AnnA Barkefeld, Julian Letsche: Höhlenmord

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Vandam
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AnnA Barkefeld, Julian Letsche: Höhlenmord

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AnnA Barkefeld, Julian Letsche: Höhlenmord. Ein Fall - doppelte Spannung, Meßkirch 2014, Gmeiner-Verlag, ISBN 978-3-8392-1605-7, Softcover, 373 Seiten, Format: 19,8 x 11,8 x 2,8 cm, Buch: EUR 11,99 (D), EUR 12,40 (A), Kindle Edition: EUR 9,99.

Dass zwei Autoren zusammen einen Roman schreiben, kommt öfter vor. Da gibt’s meist zwei Hauptfiguren und Autor A erzählt die Geschichte aus der Sicht der einen und Autor B aus der Sicht der anderen. Das Konzept hier ist anders: Offenbar haben AnnA Barkefeld und Julian Letsche denselben Ausgangssatz genommen und daraus jeweils einen eigenständigen Krimi konstruiert, der nichts mit dem Werk des Kollegen zu tun hat. Es gibt keine gemeinsamen Figuren und auch die Inhalte bauen nicht aufeinander auf. Diese beiden Krimis sind im vorliegenden Band nacheinander abgedruckt.

Das ist die Basis: „Vor der Eröffnung einer einmaligen prähistorischen Ausstellung im Osterei-Museum in Sonnenbühl-Erpfingen wird zwischen den Exponaten aus der Bärenhöhle ein menschlicher Knochen entdeckt.“

1. AnnA Barkefelds Version
Ein Fernsehteam des SWR, das über die prähistorische Sonderausstellung im Osterei-Museum berichten will, entdeckt in einer Vitrine einen menschlichen Fingerknochen. Museumsleiterin Elisabeth Holtzmann reagiert hysterisch und verlangt vom Leihgeber, dem Landwirt Johannes Zagst, das Teil umgehend wieder abzuholen. Da das Knöchelchen zusammen mit anderen Fundstücken aus der Bärenhöhle ins Museum gekommen ist, sieht niemand einen Grund für polizeiliche Ermittlungen. Der Knochen gehört sicher zu einem der Pesttoten aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs.

Nur der 13jährige Daniel glaubt lieber an einen Mord aus der jüngeren Vergangenheit und „ermittelt“. Dass es in den 50er Jahren einen Vermisstenfall in Erpfingen gegeben hat, der bis heute ungeklärt ist, kann er nicht wissen. Er scheint aber mit seiner penetranten Fragerei ein paar Leute nervös zu machen. Plötzlich ist der Junge verschwunden, und Kriminalkommissar Andreas Clemenz, der auf Verwandtenbesuch in Erpfingen ist, kann seinen Urlaub vergessen. Jetzt muss er Daniel suchen.

So harmlos, wie alle dachten, war die Sache mit dem Fingerknochen wohl doch nicht. Andreas Clemenz ahnt ja nicht, was in diesem Fall noch alles zu Tage treten wird …

Ein interessantes Szenario, aber leider überlagern diverse Beziehungs- und Befindlichkeitsbeschreibungen die Krimihandlung. Der Polizist ist erkältet, hypochondrisch, geschieden, Vater eines Teenagers, an seiner Kollegin Sanja interessiert, vaterlos aufgewachsen und von seinen Erpfinger Großtanten verwöhnt worden. Er schneidet sich die Haare selber, was furchtbar ausschaut und wird als attraktiv bezeichnet aber nicht so beschrieben.

Auch von seiner Kollegin und der Museumsleiterin erfahren wir fast die ganze Lebensgeschichte und die ihrer jeweiligen Lebenspartner, obwohl das nur die Handlung bremst. Außerdem bremst die verschachtelte Sprache den Lesefluss. In einem Krimi müssen Sätze nicht über 10 Zeilen gehen und alles beleuchten, was irgendwelchen Nebenfiguren gerade durch die Birne schießt.

Alles klingt ebenso gebildet wie umständlich: „Mit einem schalen Nachgeschmack konnte er es so stehen lassen, wissend, dass die Vergangenheit durchaus folgenreich zur Gegenwart mutieren konnte.“ (Seite 44/45) – „Dazu hatte der vorgesetzte Beamte einiges zum Themas Schneckentempo lebhaft anzumerken, das er in einen weiten Bogen über Verantwortung der Polizei im Allgemeinen und Umgang mit Steuergeld im Besonderen einschloss.“ (Seite 50)

Was ist das? Ein Krimi im Kanzleistil? Und verwendet man tatsächlich irgendwo im Schwäbischen den Dialektausdruck „Debbich“ für „Jacke“? (Seite 30) Ich habe eigens in einer Internet-Dialektgruppe unter Schwaben verschiedener Regionen herumgefragt. Alle bezeichneten mit „Debbich“ einen Teppich(boden) sowie eine Decke zum Zudecken bzw. Draufsitzen. Es kann auch ein Umhang sein, aber laut Auskunft der Experten keine Jacke. Das wär‘ ein „Kittl“. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

Noch ein Zitat: „Dann goss er sich einen Schnaps ein, nahm das Glas mit in sein Schlafzimmer, kuschelte sich ins Bett und sank, ohne es leer zu trinken, augenblicklich in Orpheus‘ Arme.“ (Seite 80.) Sorry, aber der Gott der Träume heißt Morpheus.

Ich sage sowas ungern, aber dieser Krimi ist wirklich nicht der Hit.

Die Autorin
AnnA Barkefeld ist in Hannover geboren und aufgewachsen. Sie studierte Kunstgeschichte und leitet seit 17 Jahren mit gleich bleibender Begeisterung für das ovale Naturprodukt und dessen scheinbar unendliche Verzierungsmöglichkeiten das Osterei-Museum in Sonnenbühl-Erpfingen.

2. Julian Letsches Version
Deutlich temporeicher aber auch personalintensiver ist die HÖHLENMORD-Fassung von Autor Julian Letsche.

Aus gutem Grund sind Haustiere im Umfeld von historischen Gerippen verboten. Doch Nero, der Hund des Hobby-Paläantologen Paul Hanser hält sich nicht daran und rennt plötzlich mit einem menschlichen Schienbeinknochen im Maul durchs Erpfinger Osterei-Museum. Die Museumsleiterin Karin Bergmann ist hier eine gestandene Bayerin, die sich durch die polizeilichen Ermittlungen bei den Vorbereitungen ihrer prähistorischen Sonderausstellung gestört fühlt.

Schnell stellt die Gerichtsmedizin fest, dass der Knochen nicht von einem Pesttoten stammt, sondern von dem vor zwei Jahren verschwundenen Harry Kolinski. Der Vermisstenfall wurde nie aufgeklärt. Weder Harrys misshandelter Frau Miriam noch seinen Knastbrüdern, dem Campingplatzbetreiber Sven Obermeier und dem Maurermeister Klaus Mülleisen, konnte man seinerzeit einen Mord nachweisen. Und es hat ja immer noch die Möglichkeit bestanden, dass Harry sich einfach abgesetzt hat. Das kann man jetzt ausschließen. Der Rest seiner Leiche wird in einem entlegenen Winkel der Bärenhöhle gefunden. Harry Kolinski ist erschossen worden.

Die erfahrene Kriminalkommissarin Magdalena Mertens – eine ruppige Frau kurz vor Erreichen der Pensionsgrenze – und ihr smarter junger Kollege Sascha Groß ermitteln. Dumm ist nur, dass Sascha Groß die Frau des Mordopfers privat kennt …

Als einer von Harrys Knastbrüdern tot aufgefunden wird, scheint der Fall klar zu sein: Streit unter Ganoven. Und dann macht die Handlung noch einen unerwarteten Schlenker: Ein krimineller Rechtsanwalt ist hinter einem Goldschatz aus der Nazizeit her und glaubt, Miriam wisse, wo der versteckt ist. Wenn das was mit Harry Kolinski zu tun hat, warum kommt der Anwalt dann jetzt damit aus dem Gebüsch? Denkt er im Ernst, dass Miriam sich für einen Hungerlohn als Pflegehelferin im Altenheim schinden würde, wenn sie wüsste, wo das Gold ist? Dann hätte sie sich die Beute doch schon vor Jahren geholt und sich mit ihren Kindern nach – sagen wir mal - Südamerika abgesetzt!

Nach einem furiosen Showdown wird klar, dass alles doch ganz anders war, als wir gedacht haben.

Der zweite Krimi ist zwar handlungsgetrieben und nicht so geschwätzig wie der erste, dafür aber etwas überkonstruiert. Und auch hier wäre manche Hintergrundinformation über die Figuren verzichtbar. Müssen wir vom traumatischen Kindheitserlebnis der spröden Kommissarin wissen? Und glauben wir, dass sie etwas, das sie seit 50 Jahren keiner Menschenseele anzuvertrauen wagte, mal so nebenbei einem flüchtig Bekannten beim Essen erzählt?

Ein Thema, zwei Autoren, zwei Krimis - so ganz erschließt sich mir der Sinn dieses Projekts nicht. Statt zwei mittelmäßiger Kriminalromane hätte ich lieber einen guten gelesen.

Der Autor
Julian Letsche wurde in Undingen bei Reutlingen geboren. Nach seiner Ausbildung zum Zimmermann und der Gesellenprüfung ging er auf die Walz. Er arbeitete u. a. in Frankreich, England, Schweiz und in verschiedenen Gegenden Deutschlands. Sein Weg führte ihn auch in die USA und nach Neuseeland, wo er als Zimmermann beschäftigt war. Wieder in der Heimat absolvierte er die Meisterprüfung. Mit vier Freunden eröffnete er eine Musik- und Kulturkneipe. Inspiriert durch die verschiedenen Bands, die dort auftraten, gründete er zusammen mit mehreren Mitmusikern die Irish Folk Band „Lads go Buskin".
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