Wer ist wohl mehr daran interessiert, überhaupt eine Bewertung zu erhalten: der Verkäufer oder der Käufer?
Ich denke: ersterer. Denn viele (positive) Bewertungen sind ideelles Geschäftskapital für den Verkäufer, weil sie ein attraktives Aushängeschild darstellen und ihm weitere Käufer zuführen können.
Wie in meinem Beitrag schon ausgeführt, sehe ich das anders. Ich qualifiziere mich als Verkäufer über die Qualität meiner Angebote und deren Präsentation, sprich Angebotsbeschreibung; wenn jemand bei mir kauft und mich nicht bewerten möchte, ist das für mich vollkommen in Ordnung.
Ich glaube nicht, dass jemand seine Kaufentscheidung davon abhängig machen wird, wie viele positive Bewertungen ich habe, vorausgesetzt alle sind positiv. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte ich mir schon vorstellen, dass ein Käufer genauer wissen möchte, weshalb jemand unzufrieden war, aber das ist bisher noch nicht vorgekommen.
Wenn also jemand vollkommen zufrieden und der Fall für ihn damit erledigt ist, ist die Sache in Ordnung, für ihn und für mich. Wenn dieser Käufer sich extra angemeldet hat, ist er ein unbeschriebenes Blatt; das hindert mich aber nicht daran, den Verkauf abzuwickeln. Meine fehlende Bewertung ändert seinen Status also überhaupt nicht. Und seine fehlende Bewertung ändert meinen Status auch nicht.
Normalerweise erkundige ich mich überhaupt nicht über den Käufer; seine Bewertungen interessieren mich nicht. Allerdings pflege ich eine Blacklist. Manche Leute hier im Forum sind mir so unangenehm, dass ich mit denen nichts zu tun haben möchte, und obwohl es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie bei mir kaufen, möchte ich doch das Risiko lieber nicht eingehen. Insofern habe ich es leichter als ein Buchhändler mit Ladengeschäft, der einem unangenehmen Kunden Hausverbot erteilen müsste.
Ich halte es auch nicht für wahrscheinlich, dass positive Bewertungen zu Verkäufen führen. Wer etwas kaufen will, könnte höchstens durch negative Bewertungen abgeschreckt werden, aber nicht umgekehrt. Bei Antiquariaten findet man häufig ungerechtfertigte negative Bewertungen, weil jemand das Prinzip nicht verstanden hat - deshalb gehe ich bei Antiquariaten im Prinzip davon aus, dass das Profis sind und ich mich auf die schon verlassen kann. Das sehen die anderen Antiquariatsplatformen anscheinend auch so und verzichten vollständig auf ein Bewertungssystem.
Andererseits habe ich bisher auch kaum negative Erfahrungen gemacht. Einmal habe ich ein sehr teures Buch bei einem Antiquar (nicht über Booklooker) gekauft, eine Zweitauflage eines noch teureren Buches, von dem der Fachmann in seiner Angebotsbeschreibung behauptet hat, es sei in jeder Hinsicht mit der Erstauflage identisch; das hielt ich nicht für wahrscheinlich, schon aufgrund der allgemein bekannten Preisdifferenz, aber ihm als Experten wollte ich Glauben schenken.
Kurz danach konnte ich auch die Erstauflage erwerben und musste dann feststellen, dass beide sich nicht nur in der Aufmachung, Verarbeitung und Papierqualität, sondern auch in Bezug auf die Farb- und Druckqualität unterschieden, was in diesem Falle sehr unangenehm war, denn es handelte sich um ein Kunstbuch. Dieser Qualitätsunterschied war im direkten Vergleich unmittelbar festzustellen; ob der Antiquar diesen direkten Vergleich hat anstellen können, kann ich nicht beurteilen (vermutlich nicht); in diesem Falle wäre seine Angebotsbeschreibung betrügerisch gewesen.
Ich gehe nach wie vor davon aus, dass er guten Glaubens war und seine Behauptung eine reine Vermutung und habe von meinem Rückgaberecht Gebrauch gemacht. Ich hätte die Rückgabe nicht einmal begründen müssen, aber ich konnte mich auf seine Zusicherung berufen, die nun definitiv nicht korrekt war. Selbstverständlich wurde die Sache rückabgewickelt; anschließend hat mich der Antiquar gewissermaßen auf seine Blacklist gesetzt, was ich daran gemerkt habe, dass er einen späteren Kauf eines anderen Buches abgelehnt hat. Das habe ich nicht verstanden.
Hätte nun irgendein Bewertungssystem diesen Ärger verhindern können (in diesem Falle gab es ja noch nichtmal eins)? Hätte es irgend einen Sinn, diese Angelegenheit mit Hilfe eines Bewertungssystems aktenkundig zu machen? Ich glaube nicht. Diese ewigen Diskussionen über das Bewertungssystem und insbesondere die ständigen umstrittenen Experimente beim Erfinder des Bewertungssystems nach 10 Jahren weltweiten Einsatzes weisen für mich eigentlich eher darauf hin, dass man Bewertungssysteme schlechthin als gescheitert betrachten muss.
Wenn ich in einen Buchladen gehe oder ein Antiquariat, frage ich vorher auch nicht überall herum, ob dieser Laden vertrauenswürdig ist. Ohne Vertrauen geht es nun einmal nicht, nirgendwo. Wichtig ist nur, dass man Mechanismen hat, die im Falle eines Betruges oder auch nur der Unzufriedenheit mit Sicherheit zu einer einvernehmlichen, gütlichen Lösung führen. Die gibt es bisher meines Wissens nicht und nirgends; selbst die „Garantie“ von PayPal befriedigt nicht ganz (und man kann ja auch nicht bei jedem Kleckerkram mit einer Anzeige bei der Polizei drohen). Mit Hilfe des Bewertungssystems kann man möglicherweise etwas Druck ausüben, nach dem Motto: Wenn du jetzt nicht einlenkst, werde ich dich schlecht bewerten, und das wirst du nicht wollen. Angenehm ist das nicht.
Im Laden muss ich ja auch nicht drohen, wenn ich unzufrieden bin; selbstverständlich wird ein Geschäft rückgängig gemacht, wenn nicht alle vollkommen zufrieden sind. Die ganze Diskussion kommt meines Erachtens nur daher, dass manche Leute meinen, in der Anonymität des Internets andere Leute gefahr- und skrupellos übers Ohr hauen zu können. Typisch ist die Floskel: Privatverkauf, keine Rückgabe, keine Garantie. Das sagt doch schon alles. Warum nicht gleich so: Hier sollen Sie betrogen werden, kommen Sie rein!
Wenn ich ein Buch verschicke, das ich mit „wie neu“ klassifiziere, dann ist das wie neu, und wenn es nicht wie neu ist, dann beschreibe ich ganz genau, was daran zu bemängeln sein könnte, wenn man sehr pingelig ist. Und wenn jemand den Kauf rückgängig machen wollen sollte, na bitte sehr. Ich bin zwar kein Profi, aber deshalb muss ich doch niemanden verärgern wollen. Das wäre mir die Sache einfach nicht wert.
So gesehen ist eine gegenseitige Nichtbewertung vielleicht sogar vorteilhaft. Man stelle sich vor, jemand hat 500 Bücher verkauft und keine einzige Bewertung. Was sagt das aus? Keiner hat den anderen dazu gedrängt, etwas zu tun, wozu er keine Lust hat. Keiner hat sich geärgert, so dass er sich zu einer Bewertung genötigt gefühlt hat - mit anderen Worten: Alle waren zufrieden. Oder sehe ich das falsch?
Wenn ich zuerst bewerte, kann mich der Käufer nach Belieben anschwärzen und ich kann mich nicht mehr wehren, also kommt das für mich überhaupt nicht in Frage. Ich kenne den Käufer überhaupt nicht, und manche Leute sind bekanntlich sehr unangenehm und outen sich nicht vorher hier im Forum. Ich werde doch niemandem ins Messer laufen! Wenn er unzufrieden sein sollte, muss ich ein Mittel in der Hand haben, um mich wehren zu können, falls er sich mir gegenüber unfair verhält und sich einer gütlichen Einigung widersetzt.
PS: Mich stört diese Werbung, die jetzt neuerdings hier eingeblendet wird,
außerordentlich; sie ist für mich kontraproduktiv. Sie ärgert mich. Sie führt mit Sicherheit nicht dazu, dass ich ein Buch kaufen werde, und schon gar nicht eins von den angebotenen. Das ist natürlich an das Booklooker-Team gerichtet: Hört auf mit dem Quatsch! Was fällt Euch denn ein? Geht es Euch denn jetzt schon so schlecht, dass Ihr zum letzten Strohhalm greifen müsst?