lachte die Sonne.
Die zehn Gebote Gottes enthalten 279 Wörter, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 300 Wörter, die Verordnung der europäischen Gemeinschaft über den Import von Karamelbonbons aber exakt 25911 Wörter.
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Buchecker
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Buchecker »

Die Frage ist, was man dann mit so einem verkorksten Tag noch anfangen soll...

"Chris de Würg" und "langweilig" - zwei, die sich gesucht und gefunden haben.
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Lady Agatha

Re: Der rote Satz

Beitrag von Lady Agatha »

@ Buchecker

Ich nehme die Herausforderung, meinen 1.000sten Beitrag in einem würdigen Thread zu schreiben an.
Thema: Für einen kurzen Moment lachte die Sonne.

Carlotta fuhr im strömenden Regen, der auf das Auto prasselte als bekäme er es bezahlt, über die glitschigen, regennassen Straßen. Beethovens Pastorale erklang aus dem CD-Player, passend zum Wetter, es fehlte nur noch das Gewitter. Sie fuhr ruhig und hing ihren Gedanken nach, denn entgegen allen Geschwätzes über Frauen und Unpünktlichkeit, war sie wieder einmal viel zu früh. Sie fuhr zu einem Vorstellungsgespräch und überlegte wie sie sich wohl am besten „verkaufen“ sollte, denn auf keinen Fall konnte sie erzählen warum sie den Job wechseln wollte, dass ihr Chef Alkoholiker war, der ihr und ihren Kollegen/innen das Leben schwer machte, sich jeden Tag etwas anderes ausdachte, um seine Mitarbeiter/innen zu schikanieren, Änderungskündigungen aussprach wie z. b. beim Kollegen Müller, der bis vor kurzem noch in Schlips und Kragen im Außendienst tätig war und jetzt dieselben Kunden als Auslieferungsfahrer im grauen Kittel besuchen und gleich im Lager klingeln musste. Die Kollegin, die drei private Kopien gemacht hatte, bekam von jetzt auf gleich die fristlose Kündigung und Lachen war in dieser Firma ein Fremdwort.

Carlotta litt unter Neurodermitis und kratzte sich in der letzten Zeit so die Haut vom Fleisch, dass der Hausarzt nur: „Oh Sch….“ sagte. Es musste also unbedingt etwas geschehen, aber kündigen ohne einen neuen Job ging gar nicht. Also: “ Ganz ruhig“ sagte sich Carlotta, als sie endlich ihr Ziel erreicht hatte.

Der Regen hatte soweit nachgelassen, dass sie zumindest einigermaßen trocken das Firmengebäude erreichte, sie war bekleidet mit einem schicken, blauen Hosenanzug und weißer Bluse, der Regenschirm lag natürlich im Kofferraum, aber es ging soweit alles gut, dass sie nicht wie ein begossener Pudel auftreten musste.

Als sie die Tür öffnete, hörte sie fröhliches Lachen. Das war so schmerzlich, dass ihr beinahe die Tränen in die Augen traten, aber dazu hatte sie dann keine Zeit, denn sie wurde sofort freundlich empfangen und zu ihrem Gespräch gebeten. Die Unterhaltung verlief sachlich und sehr angenehm. Keine dummen Fragen, die Zeugnisse sprachen für sich und Carlotta erklärte, dass sie sich gerne verändern möchte, um ihren Horizont zu erweitern, sei es doch ein Gebiet, welches sie sehr interessiere und eine Vertiefung dieses Themas zeigte, dass Carlotta sich tatsächlich schon mit der neuen Materie vertraut gemacht hatte. Man trennte sich nach etwa einer Stunde mit der Zusage bis zum nächsten Tag, so oder so, Bescheid zu geben.

Der nächste Tag war furchtbar, die Stunden zogen sich wie Kaugummi, die Haut juckte und der Chef nervte, wann war sie zur Kündigung fällig? Das Wetter war deprimierend, es regnete den ganzen Tag ohne Pause. Als sie schließlich und endlich Feierabend hatte fuhr sie bangen Herzens nach Hause, um dort auf die versprochene Antwort auf ihr Vorstellungsgespräch zu warten. Es geschehen manchmal „Zeichen“ und „Wunder“. Carlotta war noch nicht richtig in der Wohnung, da klingelte das Telefon. „Das war´s“, dachte Carlotta, nahm den Hörer ab und meldete sich freundlich, aber innerlich sehr ängstlich und schaute dabei angestrengt aus dem Fenster in den strömenden Regen. Die Gesprächspartnerin freute sich sehr ihr sagen zu können, dass Carlottas Interesse an der Firma überzeugt habe und man sie gerne zum 1. August einstellen möge. Carlotta schaute immer noch angestrengt aus dem Fenster und war fast unfähig etwas zu sagen, denn in eben diesem Moment lachte für einen kurzen Moment die Sonne.
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Buchecker
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Buchecker »

Darf ich für die Anderen mitsprechen?
Wir hier im Roten Salon fühlen uns geehrt durch deinen Beitrag, Lady!

Die Jury wird, wie gehabt, in 2 - 3 Tagen zusammentreten.
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Buchecker
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Buchecker »

Literarische Wettbewerbe stehen gelegentlich - man erinnere sich seliger Klagenfurter Bachmann-Huldigungen - im Ruch, Kunst um der Kunst willen zu produzieren. Nicht so beim Roten Satz! Die Teilnehmer dieser ambitionierten Talentbörse sehen es als ihre Verpflichtung an, die Welt der sogenannten "kleinen Leute" zu besingen - und sei es dadurch, dass manche Großen Tiere kleingeschrieben werden.
Auch die vorliegenden Etüden setzen in der Alltagswelt an. Während Yumo mit gewagten logischen Volten dem Arbeitsdruck im Praktikantengewerbe in Verbindung mit dem morgendlichen Stoßverkehr ein eindringliches Denkmal setzt, zeichnet Lady Agathas (das Pseudonym verbirgt nur unzureichend eine am klassischen englischen Kriminalroman geschulte Erzählerin) großartiger Erstling - ein Debüt, welches in einem Atemzug mit Thomas Manns "Buddenbrooks" genannt werden muss und, nicht zufällig, wichtige Motive mit ihm teilt - mit wenigen Strichen die Welt einer jungen Frau, deren berufliches Leben an einem Wendepunkt angelangt ist: Die am Ende erstrahlende Sonne, ein Symbol von hoher Aussagekraft, signalisiert einen Neuanfang; die Protagonistin lässt die hässliche Fratze des Schweinekapitalismus zurück und tritt in eine von griechischer Gelassenheit geprägte, dem sozialen Miteinander verpflichtete Gemeinschaft ein.

Nach Abwägung aller - auch arbeitsrechtlicher - Umstände spricht die Jury den heutigen symbolischen Preis, einen antiken roten Kupferpfennig, Lady Agatha zu und betraut sie mit der Aufgabe, eine neue literarische Keimzelle zu legen.
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Tschemmo
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Tschemmo »

Es ist ja schon Schluss, ich weiß und freue mich schon auf den neuen Satz Lady Agathas, aber ich habe da noch einen Beitrag außer Konkurrenz. Ich habe demnächst die Möglichkeit auf einem ganz speziellen Motorrad mit zu fahren! Da lacht mir die Sone ins Herz!

Da stand sie nun endlich vor mir, die italienische Schönheit: Ferrari-Rot, diese ästhetischen Flanken des Rahmens mit den sich kreuzenden Alurohren, die dem Motor, dem Herz des ganzen, Halt gaben und irriger Weise irgendwie an einen schwerfälligen Kran erinnerten, mehr PS als Kilogramm und eine absolut perfekte Kurvenlage, so versprach es wenigstens der Prospekt und auch diejenigen, die schon einmal das Glück gehabt hatten, eine besessen zu haben – wenn auch nur für einen kurzen Moment.
Heute war die Prüfung gewesen, ich hatte alle Fragen mit Leichtigkeit beantworten können, es lief perfekt, ganz so wie im Traum in der Nacht zuvor. Ich konnte mein Glück kaum fassen, Bingo! Und nun die selbst gesetzte Belohnung mit der Probefahrt der Ducati 900 Monster! Leider war es bedeckt, dafür aber nahezu windstill und mit 24°C optimal temperiert.
Ich hatte die Probefahrt natürlich anmelden müssen, das hätte auch schief gehen können, aber nachdem man mir das Rückenmark in der weißen Schale gereicht sowie mich aufgefordert hatte, mal etwas dazu zu sagen, da hatte ich innerlich schon die Faust geballt und „Jepp!“ geschrieen. Der Termin stand, ich hatte unterschrieben und die Schlüssel bekommen. Ich saß auf, sah mich orientierend umd und der Seitenständer machte Klack, die Berührung des Knopfes ließ schon ein Vibrieren durch meinen Körper strömen, aber das war nur ein Furz im Wirbelsturm gegen das, was dann tatsächlich folgte!
Die ersten Kilometer innerhalb der Stadt waren noch etwas ungelenk, doch ich spürte schon: Wir gehören zusammen! Noch drei Jahre und ich könnte mir diese kostspielige Dame leisten, wahrscheinlich! Der Rochen mochte keine Motorräder, das war schade. Einmal waren wir auf meiner kleinen Honda ausgefahren und sie hatte nur Angst um ihre Frisur gehabt, anschließend hatte sie Kopfschmerzen.
Ich fuhr auf der Landstraße hinauf zum Pass, zunächst ganz geradlinig, bereitwillig gab ich ihrem Potential mehr und mehr nach, dann sollte es richtig abgehen!
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten ein Motorrad zu fahren, die eine, die coole, der Landschaft wegen, die andere, die freakige, der Technik wegen, es geht um das letzte Stück Perfektion für den ultimativen Rausch. Mit vielen Motorrädern kann man beides ganz gut, einige sind speziell für einen der beiden Stile ausgelegt. Mit meiner Honda schaffte ich, die Stiefel auf den rückwärtigen Blinkern, den Helm auf den Tank gesenkt, auf einer abschüssigen Straße 145 Kilometer pro Stunde, mehr war mit 27 PS nicht zu haben. Auf der Landstraße hatte ich durch leichtes Drehen am Griff schnell 170 Stundenkilometer erreicht: Wau! Was für eine Beschleunigung, der Lenker einer Ducati dient nicht nur der Änderung der Fahrtrichtung, er ist einfach auch zum Festhalten da! Ich sah den LKW vor mir schon von weitem, den musste ich noch vor erreichen der Passstraße hinter mich bringen, damit die ersten Kurven richtig knacken konnten. Inzwischen waren wir ein eingespieltes Duo. Ich dachte an die Sehbahn, meine Augen nahmen den Reiz auf, es ging ins Hirn, wurde verarbeitet, durchs Rückenmark weiter geleitet, dort umgeschaltet und schließlich drehte die Hand am Gashahn. Bei 220 Stundenkilometern lachte die Sonne kurz durch die Wolkendecke, einige Strahlen fielen ungünstig auf die Netzhaut.
___________________________________________
Alt werden ist schön, das Problem ist nur, dass der Körper dabei in die Binsen geht!

(Siri Hustvedt)
Lady Agatha

Re: Der rote Satz

Beitrag von Lady Agatha »

Danke, zu viel der Anerkennung, ich bin ja ganz beschämt. :oops: :D

Da ich mich mit dem 1.000sten Beitrag, in diesem Thread, sozusagen selbst ins kalte Wasser gestoßen habe, habe ich jetzt ersteinmal gelesen was da schon so alles geschrieben wurde, gut bis köstlich.

Leider trauen sich recht wenige Foristen selber mal eine nette, ernste, komische oder auch wahre Geschichte zu verfassen. Daher meine Überlegung und Anregung für die, die sich nicht trauen:

Denkt doch einfach mal, Ihr hättet kein Telefon, zumindest nicht eines, dass fast nichts kostet, (Flatrate) sondern eines, welches man nur zum "Nachttarif" benutzen möchte, weil billiger, aber meistens total überlastet. Ein Handy, mal schnell ´ne SMS schreiben, oder einen PC/Laptop, mal schnell ´ne Mail schicken, sowas habt Ihr schon gar nicht. Also, was macht man in solchen Fällen? Man greift zu Papier und "Feder" und schreibt einen guten, alten Brief. An Mama, an Papa, an die beste Freundin, an Tante Elli, Onkel Kurt, die Tochter, den Sohn, oder, oder, oder.

Daher lautet meine literarische Keimzelle, oder Der rote Satz :

..... will ich Dir doch schnell einen Brief schreiben, das muss ich Dir unbedingt erzählen....
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Kibabu
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Kibabu »

Tschemmo,
deine Biker-Story ist grandios!
Vor uns: 5 Monate Dunkelzeit
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Kibabu
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Kibabu »

Liebe Vendy,
jetzt will ich Dir doch schnell einen Brief schreiben, das muss ich Dir unbedingt erzählen, wo du doch jetzt Internet-Fasten machst und 6 Wochen lang keine E-Mails lesen wirst:

Du kennst doch meinen Schwager, den Eckart Buchner. Der arbeitet doch immer noch nix, all die Jahre hängt er auf der Uni rum. Beziehungsweise „arbeitet“ er ja jetzt doch, als Hiwi von dem Professor da. Schimpft sich Assistent oder so. Jedenfalls macht der Professor ja dauernd diese Testreihen für die Pharmaindustrie. Streng geheim, versteht sich. Und da hat es doch neulich einen Einbruch gegeben im Labor. Befreiungsversuch von der PETA, du weisst schon, diese radikalen Tierschützer. Allerdings war die Bullerei ziemlich schnell da, kaum dass die alle Käfige im ersten Labor aufgebrochen hatten.

Da war vielleicht was los: Blaulicht, Tatütata, die PETA-Leute waren plötzlich alle ganz flink weg, wie Kakerlaken, wenn man das Licht anmacht. Und überall im Gebäude die Versuchstiere, die armen Viecher. Karnickel und Ratten, klar, aber auch ein paar Meerkatzen und so.

Tja, und dann mussten die Hiwis natürlich alle anmarschieren und beim Aufräumen helfen, und das mitten in der Nacht. Na ja, dem Eckart schadet es ja nichts, wenn er ausnahmsweise auch mal körperlich arbeitet, gelle? War wohl ziemlich viel kaputt gegangen, überall Scherben und Gedöns. Aber egal, trifft ja keinen Armen, der Steuerzahler hat´s ja.

Ja, und weshalb ich Dir schreibe: Gestern waren wir den Eckart besuchen, und stell dir vor: Der hat sich doch eins von den Viechern mit rausgeschmuggelt! Das hält er sich jetzt zu Hause. Erst im Wohnzimmer, aber nachdem das Vieh alles angefressen hat, ist es jetzt im Kohlenkeller eingesperrt. Es beißt wohl auch. Aber Eckart meint, das würde schon noch. Er hat ja jetzt viel Zeit. Der Arzt hat ihn direkt für 2 Wochen krankgeschrieben mit den Kratzern und der Bisswunde im Arm. Beginnende Blutvergiftung, sagt er. Jetzt frag mich nicht, was das nu für ein Tierchen ist. Ich konnte nur ganz kurz gucken, und wie das dann auf mich losging, hat der Eckart schnell die Türe zugeschmissen. Sieht jedenfalls aus wie eine Mischung zwischen Karnickel, Fozzibär und Staublappen. Tierversuche halt, die sollten allesamt verboten werden!

Tja, und der Eckart will das jetzt mal mit Klickertraining versuchen. Soll er machen, ist ja eh nicht ausgelastet.

Und wie geht es bei euch? Hat euer Jüngstes immer noch die Meerschweinchen? Kümmert sie sich jetzt endlich mal gescheit um die? Wenn nicht, sag Bescheid. Das kann ja so nicht weitergehen. Da finden wir schon ´ne Lösung.

Bis Pfingsten, da sehen wir uns ja vermutlich, oder allerspätestens bis Urgroßtante Ilses Geburtstag! Haben die eigentlich noch die Karnickelzucht?

Und grüß auch den Jupp!

LG Babsi
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Paulina
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Paulina »

(Anmerkung: Diesen Brief wollte ich wirklich schreiben, wobei klar war, dass ich ihn nicht abschicken würde. Aber ich denke, hier ist er gut aufgehoben.)

Liebe Charlotte,

nun will ich dir doch schnell einen Brief schreiben, denn es liegt mir so viel auf der Seele, das ich dir unbedingt auf diese Weise erzählen muss - obwohl ich inzwischen begreife, dass du es niemals lesen wirst.

Seit einiger Zeit lebst du in deiner ganz eigenen kleinen Welt.
Die Gegenwart ist nicht mehr wichtig für dich. Auch was vor kurzer Zeit geschah, spielt in deinen Gedanken keine Rolle mehr.
Vor wenigen Wochen wählte ich deine Telefonnummer, um mich bei deinem Mann zu erkundigen, wie es dir geht.
Du warst schneller am Telefon als er.
„Hallo, Lotti, hier ist Paulina. Wie geht es dir?“
„Paulina? ...Paulina? ...Welche Paulina? Ach, ich weiß: Die Frau mit den roten Haaren... Ja, das war einmal eine Kollegin von mir. Das ist aber nett, dass Sie mich anrufen.“
Du hast mich nicht erkannt, hast dich nicht erinnert.
Hast dich nicht daran erinnert, dass du meine Mentorin warst, mein Vorbild, meine liebste Freundin. Der Altersunterschied von beinahe zwanzig Jahren spielte in unserer innigen Freundschaft keine Rolle.
In unserem Kreis der Freundinnen standen wir beide uns am nächsten.
„Es ist nett von Ihnen, dass Sie anrufen“, sagtest du. „Aber nun muss ich gehen, weil ich Suppe auf dem Herd habe.“
Nein, Lotti, dachte ich, du hast keine Suppe auf dem Herd. Dein Mann sorgt für dich.
Ich weinte...

Wo ist die kluge, belesene, energische, warmherzige Frau von einst?
Gibt es in der Tiefe deines Bewusstseins noch einen Ort, in dem sie wohnt?
Gestern rief dein Sohn mich an, um mir von deinem Befinden zu berichten. Die Krankheit schreitet fort.

Wie aus dem Nichts erreichen mich Erinnerungen.
Du bist selbst mit den dümmsten, faulsten, aufmüpfigsten Jugendlichen fertig geworden.
Dein wohl berühmtester Ausspruch war: „Sie gleichen dem schwarzen Lebewesen, das bei Scheffels wohnt“.
Das war die verklausulierte Version für die Feststellung „Sie sind so dumm und faul wie Bauer Scheffels schwarzes Schwein“. So konnte dir keiner etwas nachsagen, und mich erinnerte das an Heinz Erhardt, der sich in einem seiner Filme nicht mit „Sie dumme Gans“ vermaulen wollte und der stattdessen „Sie großer weißer Vogel“ zu einer schrulligen Kollegin sagte.

Du willst nichts essen, nichts trinken, sitzt nur da, dein Blick ist leer in eine Ferne gerichtet, von der ich glaube, sie zu erkennen, auch wenn ich keinen Zugang in diese Welt finde. Niemand findet ihn.
Wenn du dich in deiner neuen kleinen Welt behaglich fühlst, so soll mir das recht sein. Doch ich befürchte, auch dort bist du nicht glücklich.
So bittest du deinen Sohn, dir ein Taxi zu bestellen, weil du nach Hause möchtest.
Nach Hause, Lotti?
Du bist doch zu Hause. Du bist in deiner Wohnung, in der du mit deinem Mann seit einigen Jahren lebst.
Ich weiß, was du meinst.
Hier in dieser Stadt, in der ich bin und in der du dein halbes Leben verbracht hast, ist noch immer dein Zuhause.
Du bist nie angekommen in der Kleinstadt am Rhein, die deine neue Heimat werden sollte, weil du alt wurdest und der Hilfe deines Sohnes bedurftest. Wir Freundinnen redeten dir zu.
War das ein Fehler?
Hat dich das Heimweh krank gemacht?

Ich weiß nicht, wie ich mich von dir verabschieden und was ich dir wünschen soll, meine liebe Freundin. Es ist wohl auch nicht nötig. Du hast schon Abschied genommen, gegen deinen Willen zwar, aber vielleicht steckt hinter allem ein Sinn, den ich noch nicht erkennen kann.
Vielleicht bist du in absehbarer Zeit auch glücklich in deiner neuen kleinen Welt. Wer weiß das schon...
Ich wünsche es dir, auch wenn ich weiß, du wirst es mir nie bestätigen können.
Leb wohl, meine Lotti.
Deine Paulina
Lady Agatha

Re: Der rote Satz

Beitrag von Lady Agatha »

Ich bin jetzt einigermaßen ratlos. Auf weitere Beiträge warten?
Der rote Satz kann ja auch als Geschichte ...das muß ich dir unbedingt erzählen genommen werden.

Also hoffe ich auf weitere eifrige Schreiber. Ran an die "Feder".
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Buchecker
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Re: Der rote Satz

Beitrag von Buchecker »

Ich würd's gern auch noch probieren (Babsis Brief schreit ja nach einer Antwort...), aber vor dem Wochenende komm ich sicher nicht dazu. Ich kann's ja, wie Tschemmo, nachreichen.
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Lady Agatha

Re: Der rote Satz

Beitrag von Lady Agatha »

Buchecker hat geschrieben:Ich würd's gern auch noch probieren (Babsis Brief schreit ja nach einer Antwort...), aber vor dem Wochenende komm ich sicher nicht dazu. Ich kann's ja, wie Tschemmo, nachreichen.
Wo ist das Problem? Wenn ich das richtig verfolgt habe, werden Zeitvorgaben nicht mehr erteilt, kämen wahrscheinlich überhaupt keine kleinen Geschichten mehr, unter Duck ist es schwieriger.
Ich schlage daher vor, diese "Brief/Geschichten Aktion" bis zum 31. Mai aufrechtzuerhalten. Möglicherweise entsteht ja sogar ein "Briefwechsel" daraus. Ich weiß jetzt natürlich nicht, ob das überhaupt den Regeln des roten Salons entspricht, aber wenn schöne Briefe/Geschichten entstehen, heiligt doch der Zweck die Mittel, oder?
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