Abmahnungen via EMail anerkannt!!

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Erzkanzler
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Abmahnungen via EMail anerkannt!!

Beitrag von Erzkanzler »

jetzt geht das wohl noch schneller:

http://winfuture.de/news,53306.html" onclick="window.open(this.href);return false;

cu
Erzkanzler
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"Nimm einem stolzen Hirsch sein Geweih.
Was bleibt übrig?
Ein großes Karnickel."
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PaulPic
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Re: Abmahnungen via EMail anerkannt!!

Beitrag von PaulPic »

Vielen Dank für den Hinweis!
Er riet insbesondere Geschäftsleuten, angesichts dieser Entwicklung ihr E-Mail-Postfach täglich zu prüfen. Dies sollte auch für den Inhalt des Spam-Ordners gelten.
Dieser Rat greift nicht: Wenn die E-Mail gar nicht ankommt, kann man noch so oft überall gucken.

Ich hatte neulich einen Fall, wo eine E-Mail avisiert war und nicht kam; mit dem Absender wurde in separaten E-Mails der Stand der Dinge erörtert. Die E-Mail kam auf keiner der ausprobierten Adressen an. Schließlich haben wir einen US-Dienst probiert, wo es ging.

So konnte ich diese E-Mail später systematisch testen und die Ursache herausfinden: Das Wort "Vitaminspritze" war der Auslöser für die bei den unterschiedlichen deutschen Providern (eigene Server, Yahoo, GMX) installierten automatischen Spam-Filter. Für die automatischen Spam-Filter der Amis ist dieses Wort offensichtlich uninteressant.

Wir leben in einem Rechtsstaat. Das Hamburger Landgericht hat sich früher schon unsterblich durch Inkompetenz und Ignoranz blamiert (siehe das berüchtigte und unsägliche Disclaimer-Urteil). Dieses kurzsichtige und empörende Urteil muss angefochten werden, ist doch klar. Frage nur, wer das auf sich nimmt.

Man kann sich auf E-Mails generell nicht verlassen, leider. Siehe beispielsweise die vielen vermissten bl-Verkaufsbestätigungen.
Paul
barbara
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Re: Abmahnungen via EMail anerkannt!!

Beitrag von barbara »

Ich meine auch, das ist ein selten weltfremder Richter. Jeder der beruflich viel per Emails korrespondiert, erlebt regelmäßig, dass welche nicht ankommen. Ich hatte gerade den Fall, dass die "Nichtzustellungsmeldung" nach über einer Woche kam :roll: . Wenn das Urteil von der nächsten Instanz nicht kassiert wird, dann stimmt was nicht in Deutschland. (obwohl ich mir mit letzterem manchmal nicht sicher bin)
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Kohagie
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Re: Abmahnungen via EMail anerkannt!!

Beitrag von Kohagie »

Hallo zusammen,

ich habe mir gerade das Urteil durchgelesen.
Es stritten sich hier zwei Anwälte und ich finde,
daß man das Urteil nicht verallgemeinern sollte,
zumal in der Headline auch steht "könnte".

LG
Hartmut
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PaulPic
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Re: Abmahnungen via EMail anerkannt!!

Beitrag von PaulPic »

Urteil lesen ist immer gut und empfehlenswert. Aber was finde ich da?
Bei der Antragsgegnerin wurde die Email-Abmahnung nicht zur Kenntnis genommen, weil sie von der “Firewall” abgefangen wurde. [...]

Der Antragsteller meint, dass es ihm nicht anzulasten sei, dass die Antragsgegnerin eine Firewall installiert habe, die Emails aufhalte. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen. [...]

Die Kammer vertritt mit der herrschenden Meinung (vgl. Zöller-Herget, ZPO, 27. Aufl., § 93, S. 431, Stichwort “Wettbewerbsstreitigkeiten”) die Auffassung, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Abmahnung nicht zugegangen ist, beim Adressaten, also dem Abgemahnten liegt (zum Sach- und Streitstand Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 12, Rz. 1.29 ff m.w.N.). Nach zutreffender Ansicht trägt das Risiko, dass die Abmahnung auf dem Postweg verloren geht, der Abgemahnte, da es sich bei der Abmahnung letztlich um eine Wohltat für den Schuldner handelt, der auf diese Weise Gelegenheit erhält, die Angelegenheit kostengünstig beizulegen (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 09.01.2007, Az. 416 O 307/06, Rz. 18 zit. n. juris). Auch wenn nicht festgestellt werden kann, ob das Abmahnschreiben dem Beklagten zugegangen ist oder nicht, ist für eine Kostenentscheidung nach § 93 ZPO kein Raum (BGH, GRUR 2007, 629). Diese Grundsätze wirken sich auch im vorliegenden Fall aus, in dem die Abmahnung per Email unstreitig abgeschickt, aber von der Firewall der Antragsgegnerin aufgehalten worden ist. Das Risiko, dass die Email verloren geht, hat der Abgemahnte zu tragen. [...]

Darüberhinaus hat nach Auffassung der Kammer die Email vorliegend als zugegangen zu gelten. Denn von einem Zugang ist auszugehen, wenn eine Willenserklärung und dementsprechend eine geschäftsähnliche Handlung so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (BGHZ 67, 271, 275; BGH, NJW 2004, 1320, 1321). Abmahnungen, die per Email übermittelt werden, sind zugegangen, wenn sie an eine vom Empfänger im geschäftlichen Verkehr verwendete Email-Adresse geschickt wurden und in der entsprechenden Mailbox des Empfängers angekommen sind (Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, § 12 Rz. 1.30; Münchener Kommentar zum BGB-Einsele, 5. Aufl. Band 1, § 130 Rz. 17 f.). Wenn die Email in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, ist der Zugang für den Zeitpunkt anzunehmen, zu dem mit einer Kenntnisnahme üblicherweise gerechnet werden kann. Dem Ankommen in der Mailbox entspricht es, wenn eine Email üblichen Umfangs, die wie hier bei Rechtsanwalt XXXXX laut dessen eidesstattlicher Versicherung vom 27.05.2009 problemlos angekommen ist, in anderen Mailboxen von einem Sicherungssystem des Empfängers wie einer so genannten Firewall aufgehalten und an anderer Stelle als der Mailbox zwischengespeichert wird. Auch in einem solchen Fall kann mit der Kenntnisnahme innerhalb ein oder zweier Arbeitstage üblicherweise gerechnet werden. Denn der Zugang der Kontrollmail und der Umstand, dass die Email nicht “zurückkommt” begründen eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Email auch an anderer Adresse angekommen ist. Auch bei einem während Krankheit, Urlaub oder Haft im Briefkasten oder einer Mailbox eingegangenen Schriftsatz ist Zugang anzunehmen, da unter normalen Umständen mit Kenntnisnahme zu rechnen ist (vgl. Münchener Kommentar zum BGB-Einsele, 5. Aufl. Band 1, § 130 Rz. 19). Vorliegend hat es, wie die Antragsgegnerin vorgetragen hat, einen Zustellversuch gegeben, die Mail wurde aber von der Firewall aufgehalten, so dass kein Sachbearbeiter sie gesehen hat. Die Email ist auch unstreitig nicht an den Antragsteller zurückgesendet worden. Demnach war die Email in der Firewall im Machtbereich der Antragsgegnerin angekommen und gilt als zugegangen, weil unter normalen Umständen damit gerechnet werden konnte, dass die Email zur Kenntnis genommen werden würde.

(Volltext)
Wenn ich den Vortrag richtig interpretiere, ist unstrittig, dass die E-Mail in der Mailbox des Empfängers gelandet ist. Sein privater Filter (hier "Firewall" genannt) soll die E-Mail seiner Aufmerksamkeit entzogen haben.

Frage: Ist das der Vortrag des Beklagten oder der Anwälte? Hier wird auf den Schriftverkehr der Parteien verwiesen, der allerdings nicht veröffentlicht ist.

Wenn die E-Mail zugestellt wurde, ist er sicherlich zuständig. Analog wäre er auch dafür verantwortlich, dass ein Brief auf dem Weg von seinem Briefkasten ins Büro nicht verlorengeht und dort sorgfältig beurteilt wird, bevor er im Papierkorb verschwindet.

Frage: Wie haben die festgestellt, dass die E-Mail angekommen ist? Offenbar gar nicht. Als Beweismittel wird explizit nur die BCC genannt. Dementsprechend wird auch nur von einer hohen Wahrscheinlichkeit geredet, dass die E-Mail angekommen sein müsste.

Ich schließe daraus, dass der Beklagte nicht behauptet hat, dass die E-Mail nicht angekommen sei, sondern lediglich, dass er sie nicht zur Kenntnis bekommen habe. Außerdem wird er vermutlich selber seinen Filter ins Spiel gebracht haben, denn wer sonst sollte davon wissen? Insbesondere streitet er wohl nicht ab, dass er die E-Mail hätte zur Kenntnis nehmen können (was darauf hindeutet, dass sein Filter die E-Mail nicht löscht, sondern nur in ein anderes Verzeichnis verschiebt). Und damit hat er verspielt.

Nun müsste man die folgende Quelle genauer untersuchen, auf die das Gericht sich beruft: Abmahnungen, die per Email übermittelt werden, sind zugegangen, wenn sie an eine vom Empfänger im geschäftlichen Verkehr verwendete Email-Adresse geschickt wurden und in der entsprechenden Mailbox des Empfängers angekommen sind (Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, UWG, 27. Aufl. 2009, § 12 Rz. 1.30; Münchener Kommentar zum BGB-Einsele, 5. Aufl. Band 1, § 130 Rz. 17 f.).

Hier wird wieder davon ausgegangen, dass die Mail angekommen ist. Wie wird das festgestellt? Am besten dadurch, dass der Empfänger das bezeugt.

E-Mails gelten inzwischen wohl grundsätzlich ziemlich weitgehend (bis auf die Unterschriftsfähigkeit) und zu Recht als vollwertige Mitteilungen im Geschäftsverkehr - vorausgesetzt, sie erreichen ihr Ziel. Das ist in diesem Fall aber anscheinend gar nicht abgestritten worden. Also viel Lärm um nichts.

Wenn die betreffende E-Mail gar nicht angekommen wäre, wäre das Urteil tatsächlich unverständlich, denn der Beklagte hätte ja gar nicht davon wissen können. Das Problem ist von uns ganz klar benannt worden: Die Zustellung einer E-Mail kann grundsätzlich nicht garantiert werden.

Frage: Kann die Zustellung eines Briefes garantiert werden? Wie gehen die Juristen damit um?

Grundsätzlich endet die Pflicht des Absenders am Briefkasten. Wenn der Absender also nachweisen kann, dass der Brief ordnungsgemäß frankiert und adressiert im Kasten gelandet ist, hat er seinen Teil getan. Er kann dann davon ausgehen, dass der Brief ankommt, auch ohne dass er gleichzeitig einen identischen Brief an eine andere Adresse schickt (die Analogie zu BCC). Hier sieht man aber sehr schön, dass die Analogie nicht trägt. Ob der Brief tatsächlich von der Post zugestellt worden ist, kann in der Regel nicht nachgeprüft und auch nicht dadurch bewiesen werden, dass der Parallelbrief angekommen ist. Insofern muss man den Juristen einen simplen logischen Fehlschluss ankreiden.

Der Empfänger kann auch bei der Post immer behaupten, der Brief sei gar nicht in seinem Briefkasten gelandet (und gelegentlich wird dies auch als Entschuldigung genutzt - selbst umgekehrt nach dem Muster: Wie, mein Brief ist gar nicht bei Ihnen angekommen? Ich hatte Ihnen schon längst geschrieben!!!). Deshalb gibt es ein Einschreiben mit Rückschein, bei dem jemand mit Unterschrift den Empfang quittiert.

So etwas ähnliches hat man ja auch mit E-Mails versucht zu realisieren; ich weiß aber nicht, ob das funktioniert. Die Tatsache, dass jemand eine E-Mail geöffnet beziehungsweise sich geweigert hat, dies zu tun (Analogie: Einschreiben nicht angenommen), müsste an den Absender zurückgemeldet werden, und zwar ohne dass der Empfänger sich dagegen wehren kann. Ich kenne nur die Aufforderung zur Bestätigung, die ich regelmäßig ablehne, weil ich auf die E-Mail selbst schon reagiere, wenn dies notwendig ist.

Frage: Was aber nun, wenn der Empfänger seine Mailbox gar nicht erst öffnet? Was macht man mit dem Mitbürger, der seinen Briefkasten nicht leert (wenn er auf das Klingeln des Briefträgers für ein Einschreiben nicht reagiert, bekommt der Absender diese Nachricht zurück)? Besteht eine Pflicht, dies zu tun? Wenn ja, weitet man diese auf Mailboxen aus?

Natürlich möchte man grundsätzlich davon ausgehen, dass jemand Briefkasten und Mailbox leert, insbesondere bei Unternehmen. Es würde mich nicht wundern, wenn dies bei Firmen sogar gesetzlich vorgeschrieben ist.

Auf jeden Fall ist die Überschrift Gerichte erkennen Abmahnungen via E-Mail an so nicht korrekt. Das ist reißerisch und entspricht nicht dem Sachvortrag. Es ging ausdrücklich nicht darum, ob eine Abmahnung, die per E-Mail verschickt wird, gültig ist oder nicht.

Abgesehen davon: Der Sachverhalt als solcher erscheint mir auch sehr merkwürdig zu sein. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat der Beklagte eine Art Anzeigenseite, auf der ein Anwalt widerrechtlich als Fachanwalt bezeichnet worden ist, wobei ich in einem solchen Fall davon ausgehen würde, dass der betreffende Anwalt diese Seite verantwortet und deshalb zur Rechenschaft gezogen werden müsste, nicht jedoch der Betreiber der Seite. Dieser scheint sich jedoch dem Vorwurf voll zu stellen und ist bereit, einen Gegenstandswert von 10.000 € zu akzeptieren. Er kämpft lediglich um einen geringeren Gegenstandswert. Ja mei.
Paul
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