Michael Bremmer, Veronika Grüning: Gangs of Katzenstadt. Roman

Stellen Sie ein Buch detailliert vor - mit Inhaltsangabe und Ihrem Urteil.
Antworten
Benutzeravatar
Vandam
Beiträge: 1603
Registriert: Do 22. Sep 2005, 15:40
Kontaktdaten:

Michael Bremmer, Veronika Grüning: Gangs of Katzenstadt. Roman

Beitrag von Vandam »

Bild

Michael Bremmer, Veronika Grüning: Gangs of Katzenstadt. Roman. München 2022, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-22035-1, Softcover, 283 Seiten mit s/w-Illustrationen von Veronika Grüning, Format: 11,9 x 1,9 x 18,6 cm, Buch: EUR 11,95 (D), EUR 12,30 (A), Kindle: EUR 9,99.

Der Reverend blickte nachdenklich zu den anderen Katzen. „Sie wollen, dass in Katzenstadt keine Katze mehr frei herumläuft“, sagte er. […]
„Wir müssen diese Leute aufhalten. Um jeden Preis“, sagte Banks.
„Banks hat recht, stimmte Bandini zu. „Aber dafür brauchen wir einen ausgefeilten Plan. Und jede Menge Glück.“
„Wir müssen jetzt sehr wachsam sein“, sagte der Reverend ernst.

(Seite 193)

Im Mittelalter haben die Fürsten von Fur ein Städtchen gegründet, dessen Umrisse einem Katzenkopf ähnelt. Kein Wunder, dass die Gemeinde irgendwann von „Fur“ in „Katzenstadt“ umbenannt wurde. Dass sich dort in jüngerer Vergangenheit eine Katzenfutterfabrik angesiedelt hat, hat perfekt gepasst und der Gemeinde ordentlich Geld in die Kasse gespült.

Von Katzenstadt zur Geisterstadt
Heute gleicht die Katzenstadt einer Geisterstadt. Der Inhaber der Katzenfutterfabrik ist unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen, die Firma ist geschlossen, und die Medien haben die Katzen des Ortes zu „Killer-Katzen“ hochstilisiert. Der Großteil der menschlichen Bewohner ist danach Hals über Kopf weggezogen. Jetzt leben nur noch wenige Zweibeiner hier, wie zum Beispiel die Tierärztin, der Bürgermeister, der Bankdirektor und sein Sohn – ein Fotograf – und „der Glatzkopf“, der vor kurzem mit seinen drei Hunden in das alte Jagdhaus am Stadtrand gezogen ist.

Zurückgeblieben sind rund 30 Katzen, vor denen sich ihre Menschen nach dem Medienrummel so sehr gefürchtet haben, dass sie sie nicht in ihr neues Zuhause mitnehmen wollten. Nun leben die Tiere eben alleine: Bandinis Fabrik-Gang, die Katzen vom Schlosspark, die Outcasts auf der Müllhalde, die Bildungsbeflissenen in der verlassenen Bibliothek und noch ein paar kleinere Gruppierungen und Einzelkämpfer:innen.

Katzen verschwinden!
Es läuft alles ganz wunderbar, auch ohne Menschen – bis auf einmal Katzen verschwinden und tot oder verstümmelt wiedergefunden werden. Fremde Menschen kommen in die Stadt und versuchen mit brutalen Mitteln, die Katzen von ihren angestammten Plätzen zu vertreiben.

Auch wenn die verschiedenen Katzengangs sonst nicht viel miteinander am Hut haben: Jetzt müssen sie zusammenarbeiten, wenn sie das Schlimmste verhindern wollen! Renfield, der alte Kater vom Kiosk, hält sie alle zusammen. Bandini, die clevere Chefin der Fabrik-Gang und der belesene Kater Spinoza, der aus unerfindlichen Gründen bei den Asi-Katzen auf der Müllhalde haust, forschen nach und schmieden raffinierte Pläne. Dafür spannen sie, je nach deren Fähigkeiten, Katzen aus allen Gangs ein.

Der schwarz-weiße Reverend wird als Beobachter eingesetzt, Perserkater Ballhaus – der mit der Kamera um den Hals – dokumentiert das Geschehen, das naive und etwas tollpatschige Katzenmädchen Tiga aus dem Schlosspark verdingt sich als Katzen-Model um den Fotografen im Auge zu behalten. Marlowe von den Bibliothekskatzen wühlt sich durchs Zeitungsarchiv und sogar der depressive Kater Harold, der nicht umsonst nach dem Helden des Films „Harold und Maude“ benannt ist, bekommt eine wichtige Aufgabe, was ihn ungewöhnlich glücklich macht. 😊 Nur Inge, die Empfangskatze der Tierärztin, bleibt außen vor. Die ist zwar lieb und freundlich, aber zum Helfen schlichtweg zu dumm. Das kann man nicht anders sagen.

Was geht hier vor?
Was geht hier vor? Wer steckt dahinter? Dieselben Leute, die damals beim Tod des Katzenfutterfabrikanten die Tiere in Verruf gebracht haben? Wenn ja, warum? Greifbar ist zunächst nur der Handlanger der Finsterlinge, der Glatzkopf, der neuerdings mit seinen Hunden im alten Jagdhaus wohnt. Der ist rabiat aber nicht besonders helle. Sollten die Katzen es schaffen, ihn aus der Stadt zu vergraulen, würde das nicht viel bringen. Da wäre bald der nächste da. Es hilft alles nichts: Sie müssen die Motive in Erfahrung bringen und die Hintermänner erwischen.

Hilfe kommt von gänzlich unerwarteter Seite …

Nichts für Kinder
Es hat eine Weile gedauert, bis ich mit dem Buch warm geworden bin. Vom Thema her dachte ich zunächst, es sei ein Jugendbuch. Doch dafür ist es zu grausam. Abgehackte Pfoten, anderweitig malträtierte Tiere, die morbid-makaberen Fantasien von Kater Harold … das ist eindeutig nichts für Kinder. Die würden auch die (pop-)kulturellen Anspielungen nicht verstehen. Das Buch richtet sich an erwachsene Leser. Es ist ein Mix aus schwarzhumoriger Tier-Fantasy und brutalem Krimi.

Die Zwischenüberschriften!
Als nervig empfand ich, dass es das ganze Buch hindurch alle 15 bis 20 Zeilen eine Zwischenüberschrift gibt, so als bestünde das Buch aus einer Abfolge von vielen gleich wichtigen Pressemeldungen. In Verbindung mit den kurzen Sätzen wird das Lesen damit zu einem hektischen Stakkato. Mit der Zeit habe ich gelernt, die Zwischenüberschriften zu ignorieren. Und je mehr Tempo und Spannung in die Geschichte kam, desto besser passte diese atemlose Erzählweise.

Das Ende der Geschichte ist nur ein vorläufiges. Noch ist der Fall nicht abschließend geklärt. Es wird also mindestens einen Folgeband geben. Ob ich da nochmals mit von der Partie bin, kann ich noch nicht sagen. Die Tierpersönlichkeiten in dem Band sind klasse, wenn es auch ein bisschen viele sind. Aber da ist das „Personen“-Verzeichnis am Ende des Buchs eine große Hilfe!

Tolle Helden. Aber die Story?
Ich weiß nur nicht so recht, was ich von der Story halten soll. Die ist so angelegt, dass man die Hunde und die meisten der Menschen hassen soll. Aber so, wie die Hunde behandelt werden, tun sie den Leser:innen eher leid. Und selbst der Drahtzieher, der hier in einer Tour Böses tut, hat eine tragische Vorgeschichte (na ja, eine tragisch-komische!) und man kann seine Beweggründe nachvollziehen. Nicht gutheißen, aber verstehen. Statt des erwachsenen M i s t k e r l s sah ich immer nur das misshandelte Kind.

Alles in allem bin ich nicht restlos überzeugt von dem Buch. Ich mag die tierischen Held:innen aber nicht so sehr die Story und die Erzählweise.

Der Autor und die Illustratorin
Veronika Grüning, geb. 1975, ist Holzbildhauerin und Grafikdesignerin.
Michael Bremmer, geb. 1968, arbeitet als Redakteur bei der ›Süddeutschen Zeitung‹. 1996 erschien sein Kinderbuch ›Henriette Findelschwein‹. Die beiden leben mit ihren Katzen namens Bandini und Bonnie in München.
Antworten