Der feine Baron zu Guttenberg

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Marcus T. Cicero
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Marcus T. Cicero »

Das Guttenberg Comeback: Phase 1 "Die Rückkehr ins Rampenlicht" abgeschlossen.

Guttenberg hat sich mit dem ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo 3 Tage lang in London für ein Interview getroffen, das in Buchform veröffentlicht wird (http://www.herder.de/aktuelles/aktuelle ... 9490&k_tnr). In der ZEIT von dieser Woche findet man einen Vorabdruck.

Ergebnis

I.

Unser Baron bestreitet nach wie vor, absichtlich oder vorsätzlich abgeschrieben zu haben. Die auf 94,4 Prozent der Seiten seiner Arbeit zu findenden Plagiate seien das Ergebnis einer jahrelangen chaotischen Arbeitsweise. Diese führte dazu, dass er nicht mehr wusste, was von ihm stammte und was nicht.

Nehmen wir mal an, man erwischt einen Dieb, in dessen üppiger Wohnung man zu 94,4 Prozent Diebesgut findet. Der Dieb bestreitet nach anfänglichem Leugnen nicht mehr, dass es sich nicht um sein Eigentum, sondern um Diebesgut handelt. Er wehrt sich allerdings vehement dagegen vorsätzlich geklaut zu haben: vielmehr seien die Sachen ursprünglich nur geborgt gewesen. Sie konnten bloß aufgrund einer chaotischen Arbeitsweise, die dazu führte, dass er nicht mehr wusste, was von ihm stammte und was nicht, nicht mehr den rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben werden.

Guttenbergs versehentlicher geistiger Diebstahl geschah ja auch nur EINTAUSENDZWEIHUNDERTACHTZEHNMAL
(http://de.guttenplag.wikia.com/wiki/GuttenPlag_Wiki).

Käpt'n Blaubär und Baron Münchhausen würden beim Hören solcher Geschichten „Willkommen im Club!“ rufen. :D

II.

Mit dem Bayreuther Professor Lepsius hat Guttenberg wegen dessen Betrugsvorwurfs (und anderer Aktivitäten im Februar) noch eine Rechnung offen. Lepsius‘ Reaktion auf das Interview:

„Seine jüngsten Äußerungen lassen offen, ob er schlicht lügt oder einen Realitätsverlust erlitten hat. Seine politischen Rundumschläge sprechen für Letzteres.“ :D

Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/inte ... -1.1219143

III.

Auch die CSU ist mit ihrem einstigen Liebling derzeit nicht recht zufrieden:

‘‘„Die Parteienkritik von Karl-Theodor zu Guttenberg liegt völlig daneben“, sagte der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer am Donnerstag am Rande seiner Tschechien-Reise in Aussig (Ústí nad Labem). „Es ist kein guter Stil, wenn alles und jeder herabgesetzt wird, um selbst erhöht zu werden.“
Seehofer bat Guttenberg, die „Wortgirlanden zu beenden“ und Rücksicht zu nehmen auf die Tausenden, die sich in deutschen Parteien täglich engagierten für die Zukunft des Landes. Der Wirtschaftsexperte und frühere CSU-Chef Erwin Huber sagte, für Guttenbergs Belehrungen gebe es kein Verständnis. …
Ex-Parteichef Huber sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“, die CSU habe Guttenberg „in einem sehr reichen Maße Solidarität gegeben, als er in Schwierigkeiten war“. Dass es dafür nun „Watschen für die eigene Partei“ gebe, sei mehr als erstaunlich.


Quelle: http://www.focus.de/politik/weitere-mel ... 87726.html

IV.

Der (Ex-Stoiber-Wahlkampf-) Medienberater Michael Spreng im Interview mit Liane von Billerbeck unter der bezeichnenden Überschrift „Mehr ein Showpolitiker als ein Substanzpolitiker“:

"von Billerbeck: Angenommen, Sie wären zu Guttenbergs Stratege. Was hätten Sie ihm denn geraten?

Spreng: Länger zu warten. Ich meine, er hat offenbar den brennenden Ehrgeiz, noch mal seine Version der Doktorarbeit zu erzählen und sich reinzuwaschen, aber Ehrgeiz ist da kein guter Ratgeber, um einen solchen Skandal zu bewältigen. Also, ich hätte ihm geraten, sich mehr Zeit zu lassen, mehr zur Besinnung zu kommen. Er verteilt ja auch schon wieder kräftig Schulnoten an seine alte Partei oder an die deutsche Politik. Also, das ist wie immer bei Guttenberg, wieder 'too much'. Und eine längere Zeit der Besinnung und dann im nächsten Herbst oder im Laufe des nächsten Jahres sich zurückmelden wäre etwas anderes gewesen.

von Billerbeck: Nun haben auch Sie gesagt - und das denken wir auch: Jeder Mensch, der einen Fehler gemacht hat, hat eine zweite Chance verdient, auch ein Politiker, also auch ein zu Guttenberg. Dennoch möchte man doch vorher so etwas wie Einsicht, Reue, um nicht Buße zu sagen, erleben. Davon kann ja nun keine Rede sein. Der "FAZ"-Journalist Jürgen Kaube hat gestern bei uns gesagt: Auch die Wiederkehr beginnt mit einem Schwindel. Was meinen Sie, Herr Spreng: Glaubt zu Guttenberg, all diese Regeln gelten nicht für ihn?

Spreng: Ja, er ist ja Gefangener seiner eigenen Argumentation. Dadurch, dass er behauptet, also er hätte gewissermaßen ... Als Chaot, der nicht zu vernünftigem wissenschaftlichen Arbeiten in der Lage ist, sei es zu diesen Plagiaten gekommen - das ist ja eine Version, die er braucht, ob sie jetzt stimmt oder nicht, die er braucht, um weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, einem Betrugsverfahren zu entgehen. Also, selbst wenn es anders gewesen wäre, kann er es ja nicht zugeben, weil er sich damit selbst belasten würde. Und damit ist er Gefangener seiner eigenen Argumentation."

Quelle: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1612798/

:D
Marcus T. Cicero
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Marcus T. Cicero »

Das Guttenberg Comeback: Phase 2 „Der Rundumschlag statt Reue und Buße“

Die heutige Presseschau:

„"Vorerst gescheitert" heißt das Buch, mit dem Karl-Theodor zu Guttenberg seine Rückkehr in die Politik vorbereiten wollte. Doch schon zum heutigen Erscheinungstag klingt der Titel seltsam veraltet. "Schon wieder gescheitert" wäre wohl passender.
"Mit dem Buch hat er sich die Rückkehr verbaut", sagen selbst seine Freunde in der CSU.
Oder besser: seine ehemaligen Freunde. Denn wer in diesen Tagen mit Mitgliedern aus Guttenbergs alter Bundestagsclique spricht, spürt vor allem Verärgerung. In der Plagiatsaffäre haben sie ihn immer verteidigt, manchmal "bis zur Selbstverleugnung".
Sie haben sich für Guttenberg prügeln lassen und ihm bis zuletzt die Treue gehalten. "Da erwartet man, dass auch was zurückkommt", heißt es in der Partei.
Was zurückkommt, sind herablassende Kommentare. Seitenlang macht sich Guttenberg in seinem Buch Gedanken darüber, wie schlecht es der CSU ohne ihn geht.“

Quelle: http://www.ftd.de/politik/deutschland/: ... 35603.html (Eigene Hervorhebung)

„Verspricht man den CSU-Gesprächspartnern, ihren Namen nicht zu nennen, dann reden sie freiweg schlecht über den Ex-Kollegen:
Ein "alberner, aufgeblasener Wicht" sei er, eine "Adelsplage", ein "Kunstkopf". Wie es aussieht, werden die CSU-Abgeordneten ihm nicht so schnell vergessen, dass er die eigene Partei mit "Spinnweben" überzogen genannt hat.“

Quelle: http://www.stern.de/politik/deutschland ... 56730.html (Eigene Hervorhebung)

Guttenbergs Buch wirft psychoanalytische Fragen auf:

„Uns liegt das Dokument einer an Dreistigkeit kaum zu überbietenden Selbstinszenierung vor. Was bei besonders durchsetzungsfähigen Persönlichkeiten als Chuzpe imponiert, kommt hier als schier unglaubliche Unverschämtheit und Unverfrorenheit daher. Guttenberg erweist sich als eine narzisstische Persönlichkeit, die von ihrer eigenen Großartigkeit und Einzigartigkeit so sehr überzeugt ist, dass sie sich von so "lästigen" Hemmungen wie Scham- und Schuldgefühlen befreit hat. …
Guttenberg greift zu Rechtfertigungen auf Schüler-Niveau, nach dem Motto: Aus der offensichtlichen Tatsache, dass ich mich saudoof angestellt habe und doch klar war, dass ein solches Abschreiben entdeckt werden musste, ist zwangsläufig zu folgern, dass ich es nicht absichtlich getan haben kann. Auch seine Kritiker würden ja sagen: "Wenn der Mann einen Rest an Intelligenz hat, dann hätte er anders getäuscht." Da seine Intelligenz über jeden Zweifel erhaben ist, kann er wohl nicht absichtlich getäuscht haben. Das ist eine Logik, die man selbst Dreizehnjährigen nicht durchgehen lässt.“

Quelle: http://www.stern.de/politik/deutschland ... 56615.html

Der bayrische Ministerpräsident Seehofer, welcher das von Guttenberg praktizierte Grundmuster, bei auftretendem Versagen die Schuld sehr schnell bei den anderen, als bei sich selbst zu suchen, kennt, äußerte sich ebenfalls psychoanalytisch:

"Wenn er jetzt den Kurs der CSU kritisiert, darf ich ihn daran erinnern, dass er bis vor acht Monaten Bezirksvorsitzender dieser CSU war. Da habe ich nichts vernommen davon, dass der Charakter der CSU als Volkspartei gefährdet sei", sagte er dem "Spiegel".
Er fügte an: "Ich erkenne an dem Auftritt von Karl-Theodor zu Guttenberg und an dem Interview viel von seiner Persönlichkeitsstruktur wieder. Diese Art und Weise, andere herabzusetzen, um sich selbst zu erhöhen, geht so aber nicht."

Quelle: http://www.abendblatt.de/politik/deutsc ... ritik.html (Eigene Hervorhebung Artikel von gestern)

Sogar die Guttenberg allzeit kritiklos ergebende und hofierende BILD-Zeitung schreibt:

„Bei seinen Comeback-Plänen muss der frühere CSU-Star mit heftigem Widerstand der Parteispitze in München rechnen.

In seiner politischen Heimat Oberfranken genießt der frühere Verteidigungsminister hingegen viel Sympathie, viele können sich dort eine Kandidatur für die Bundestagswahl 2013 vorstellen.

CSU-Chef Horst Seehofer legt sich aber inzwischen quer.
Eine Rückkehr des 39-Jährigen in eine führende politische Funktion mit Mandat der CSU schließt Seehofer aus.“

Quelle: http://www.bild.de/politik/inland/karl- ... .bild.html

Na, dann hoffen wir mal, dass der wankelmütige Seehofer dabei bleibt, man in Oberfranken die Botschaft versteht, Guttenberg erst einmal zu einem Psychoanalytiker geht und Buße tut, bevor er seine eigene Partei gründet. :D
Marcus T. Cicero
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Marcus T. Cicero »

Der unwürdige Baron zu Guttenberg

Über einen 2. Promotionsversuch schweigt sich Gutti in „Vorerst gescheitert“ aus. Falls er ein derartiges Unternehmen nicht in seiner neuen Wahlheimat, sondern hierzulande durchführen wollte, bereiteten die Promotionsordnungen vieler Universitäten Deutschlands bekanntestem Doktor a.D. rechtliche Probleme:

„"Es besteht die Erwartung, dass nach einer Täuschung nicht noch einmal promoviert wird", sagt der DFG-Ombudsmann Wolfgang Löwer. Er ist Juraprofessor in Bonn und Fachmann für Wissenschaftsrecht. Jemand, der in oder nach einem Promotionsverfahren beim Täuschen erwischt wurde, sei nicht mehr "würdig", einen Doktorgrad zu erlangen.“


Quelle: http://www.sueddeutsche.de/karriere/pla ... -1.1220792

Das Guttenberg’sche Dilemma:

1. Er macht reinen Tisch, räumt also endlich ein, absichtlich getäuscht und damit betrogen zu haben. Das lastete wie eine schwere Hypothek auf seinem vielleicht noch bei ihm Wohlgesonnen vorhandenen Kapital an Glaubwürdigkeit.

2. Oder aber er bleibt bei seiner aberwitzigen Darstellung, die man ihm, man höre und staune, noch nicht einmal mehr in dem von Guttenberg-Groupies beherrschten Oberfranken abkauft. Thomas Silberhorn, Vizechef des CSU Bezirksverbands Oberfranken, spricht Klartext:

„"Wer weit mehr als tausend Textteile von anderen Autoren abschreibt und unter seinem Namen als Dissertation einreicht, hat nicht nur den Überblick verloren, sondern keine eigenständige Arbeit abgeliefert." Die Erklärung, nicht vorsätzlich getäuscht zu haben, möge man als Schutzbehauptung nachvollziehen können. "Glaubwürdig ist sie deswegen nicht."…
"Karl-Theodor sollte den untauglichen Versuch der Legendenbildung beenden und die Maßstäbe, an denen er andere misst, auch an sich selbst anlegen", sagte Silberhorn.“


:D

Quelle: http://www.infranken.de/nachrichten/bay ... 179,227072

Bei aller Offenheit mit der die CSU die Dinge plötzlich beim Namen zu benennen pflegt. Es war falsch verstandener Korpsgeist, nicht schon früher Tacheles zu reden. Man wollte sich mit Blick auf Guttenbergs Popularität alle Optionen offen halten und hat auf unanständige Weise den protegiert, der selbst von Korpsgeist nichts wissen will.
Unserem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU), der an Guttenbergs Darstellung von Beginn an Zweifel äußerte und dann vom „Sargnagel für die Demokratie“ sprach, warf der CSU-MdB und Mitglied des Innenausschusses Stephan Mayer (Wahlkreis Altötting-Mühldorf) Anfang des Jahres „parteischädigendes Verhalten“ vor. Der fränkische CSU Abgeordnete Stefan Müller hielt Lammerts Aussagen für „einen Sargnagel der Demokratie“. (Siehe http://www.welt.de/politik/deutschland/ ... igend.html).

Im Lichte der neuen Verhaltensweise Guttenberg und dem Ärger in der CSU besonders aufschlussreich ist die damalige Äußerung des CDU-Abgeordneten Olav Gutting:

„Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Olav Gutting sagte der „Bild“-Zeitung, er habe sich über Lammerts Aussagen „sehr geärgert“. „Wer sich öffentlich so unkameradschaftlich verhält, muss daran erinnert werden, für welche Partei er eigentlich im Bundestag sitzt.“

:D

Quelle: http://www.welt.de/politik/deutschland/ ... igend.html
Missis
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Missis »

Gerade im Radio gehört:
Karl-Theodor plant Rückkkehr und will evtl. eine eigene Partei bilden.

Was kommt da auf uns zu?
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spiralnebel111
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von spiralnebel111 »

Die Partei der Betrüger? Au weia, dann gehen die anderen Parteien unter....
blokk
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von blokk »

Ich sah gestern in der ARD eine interessante Talkrunde zum Thema Guttenberg. Die Sendung könnt ihr hier sehen:

http://daserste.ndr.de/annewill/videos/ ... l3257.html
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Mary
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Mary »

Hat nicht die Tage eine sonst recht seriöse (?) Zeitung, die Zeit oder so auch die Werbetrommel für dieses Subjekt gerührt?

Ich persönlich glaube nicht, daß dieser Hansel es nochmal "schafft". Den Titel seines Buches finde ich zudem ziemlich albern. :evil:
Genügt es nicht zu sehen, dass ein Garten schön ist, ohne dass man auch noch glauben müsste, dass Feen darin wohnen?- Douglas Adams
Marcus T. Cicero
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Marcus T. Cicero »

blokk hat geschrieben:Ich sah gestern in der ARD eine interessante Talkrunde zum Thema Guttenberg.
Missis hat geschrieben:Karl-Theodor plant Rückkkehr und will evtl. eine eigene Partei bilden.
Bei Anne Will und Maybrit Illner wurde nach einem halben Jahr Abstinenz wieder über Guttenberg getalkt. Die Art des Comebacks auf der politischen Bühne gibt Rätsel auf. Die spannende Frage ist, ob er mit dem Kokettieren über eine neue Partei, eine solche gründen will, oder ob er die CDU-CSU damit erpressen will.

Die Mehrzahl der Talkshow-Gäste meinte, eine Parteineugründung sei zu aufwändig. Sie verweisen auf viel im Vorfeld zu verrichtende Kärrnerarbeit.
Obwohl diese Überlegungen plausibel klingen, sollte man berücksichtigen, dass Guttenberg diese Arbeit nicht alleine zu stemmen bräuchte. Die Partei müsste nicht mehr bekannt gemacht werden. Aufgrund der vielen Guttenberg-Fans dürfte die 5 Prozent Hürde für ihn keine sonderliche sein.

Unser Freiherr ist ein Redner und Blender, der über das unbestrittene Talent verfügt, unterschiedlichste Zielgruppen im Gespräch charmant und raffiniert für sich einnehmen zu können:
von der Bäckereifachverkäuferin Monika Müller aus Guttenberg, über das bayrische Festzeltpublikum in Oberfranken, bis hin zu den Selbsvermarktungskampagnen mit ausgewählten Journalisten im Tross seiner (damaligen) Popularität.

Im SPIEGEL Artikel „Der Bürgerkönig“ hieß es 2010 noch bzw. schon:

„Das Bürgertum zürnt mit den etablierten Parteien, obwohl es sich auch ordentlich regiert fühlen könnte. …

In der Medienwelt von heute wird das Publikum mit mehr oder weniger komplexen Meldungen überschüttet. Nur das Markante dringt durch, die simple, starke Botschaft. ...

Guttenberg hat eine gekonnte Art, sich an seine Gegenüber anzuschmiegen, er ist ein Menschenfischer, einer, der bald gemocht wird, weil er anderen das Gefühl geben kann, dass er sie mag, sich für sie interessiert. "Wie geht es Ihnen?", fragt er beim Einsteigen den Fahrer seiner Dienstlimousine. "Was macht das Solardach?" - "Was macht die Hüfte Ihrer Frau?"

Das ist eine Stärke, die auch aus dem Schloss kommt. Er ist sich seiner so gewiss, dass er unbefangen, ohne jede Verklemmung auf andere zugehen kann. Und die, sind sie simpler gestrickt, fühlen sich geschmeichelt, dass der hohe Herr ihnen ein Ohr schenkt.

Die Schwäche, die zu dieser Stärke gehört, ist, dass Guttenberg dauernd sagen muss, wie gut er ist, was er alles richtig macht. Er ist so auf Gutsein getrimmt, auf Makellosigkeit, dass er stets in Sorge scheint, dass jemand nicht mitbekommt, wie gut er ist. ...

Ausgerechnet der Mann aus dem Schloss, der nominell so unbürgerlich ist wie kein anderer Politiker, wird zur letzten Hoffnung des Bürgertums, wird als Lichtgestalt verehrt, wie kürzlich bei einer Veranstaltung in Villingen-Schwenningen zu beobachten war.

Nach der Diskussion stellte sich Guttenberg an die Theke, gleich neben dem Eingang. Die Massen schoben sich schmachtend an ihm vorbei, ihr Blick zeugte von tiefer Achtung.
Die wenigsten trauten sich, ihn anzusprechen, viele nickten anerkennend, worauf Guttenberg sein Bierglas hob.
Die Szene hatte etwas von der Huldigung für einen König
. Eine ältere Dame traute sich dann doch, ihn anzusprechen.
"Lieber Freiherr zu Guttenberg", sagte sie. "Grüßen Sie mir bitte ganz herzlich Ihre Frau. Und sagen Sie ihr, sie soll so standhaft bleiben, wie Sie es sind. Sie machen das großartig, Sie beide. Sie sind ein Geschenk für Deutschland!
"

Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-74549664.html (Eigene Hervorhebung)

Die deutsche Geschichte zeigt, dass gerade derartige Persönlichkeiten bei schlichteren Gemütern und konservativen Kreisen der Mitte, denen das derzeitige Personal zu farblos, eine detaillierte Sicht auf das politische Handeln zu komplex, jedoch deren Unzufriedenheit insgesamt recht groß ist, verfangen können.

Solche Wähler projizieren ihre Hoffnungen auf einen Mann mit Erlösereigenschaften.

(Die übertriebenen Hoffnungen, die man auf Obama setzte und dieser geschickt nährte, gingen übrigens in die gleiche Richtung, obgleich Obama natürlich im Gegensatz zu unserem Luftikus Substanz mitbringt).

Die CDU ist nach Ansicht vieler Konservativer zu weit nach links gerückt. Am rechten Rand ist Platz, wie Sarrazins überwältigender Bucherfolg veranschaulicht hat.

Bekäme Guttenberg wieder eine ähnlich devote und hochjubelnder Berichterstattung durch den Boulevard und Deutschlands 4. Gewalt, also „BILD und BILD am Sonntag“, dann dürfte der große Zampano mit Leichtigkeit im Parlament landen und die Union viele Stimmen kosten.

Schlüge sich BILD allerdings wie traditionell üblich auf die Seiten der Union, könnte ihn und der sich um ihn scharrenden Truppe Gegenwind entgegenblasen.

Bei Anne Will gab man sich selbstkritisch:

„Tatsächlich sind an diesem Starkult die Medien maßgeblich beteiligt. Der Journalist Michael Spreng wies darauf hin, dass Guttenbergs politische Karriere nur durch seine Präsenz in der Presse möglich war: “Wenn wir ehrlich sind, sind wir alle ein bisschen Guttenberg. Wir alle haben diese Kunstfigur geschaffen.”
Quelle: http://www.welt.de/fernsehen/article137 ... Alles.html
Mary hat geschrieben:Ich persönlich glaube nicht, daß dieser Hansel es nochmal "schafft".
In der Presse meint der Poltikberater Schmidt-Deguelle ebenfalls „Guttenberg sei erledigt“ und führt (in einem guten Interview http://www.taz.de/Interview-ueber-Gutte ... ck/!83038/ ) Guttis mangelnden Realitätsbezug an.

Ob Guttenbergs Comeback schon gegessen ist, bleibt die Frage. Schaut man sich seine immer noch vorhandenen Popularitätswerte und das Unbehagen mit der derzeitigen Parteien und ihrem Führungspersonal an, sollte man ihn besser nicht voreilig abschreiben. :!:
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d_r_m_s
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von d_r_m_s »

Mary hat geschrieben:Ich persönlich glaube nicht, daß dieser Hansel es nochmal "schafft". Den Titel seines Buches finde ich zudem ziemlich albern. :evil:
ein Problem (für uns, nicht für ihn) könnte sein, dass sich für die Mehrheit der Bevölkerung eine abgeschriebene Doktorarbeit von einer abgeschriebenen Klassenarbeit nicht wesentlich unterscheidet ... :?

und Deutschland hat eine lange Tradition darin, besonders den Falschen auf jeden Fall eine zweite Chance zu geben ... :roll:

Ein kluger Mensch sagte einmal:
Jede Sache hat drei Seiten:
  • Eine siehst du,
    eine andere sehe ich,
    und die dritte sehen wir beide nicht.


:wink:
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Mary
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Mary »

d_r_m_s hat geschrieben:ein Problem (für uns, nicht für ihn) könnte sein, dass sich für die Mehrheit der Bevölkerung eine abgeschriebene Doktorarbeit von einer abgeschriebenen Klassenarbeit nicht wesentlich unterscheidet ...
Ich glaube da nicht so ganz an eine Mehrheit. Bei einer persönlichen Umfrage habe ich festgestellt, daß es die meisten ärgert. Auch nicht-Akademiker wissen eine Klassenarbeit von einer Doktorarbeit zu unterscheiden. Und die, die fanden, daß das ja viele machen - also Doktorarbeit kopieren oder fremdschreiben lassen, fanden das trotzdem nicht Vertrauen erweckend oder gar aktzeptabel.
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Marcus T. Cicero »

d_r_m_s hat geschrieben:ein Problem (für uns, nicht für ihn) könnte sein, dass sich für die Mehrheit der Bevölkerung eine abgeschriebene Doktorarbeit von einer abgeschriebenen Klassenarbeit nicht wesentlich unterscheidet
Mary hat geschrieben:Ich glaube da nicht so ganz an eine Mehrheit. Bei einer persönlichen Umfrage habe ich festgestellt, daß es die meisten ärgert.
Dass es die Mehrheit ist, hoffe ich mal nicht, aber:

Hinzu kommen diejenigen, die die Verantwortung für die Korrektheit der Arbeit nicht in erster Linie beim Doktoranden, welcher ja eine eidesstattliche oder ehrenwörtliche Erklärung abgibt, sehen, sondern beim Dokorvater, der ihn hätte genauer kontrollieren sollen. (So z.B. auch Bäckerereifachverkäuferin Monika Müller aus Guttenberg bei Anne Will).

Ferner gibt es noch diejenigen, die zwar den Unterschied erkennen, aber von Guttenberg so fasziniert sind, dass sie die Angelegenheit nicht als hinderlich für eine politische Karriere betrachten.

In einem äußerst gelungenen Beitrag, der auch auf die Rolle der Medien eingeht, schreibt bzw. sagt Stephan Detjen vom Deutschlandfunk (zu hören unter http://www.dradio.de/aodflash/player.ph ... ag=1619608&/ ):

„Guttenberg bleibt indes nur ein besonders drastischer Beleg für ein Systemversagen der Medien, das weit über diesen Fall hinaus reicht. Medien sind schon lange nicht mehr der Spiegel, durch den sich die Gesellschaft aus kritischer Distanz selbst beobachtet. Sie sind Plattformen für PR-Strategien geworden, in denen Reflexion durch Inszenierung, Relevanz durch Auffälligkeit verdrängt wird.

Welche Ziele Karl Theodor zu Guttenberg mit seinem Wiederauftritt verfolgt, bleibt dagegen diffus. Dass ihm seine Partei nach den hochmütigen Hieben aus dem politischen Abseits endgültig die Tür vor der Nase zugeschlagen hat, wird zu Guttenberg einkalkuliert, wenn nicht gar bewusst provoziert zu haben. Er hatte seinen Erfolg ja ohnehin schon immer in der Rolle des Außenseiters gesucht, der sich als Lichtgestalt aus einem anderen Orbit in die grauen Niederungen des parteipolitischen Alltags herablässt.

Wenn er jetzt tatsächlich darauf spekuliert, seine politische Karriere fortsetzen zu können, so kann er seine neue Rolle nur noch in einer viel radikaleren Gegenöffentlichkeit suchen. Sie ist angelegt in der Welt der Wutbürger, der Verständnislosen und Abgekoppelten, die sich von der Politik der etablierten Parteien und ihren ritualisierten Inszenierungen abwenden. Im Lichte einer solchen Gegenöffentlichkeit kann einer wie zu Guttenberg schneller, als mancher sich das ausmalen mag, zum Dämon der parlamentarischen Kultur werden. Die nahe liegendere Alternative ist jedoch, dass der Freiherr sich in den letzten Tagen endgültig zum Hanswurst der Politik gemacht hat."


Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/them ... e/1619608/ (Eigene Hervorhebung)
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Bookorsair »

Cato contra Guttenberg:

"..virtus et dignitas non sunt."
Wir werden nie so klug sein, um den Schaden zu beheben, durch den wir es wurden....
Ausserdem: manche sehen vor lauter Büchern die Bibliothek nicht.
Hier geht es zu meinen Büchern: http://www.booklooker.de/bookorsair
Marcus T. Cicero
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Marcus T. Cicero »

Gutti und Jopi feiern heute ihren 40. respektive 108 Geburtstag. :D
40. Jahre und kein bisschen leise oder "weise" wie der Focus meint http://www.focus.de/politik/deutschland ... 90946.html Glückwunschschreiben sehen im Normalfall anders aus.
Bookorsair hat geschrieben:"virtus et dignitas non sunt."
Virtus steht ja nicht nur für Tugend, sondern auch für Tapferkeit, Mut, Entschlossenheit.
Vor der Affäre wurde Gutti beides bescheinigt. Von "Anstand" hat er mit Blick auf die konservative Klientel laufend geredet und seine Tapferkeit sogar durch starke Bilder inszeniert:

http://www.politik-kommunikation.de/_im ... enberg.jpg

(Man beachte, dass er schon damals entweder eine temporäre Heilung seiner Sehkraft verspürte oder aber zur wirkungsvolleren Kämpferpose seine Brille der Marke Oberschlau nicht gepasst hätte).

In dem empfehlenswerten Aufsatz "Was sich gehört! Der Rhetor und das Dekorum" schreibt Reinhart Meyer-Kalkus (S. 137):

"Während in der antiken Rhetorik, bei Cicero und Quintilian, der grundlegende Unterschied zwischen dem auf Wahrheit und Tugend verpflichteten guten Rhetor und dem Schauspieler immer wieder eingeschärft wurde, erfuhr das Schauspielerische in den höfischen Verhaltenslehren des 16. und 17. Jahrhunderts eine Aufwertung als Mittel der Selbstbehauptung im höfischen Kampf um Präzedenzen. Verbunden damit wurde ein gefälliges und gewinnendes Auftreten empfohlen,..." (Eigene Hervorhebung)

(Der Aufsatz ist erschienen in der von Oliver Lepsius und Reinhart Meyer-Kalkus herausgegebenen Aufsatzsammlung "Inszenierung als Beruf - Der Fall Guttenberg", Berlin: Suhrkamp, 2011, S. 126-143).

Unser Gutti hat weniger durch die Juristerei, sondern viel mehr durch seine adelige Kinderstube die Art von (Schauspiel-)Ausbildung genossen, die ihn aufgrund seines ausgeprägten Talents zur Selbstdarstellung im Verbund mit unkritischen, nach Boulevard-Themen lechzenden Medien zu einem Polit-Superstar formten.
Alles Blendwerk.
Marcus T. Cicero
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Marcus T. Cicero »

Das Guttenberg Comeback: Phase 3 "Abschreibende soll man nicht voreilig abschreiben"

Gutti hat "guttenplag" redlich genutzt, um festzustellen, wo ihm der ein- oder andere der 1218 Zitierfehler irrtümlich unterlaufen ist. Dieser hilfreichen Unterstützung durch die Internet-Community eingedenk, lag es ja quasi auf der Hand, unseren Baron, der diese Gemeinschaftsarbeit selbst wie kein anderer zu schätzen wusste, zum Internet-Berater der Europäischen Kommission zu wählen.
Was ihn sonst noch zu diesem Job, außer seinen guten politischen Connections, qualifizieren könnte, fällt mir jetzt gerade nicht ein.
Vermutlich gibt es 100 Millionen Europäer, die für diesen Job geeigneter wären als Guttenberg. Allerdings müssen die nicht politisch rehabilitiert werden. Guttenberg nutzt die Posten als Distinguished Statesman und Politischer Berater als lauwarmes Purgatorium, um Anlauf für höhere Parteiämter zu nehmen - sofern man den eitlen Betrüger dann lässt.

In Deutschlands Presse hält man sich noch mit Begeisterung zurück:

"Europa ist arm dran, wenn es keinen anderen findet

Man solle sich doch nicht so haben, ließ die gestrenge Kroes am Montag bei der Pressekonferenz in Brüssel verlauten. Man brauche für die Position des Beraters ja keinen Heiligen, sondern Talent. Und das habe "Karl-Theodor". Postmoralisches Politgeblubber ist das. Es sei ihre Idee gewesen, Guttenberg den Job anzutragen, ihre Verantwortung. Man muss der Dame leider sagen: Die Idee war grottenschlecht. Mehr noch. Sie zeugt davon, dass es der Niederländerin an jedwedem politischen Gespür fehlt. Sie lässt die sogenannte No-Disconnect-Stratgie der EU zu einer Re-Connect-Strategie von zu Guttenberg werden
."

Quelle: http://www.stern.de/politik/ausland/zu- ... 61787.html

Weniger begeistert dürfte Sonia Volkmann-Schluck, laut BILD „Guttenbergs größte Feindin“ sein. Nach der Einstellung des Strafverfahren wegen Urheberrechtsverletzung durch die Staatsanwaltschaft Hof, gegen die Auflage 20.000 Euro zu spenden, hat sie sich wie folgt geäußert:

"„SPIEGEL ONLINE: Reicht die Zahlung als Strafe?
Volkmann-Schluck: Die relativ hohe Summe zeigt immerhin: Die Staatsanwaltschaft hält ihn für schuldig.
SPIEGEL ONLINE: Die Behörde begründet das Ende der Ermittlungen damit, dass der wirtschaftliche Schaden der Urheber, also Ihrer, nur marginal sei.
Volkmann-Schluck: Diese übermäßige Gewichtung wirtschaftlicher Aspekte halte ich für falsch. In der Wissenschaft geht es meist nicht um ökonomische Belange, sondern um den Schutz geistigen Eigentums und auch um den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Urheber. Guttenberg hat nach den Recherchen von Guttenplag etwa acht Prozent seiner Arbeit von mir übernommen. Auf 56 Seiten finden sich demnach meine Textstellen, darunter Teile meiner Gliederung und Schlussfolgerungen. Ich fühle mich auch ohne hohen wirtschaftlichen Schaden ausgebeutet und bestohlen.“"

Quelle: http://www.spiegel.de/unispiegel/studiu ... 15,00.html
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Tschemmo
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Re: Der feine Baron zu Guttenberg

Beitrag von Tschemmo »

... folgt nur einem Prinzip der Evolution, das sich als sehr erfolgreich erwiesen hat: Er bescheißt sich selbst!
Alt werden ist schön, das Problem ist nur, dass der Körper dabei in die Binsen geht!

(Siri Hustvedt)
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