Sophia Hartlieb - Das Collier mit der Herzblume

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ann-marie
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Registriert: Mi 26. Feb 2020, 06:28

Sophia Hartlieb - Das Collier mit der Herzblume

Beitrag von ann-marie »

Die erste Liebe bleibt trotz Trennung

Die Autorin legt ihrem Roman, der auf zwei Zeitebenen spielt, eine ungewöhnliche Blume zu Grunde: die s.g. Herzblume, auch unter der Bezeichnung "Tränendes Herz" bekannt. Diese Blume findet sich nicht nur bereits auf dem Cover des gut 420 Seiten starken Romans wieder, sondern wurde in jede Kapitelüberschrift des Romans eingefügt. Eine Blume und deren Verwendung im vorliegenden Roman haben mich sofort angesprochen und neugierig gemacht – aus dem einfachen Grund, weil mir diese Blume bestens bekannt ist und persönliche Erinnerungen daran geknüpft sind.
Nach diesen einleitenden Worten nun mein Eindruck über einen Roman, der mich bereits von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen hat. Beginnend in der Gegenwart und dem Beginn einer gemeinsamen Reise der inzwischen gut 90jährigen Hauptprotagonistin Charlotte und ihrer knapp zwanzigjährigen Enkelin Hanna aus London in den ehemaligen deutschen Heimatort Charlottes, ein kleines sauerländisches Dorf namens Hangeck. Dieser Ort musste einige Jahre nach Charlottes Wegzug einem Stausee weichen und ist aktuell nach Ablauf des Stauseewassers wieder zu sehen. Eine durchaus ungewöhnliche aber sehr kreative Romanidee, mit der gekonnt Auswirkungen der Ereignisse des Kriegsjahres 1943 in die aktuelle Zeit verknüpft werden.
Die Autorin schildert in einer allerdings relativen kurzen Zeitebene aus der Sicht der damals fünfzehnjährige Charlotte, ihrer gleichaltrige Freundin Ilse und dem um zwei Jahre ältere Paul auf sehr eindrückliche, empathische und auch bewegende Weise die letzten Sommermonate der drei Freunde im Jahr 1943. Dabei gelingt es der Autorin, die Unbeschwertheit dieser Teenagerzeit aber auch den neuen Gefühlen von Verliebtheit auf eine leichte und authentische Weise zu vermitteln. Aber auch die kriegsbedingten Gefahren aufzuzeigen, von denen der kleine Ort bisher verschont wurde aber nun doch immer näher rücken. Verschiedene Themen finden dabei zum Teil auf bedrückende Weise Berücksichtigung: das Verstecken von Juden und sich die dadurch ergebenden zunehmenden familiären Konflikte, Denunziantentum, das "Verschwinden" jüdischer Mitbewohner, die unerwartete Einberufung von vom Kriegsdienst zurückgestellten Männern, die Unbedachtheit und Unüberlegtheit von Ilse, deren aus Eifersucht geborener Plan letztendlich tödliche Folgen nach sich zieht.
Die zweite Zeitebene des Romans ist der Gegenwart gewidmet und man begegnet einer über viele Jahrzehnte geprägte charakterstarken und selbstbewussten Charlotte. Obwohl sie bereits 1943 ihren Heimatort verlassen hat und kurz nach Kriegsende nach England umgezogen ist, kann sie ihrer Enkelin mit detaillierten Schilderungen und Erinnerungen das Dorf, so wie es einst war, wieder auferstehen lassen. Durch eine zufällige Begegnung und mit zeitlichem Verzug gelingt sogar ein Treffen mit Paul, dem Freund und der ersten Liebe aus Kindertagen. Beide geprägt durch die individuellen Erfahrungen, Entscheidungen, Schicksalsschläge der vielen Jahre der Trennung haben sich beide natürlich weiterentwickelt – ob aber die einstigen Gefühle zueinander diese lange Zeit überstanden haben, soll hier nicht verraten werden. Allerdings so viel, dass es der Autorin gelungen ist, diese beiden "in die Jahre" gekommenen Protagonisten lebensecht und authentisch darzustellen und man sich sehr gut und leicht mit ihnen identifizieren kann. Teilweise amüsante Aufeinandertreffen, teils aber auch harte Auseinandersetzungen – mit sehr viel Verständnis und Einfühlungsvermögen zu Papier gebracht.
Ein Roman, der mich von der ersten Seite an begeistert hat. Der über einen leichten Schreibstil und doch anspruchsvolle und spannende Themen behandelt. Obwohl zwei verschieden Zeitebenen, werden diese auf eine harmonische und problemlose Weise miteinander verbunden. Ein wirklich gelungener, abwechslungsreicher und auch spannender Roman, den ich sehr gerne weiterempfehle.
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