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Gewerblich oder privat bei booklooker. Gerichtsverfahren

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 00:32
von nanoq
Ein Bericht aus der Praxis:

Zu der Frage ?gewerblicher oder privater Bücherverkauf bei booklooker? haben wir jetzt ein Gerichtsverfahren hinter uns gebracht.

Ich habe einen privaten booklooker-Verkäufer vor dem Landgericht Gießen anwaltlich vertreten. Das LG hat sich in diesem Fall unserer Ansicht angeschlossen, wonach hier keine Unternehmereigenschaft vorliegt.

Mein Mandant hatte Anfang des Jahres als privater Anbieter ca. 1100 Bücher hier bei booklooker im Angebot. Er hat eine Abmahnung erhalten, mit der Begründung, er würde ?über die üblichen Haushaltsmengen hinaus Artikel anbieten und veräußern?. Wir sind dieser Abmahnung entgegen getreten. Daraufhin hat die Gegenseite ein gerichtliches Verfahren angestrengt. Vor ein paar Tagen hatten wir Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG Gießen.

In diesem Termin hat das Gericht unsere Ausführungen und unsere Rechtsansicht ausdrücklich und in vollem Umfang bestätigt.

Die Richter haben die Gegenseite darauf hingewiesen, dass ihr Antrag keine Aussicht auf Erfolg hat, worauf diese ihn zurückgenommen hat.

Weil dieser Rechtsstreit durch die Klagerücknahme beendet wurde, kann ich hier leider keinen Urteilstext einstellen. Deshalb möchte ich selbst hier die rechtlichen Gesichtspunkte zusammenfassen.

Die Gegenseite hatte gefordert, meinen Mandanten zu verpflichten zum einen das gesetzliche Widerrufs- oder Rückgaberecht einzuräumen und zum anderen seinen Namen, Postanschrift E-Mail-Adresse und Telefonnummer anzugeben.

Hierzu hat der vorsitzende Richter zunächst darauf hingewiesen, dass diese Pflichten für ihn nur dann bestünden, wenn ein gewerbliches Handeln vorläge, dass also alles von der Frage abhängt, ob mein Mandant ein Unternehmer im Sinne des § 14 BGB ist oder nicht.

Das LG Gießen kennt die Rechtsprechung in diesem Bereich sehr genau, auch und gerade die Urteile, mit denen jemand als Unternehmer qualifiziert wurde, obwohl er nur relativ wenige Verkäufe hatte. Auch im Hinblick auf diese Gerichtsentscheidungen kamen die Richter in Gießen zu dem Ergebnis, dass in unserem Fall keine Unternehmereigenschaft vorliegt. Es ist nämlich jeder Fall einzeln unter Würdigung der gesamten Umstände zu beurteilen.

Der Vorsitzende sagte wörtlich, dass es im Internet ?auch die Möglichkeit geben muss, private Dinge zu verkaufen, ohne gleich als gewerblicher Verkäufer eingestuft zu werden?.


Zunächst hat uns das Gericht ganz explizit bestätigt, dass für die Feststellung einer Unternehmereigenschaft nicht allein die Anzahl der Angebote ausschlaggebend ist, sondern dass eben auch alle anderen Gesichtspunkte, die für oder gegen eine Unternehmereigenschaft sprechen können, zu prüfen sind.

Es handelt sich um die in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien, wie sie z.B. auch vom OLG Zweibrücken formuliert worden sind und die jeweils hinsichtlich des einzelnen Falles zu betrachten sind.

So geht die Rechtsprechung davon aus, dass jemand, der bei eBay den Status als sogenannter ?Powerseller? hat, erst einmal als Unternehmer anzusehen ist und wenn ein Powerseller meint, nicht gewerblich tätig zu sein, muss er das Gegenteil beweisen. (Die meisten der veröffentlichten Gerichtsurteile betreffen übrigens genau solche Powerseller-Fälle) Mit einem eBay Powerseller ist mein Mandant aber überhaupt nicht zu vergleichen, da dafür erhebliche Verkaufs- und/oder Umsatzzahlen verlangt werden, die er mit seinen Angeboten bei weitem nicht erreicht und auch nicht erreichen kann.

Die bloße Tatsache, dass man ausschließlich Gegenstände aus dem Privatvermögen veräußert, reicht nicht aus, um sicher zu gehen, dass es bei privatem Handeln bleibt (die Richter haben insoweit auch auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt verwiesen, die ich euch von knapp einem Jahr in einem anderen Beitrag schon mal vorgestellt hatte). Der schlichte Verweis darauf, dass es alles eigene Bücher sind, hätte also nicht ausgereicht. Allerdings ist es durchaus ein wichtiger Hinweis auf nicht gewerbliche Tätigkeit, wenn ? wie hier ? die Bücher alle aus dem privaten Bereich stammen. Der Vorsitzende sagte diesbezüglich, dass 1100 Bücher auf den ersten Blick viel erscheint, aber eben nur auf den ersten Blick. Die Richter konnten sehr wohl nachvollziehen, dass man in der Tat diese Anzahl von Büchern selbst lesen und ansammeln kann.

In diesem Zusammenhang war auch wesentlich, dass hier keine Bücher erworben worden waren, um sie wieder zu verkaufen, sondern dass sie ursprünglich zum eigenen Gebrauch (also zur eigenen Lektüre) gekauft worden waren.

Die Zahl der Verkäufe ist zwar ebenfalls nicht allein ausschlaggebend, spielt aber auch eine Rolle. Etwa 100 Verkäufe pro Jahr hielt das Gericht nicht für so relevant, dass dies für gewerbliche Tätigkeit spräche.

Welcher Umsatz der mit den gebrauchten Büchern gemacht wird, ist ebenfalls wichtig. Da mein Mandant den Großteil seiner Bücher für 1,00 ? 3,00 Euro pro Stück anbietet, ist der Umsatz in seinem Fall so gering, dass er nicht weiter ins Gewicht fällt.

Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob der Verkäufer bzw. Anbieter insgesamt ein Bild vermittelt, bei dem man von einem Auftreten als professioneller Händler sprechen kann. Ein solches professionelles Auftreten konnten die Richter bei meinem Mandanten beim besten Willen nicht entdecken. So haben sie z.B. festgestellt, dass er in den Verkaufsbedingungen mitgeteilt hat, dass seine Preise verhandelbar sind und haben dazu erklärt, so etwas sei bei einem professionellen Händler nicht zu erwarten.



Fazit:
Es gibt keine Liste von Kriterien, die man gewissermaßen abhaken kann, um festzustellen, ob man gewerblich tätig ist, oder nicht. Aber es gibt eine ganze Anzahl von Gesichtspunkten, die auch wenn sie jeweils für sich genommen noch nicht ausschlaggebend sind, dennoch geprüft bzw. genau betrachtet werden müssen und wichtig ist das Bild, das all diese Aspekte in der Gesamtschau letztlich ergeben.



Im Übrigen hat das Gericht auch den von der Gegenseite angesetzten Streitwert als zu hoch angesehen. Auch wenn 15.000,00 Euro der Regelwert bei UWG-Sachen sind, hat der vorsitzende Richter hier gesagt, das sei ?zu viel für so ein bisschen Bücherverkaufen?. Der Streitwert wurde für dieses Verfahren mit 3.000,00 Euro festgesetzt.

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 00:53
von blokk
Bravo, nanoq. Ich gratuliere dir zu deinem Erfolg. Dann scheint die Begrenzung auf 750 Angebote für private Anbieter ja auf sicheren Füßen zu stehen. Freut mich - insbesondere für die privaten Anbieter

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 01:15
von superbushy
Meine Gratulation nanoq!

Bravo

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 01:34
von Kohagie
Bravo!

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 07:30
von d_r_m_s
sehr schön ... danke für die ausführliche Darstellung der Hintergründe !

nur schade, dass die Gegenseite zurückgezogen hat ... ohne Urteil ist der Erfolg nur die Hälfte wert ...

ist auch die Strategie grosser Konzerne im Umgang mit Kunden ... erstmal drohen, als ginge es ums Leben, und dann die unberechtigten Ansprüche 'ohne Anerkennung einer Rechtspflicht' fallenlassen, wenn der Kunde nicht zurücksteckt und der vor Gericht zu erwartende Ausgang nicht passt ... sonst hätte man es ja schriftlich, dass man im Unrecht ist :twisted:

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 08:43
von volx-wolf
Es freut mich für Euch!!! Super!!!

...und danke für die ausführliche Darstellung!

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 08:52
von barbara
Herzlichen Glückwunsch, nanoq - finde ich ganz toll! Und auch von mir: danke für die ausführliche Darstellung.
d_r_m_s hat geschrieben: nur schade, dass die Gegenseite zurückgezogen hat ... ohne Urteil ist der Erfolg nur die Hälfte wert ...
Aber wenn sich das rumspricht, wird es sich der ein oder andere gut überlegen, ob er jemand mit dieser Begründung abmahnt - "außer Spesen nichts gewesen" ist schließlich wohl eher nicht der Zweck einer derartigen Abmahnung.

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 11:01
von bienwald
ja, finde ich auch toll nanoq !!!

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 11:02
von remlig
Herzlichen Glückwunsch zu deinem Erfolg nanoq.
Das lässt unsere Privatanbieter doch wenigstens wieder etwas an gerechtigkeit glauben. Auch ein großes BRavo an den Verkäufer, der sich mit deiner Hilfe zur Wehr gesetzt hat und sich nicht hat einschüchtern lassen. Und mit dir hat er sich ja auch wohl die richtige Anwältin ausgesucht. Kann nur sagen Klasse.

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 11:20
von Enibas
@nanoq, Bild für dein Engagement. Da können die Verkäufer endlich mal wieder etwas aufatmen. :wink:

Privatverkauf

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 18:43
von Bookorsair
@nanoq
Alle Komplimente aus Genf für "unsere" nanoq! Wer sagt's denn?!!
Wehren muß man sich!
Gruß und chapeau!

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 21:15
von Hermeline
Glückwunsch auch von mir! Hoffentlich nimmt der Abmahnwahnsinn dann auch mal ein Ende. Ich freue mich auf jeden Fall über jeden Erfolg für die Booklooker-Gemeinde :lol:

Verfasst: Do 13. Mär 2008, 21:17
von bücherwurm03
wow nanoq, das sind ja tolle neuigkeiten :!:

herzlichen glückwunsch, ich bin mir sicher, dein mandant freut sich riesig :wink:

Verfasst: Fr 14. Mär 2008, 10:49
von antje
bücherwurm03 hat geschrieben:wow nanoq, das sind ja tolle neuigkeiten :!:

herzlichen glückwunsch, ich bin mir sicher, dein mandant freut sich riesig :wink:
Das glaub ich auch, bücherwurm03 :D - ist ja doch eine ganz schöne Belastung, so ein Verfahren!

Herzlichen Glückwunsch auch von mir an nanoq und ihren Mandanten!!

Verfasst: Fr 14. Mär 2008, 15:26
von Breithaupt
@nanoq und Mandant:
Herzlichen Glückwunsch für den erfolg und die Zähigkeit, sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen! :D
(Meine Vorredner haben eigentlich alles Sonstige schon gesagt.)