Viveca Sten: Kalt und still

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subechto
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Viveca Sten: Kalt und still

Beitrag von subechto »

Minus 20 Grad

So gut die Sandhamn-Reihe auch war, „Kalt und still“, der neue Polarkreis-Krimi von Viveca Sten ist noch besser, spannender. Worum geht es?
Nach einem gruseligen Prolog lernen wir Polizistin Hanna Ahlander aus Stockholm kennen. Für sie kommt es gerade knüppeldick: Job weg, Freund weg. Nur ihre Schwester Lydia hält zu ihr und bietet Hanna ihr Ferienhaus in Åre an.
Åre im Dezember. Es schneit, die Temperaturen sinken. Hanna hilft bei der Suche nach Amanda, die nach einer Party nicht nach Hause gekommen ist und kommt so in Kontakt mit Polizeikommissar Daniel Lindskog und seinen Kollegen Anton und Raffe.
„Kalt und still“ ist gut und leicht zu lesen. Ab und zu sind Abschnitte in Kursivschrift eingestreut: Wo ist Amanda? Selbst wenn der Leser der Polizei immer einen Schritt voraus ist, wird dennoch Spannung aufgebaut - und gehalten. Es ist auch ein Buch, das Menschenhandel thematisiert.
Die Figurenzeichnung ist glaubhaft und durchdacht. Hanna kommt sympathisch rüber. Aber ihre Alleingänge bringen sie in Gefahr. Daniel neigt zu Wutausbrüchen. Zwei, die sich erst einmal zusammenraufen müssen. Gerne werde ich die Fortsetzung lesen.

Fazit: Vielversprechender Auftakt einer neuen schwedischen Krimi-Reihe. Atmosphärisch.
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Vandam
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Re: Viveca Sten: Kalt und still

Beitrag von Vandam »

Das hab ich jetzt auch gelesen. Ich bin jetzt nicht soooo begeistert, aber ich glaub', das ist einfach nicht ganz mein Genre.

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Viveca Sten: Kalt und still. Ein Polarkreis-Krimi. Der erste Fall für Hanna Ahlander, OT: Offermakaren, aus dem Schwedischen von Dagmar Lendt, München 2022, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-26338-2, Klappenbroschur, 510 Seiten, Format: 13,6 x 3,45 x 21 cm, Buch: EUR 16,95 (D), EUR 17,50 (A), Kindle: EUR 12,99. Auch als Hörbuch und Multimedia-CD lieferbar.

„Das Vertrauen, das Harald sein ganzes Leben lang in seine Mitmenschen gesetzt hat, liegt in Trümmern. Er hat von Menschen gelesen, die widerwärtige Taten begangen haben. Er hat nur nie geglaubt, dass es ihn selbst treffen könnte.“ (Seite 343)

Dezember 2019: Hanna Ahlander, 34, Ermittlerin im Distrikt Stockholm-City, ist eine fähige Polizistin, wenn es ihr auch manchmal an professioneller Distanz mangelt. Aber sie hat ein belastendes Lebensthema: die Angst, „nicht gut genug“ zu sein. Und das wird manchmal zum Problem.

In den Augen ihrer Eltern war Hanna immer unzulänglich. Sie hätten auf diesen Nachkömmling gut verzichten können. Mit ihrer klugen und erfolgreichen „großen“ Tochter Lydia (44) waren sie vollauf zufrieden. Hanna konnte ihr in keiner Weise das Wasser reichen und war ihnen hauptsächlich lästig. Ein Wunder, dass die beiden Schwestern sich trotzdem so gut verstehen!

Hannas Leben gerät aus den Fugen
Als Hannas Leben aus den Fugen gerät, weil sie praktisch im selben Moment ihren Job, ihren Lebensgefährten und ihr Zuhause verliert, bietet Lydia ihr Unterschlupf in ihrem luxuriösen Ferienhaus in Åre an, einem beliebten Wintersport-Ort in Nordschweden. Bei der Gelegenheit klärt die resolute Juristin die Verursacher der diversen Katastrophen auch gleich darüber auf, wo der Spaß aufhört. Nein, man kann Mitarbeiter:innen nicht „einfach so“ fristlos vor die Tür setzen. Und langjährige Lebensgefährtinnen auch nicht, selbst, wenn man unverhofft ein jüngeres und geschmeidigeres Modell gefunden hat.

Hanna zweifelt trotzdem an sich. War es ein Fehler, sich mit ihrem Chef anzulegen und ihr eigenes Gewissen über den Corpsgeist zu stellen? War sie für ihren Lebenspartner, den Immobilienmakler Christian, nicht attraktiv genug? Kritisiert hat er sie ja ständig. Hanna fühlt sich nutzlos und unverstanden. Das ändert sich erst, als an ihrem vorübergehenden Wohnort die 18jährige Abiturientin Amanda Halvorsson verschwindet. Sie ist von einer Party nicht mehr nach Hause gekommen. Wenn sie da draußen irgendwo herumirrt, zählt jede Minute, denn die Temperaturen liegen derzeit bei minus 20 Grad.

Neustart in Åre
Um sich von ihren Problemen abzulenken, schließt Hanna sich der ehrenamtlichen Organisation „Missing People“ an, deren Ortsgruppe die vermisste junge Frau sucht. Dabei schnappt sie so einiges auf, das den ermittelnden Beamten vielleicht weiterhelfen könnte. Sie fasst sich ein Herz und bittet um einen Gesprächstermin. Tatsächlich sind manche ihrer Infos für die örtliche Polizei von Nutzen.

Kommissar Daniel Lindskog (36) und seine Kolleg:innen sehen in Hanna eine mögliche Verstärkung ihres unterbesetzten Teams. Wenn sie derzeit keinen Job hat, könnte sie doch für ein paar Monate bei ihnen einspringen! Hanna gefällt die Idee. Endlich mal jemand, der sie und ihre Arbeit wertschätzt! Und so ermittelt sie bald offiziell mit.

Die verschwundene Amanda hat offenbar viele Geheimnisse – vor allem vor ihren konservativen Eltern. Von ihrer Beziehung zum vorbestraften Viktor hatten der Lokalpolitiker und die Physiotherapeutin zum Beispiel keine Ahnung. Und haben die sich wirklich nie gefragt, woher ihre Tochter das Geld hat, das sie offensichtlich ausgibt? Von ihnen nicht. Und Nebenjobs haben sie ihr strikt verboten, damit sie sich voll aufs Lernen konzentrieren kann. Sie muss aber eine wie auch immer geartete Arbeit gehabt haben, doch ihre Freundin Ebba rückt nicht mit der Sprache raus.

Eine Familie mit Geheimnissen
Sehr viel mehr wissen wir Leser:innen auch nicht. Nur, dass Amanda bei diesem „Job“ auf irgendwelche Unregelmäßigkeiten gestoßen sein muss, die sie sehr belastet haben. Hat sie sich deshalb mit einem übermächtigen Gegner angelegt, der sie nun … ja, was? … entführt hat? Ermordet hat? Alles, was man bisher von Amanda gefunden hat, ist ihr Schal am Straßenrand.

Amandas Vater, Harald Halvorsson, ist auch nicht ganz der Saubermann, den er seinem Umfeld vorspielt. Wollte ihm jemand was heimzahlen und hat deshalb seiner Ältesten etwas angetan? Er traut sich nicht, mit seinem Verdacht zur Polizei zu gehen. Zu viel steht auf dem Spiel. Da unternimmt er lieber selbst etwas. Und das ist, wie erfahrene Krimileser:innen wissen, nur selten eine gute Idee.

Was ist mit Amanda passiert?
Mit der Zeit beschleicht Hanna das Gefühl, dass in dieser noblen Gemeinde so einiges faul ist. Auch mit einer Person, die hier für ihre Schwester Lydia arbeitet, scheint etwas nicht zu stimmen. Hanna geht der Sache aus rein privatem Interesse nach. Es wäre vielleicht nicht schlecht gewesen, wenn sie ihre Kollegen davon in Kenntnis gesetzt hätte …

Was ist mit Amanda passiert? Wo ist sie nur hineingeraten? Und in welchem Wespennest stochert die ortsfremde Hanna gerade herum?

Nicht ausschließlich deprimierend
Mit den skandinavisch-düsteren Kriminalromanen habe ich es eigentlich nicht so, aber einem mysteriösen Vermisstenfall kann ich nicht widerstehen. Deshalb habe ich mir diesen Krimi geholt. Spannend ist er und nachvollziehbar ist er auch. Ich habe ihn in einem Rutsch ausgelesen. Die Personen haben zwar alle Probleme, aber die Stimmung ist zum Glück nicht pausenlos deprimierend. Hannas kindische Racheaktion an ihrem Ex-Partner hat schon wieder komische Momente, und ich mag die „große Schwester“ Lydia, die jedem noch so aufgeblasenen Wichtigtuer völlig unbeeindruckt klarmacht, wo der Frosch die Locken hat.

Ob meine Begeisterung ausreicht, um diese Reihe weiter zu verfolgen, kann ich noch nicht sagen. Der Roman ist packend und unterhaltsam, das „kann man lesen“, es ist aber, wie gesagt, nicht ganz mein Genre.

Ach ja: Kennt sich zufällig jemand mit schwedischem Namensrecht aus? Ich frage mich, wie der italienischstämmige Kommissar zu seinem schwedischen Familiennamen kommt. Hat er den von seinem Vater, mit dem seine italienische Mutter nie verheiratet war? Von seiner Ehefrau? So etwas beschäftigt mich!

Die Autorin
Viveca Anne Bergsted Sten, geb. 1959 in Stockholm, ist Juristin und eine der bekanntesten schwedischen Krimiautorinnen der Gegenwart. Mit ihrer Familie lebt sie nördlich von Stockholm. Seit ihrer Kindheit verbringt sie jeden Sommer auf Sandhamn in den Schären. Im Winter aber reist sie zum Skifahren nach Åre - dem Schauplatz ihrer neuen Reihe. Viveca Stens Sandhamn-Serie gehört zu den erfolgreichsten Krimiserien aus Skandinavien und lieferte den Stoff für den TV-Serienhit Mord im Mittsommer. Ihre Bücher sind in 24 Sprachen übersetzt.

PS: Eine befreundete Schweden-Kennerin hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass die Reihe unter falscher Flagge segelt: Der Untertitel „Ein Polarkreis-Krimi“ stimmt nicht. Der Handlungsort liegt nicht am Polarkreis, und die Handlung der Folgebände führt laut ihrer Recherche auch nicht dort hin .Ich sag's nur.
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