Gendern muss nicht sein

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spiralnebel111
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von spiralnebel111 »

esmi hat geschrieben: Sa 23. Dez 2023, 21:39 Ich werde ständig unfreiwillig geschlechtsgewandelt. Obwohl mein Vorname (auch wenn er absolut schrecklich ist) absolut und zweifelsfrei weiblich ist, werde ich immer wieder mit "Herr" von Käufern angeschrieben... :roll:
Das kann auch ein Versehen sein! Ist mir nämlich auch schon passiert, ich will Frau X in Herrn Y umwandeln und ändere dann nur den Namen. Oder Herr oder Frau verschwindet ganz und da steht dann Liebe Familienname, Lieber Familienname. :? Ich bitte alle Betroffenen um Entschuldigung!!!
Sensenmann
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von Sensenmann »

"Gender Wahn" (was übrigens "Genderwahn" geschrieben werden müsste, weil hier zwei Begriffe zu einem neuen zusamengesetzt werden, man nennt es "zusammengesetzte Substantive") bereitet mir Unbehagen. Der Begriff kommt aus der rechtspopulistischen Ecke, in der jegliche Neuerungen, die vom Individuum eine Verhaltensänderung erwarten, zu Teufelszeug und Blödsinn erklärt werden. Um das Verwerfliche an der jeweiligen Neuerung zu verdeutlichen, wird häufig maßlos übertrieben, verzerrt und zugespitzt, aber selten geht man in dieser Kritik auf die Inhalte ein.

Anfangs habe ich auch sehr gefremdelt mit den Sprachänderungen, die das Gendern mit sich brachte. Nein, einfach und schön klingt das erst mal gar nicht. Aber ich habe sofort den Sinn dahinter verstanden. Und weil ich eine sehr aufmerksame Person in meiner Familie habe, fing ich, um des lieben Friedens halber, an, mehr auf meine männlich-/weiblich- Anwendung zu achten. Es dauerte nicht lange, und ich wandte die (oder eine) jeweils passende korrektere Bezeichnung an, ohne dass es mir komisch vorkam. Heute bin ich jemand, der einfach (un-)bewusst auf eine Geschlechter-gerechtere Sprache achtet und es gut findet. Mir hat - auch im Geschäftsverkehr - noch niemand gesagt, dass sie oder er oder der sich "divers" verortende Mensch das falsch findet. Doch! Halt. Auf einem Lyrikforum, auf welchem ich aktiv bin, zog sich immer wieder ein älterer Herr am Gendern auf. Aus Sorge um die deutsche Sprache. Er nahm tatsächlich an, wir stünden kurz davor, selbst in der schönen Literatur, in Prosa und Poesie, gendern ZU MÜSSEN. Wir hatten uns längst vor der Genderdebatte angefreundet, und der Streit darum konnte unserer Sympathie nichts anhaben. Aber sooft ich ihm auch sagte, dass seine Befürchtungen nicht eintreten werden, es gäbe maximal hier und da in staatlichen oder ähnlichen Institutionen Versuche, per Anordnung das Gendern zu erzwingen, aber keine Hinweise darauf, im privaten Bereich mitmachen zu müssen, blieb er bei seiner Angst, die sich gelegentlich so äußerte, als wäre es längst ein Fakt: Wir dürfen nicht mehr "normal" sprechen und schreiben. Das ist irre.

Nein, ich sehe das Gendern als Experiment. Nämlich das zu bereinigen, was jahrhundertelange Sprachprägung im Sinne patriarchaler Machtausübung Frauen und geschlechtsdiversen Menschen angetan hat: Sie in Bereichen, wo Männer unter sich bleiben woll(t)en, unsichtbar zu machen. Patriarchale Rollenzuschreibungen festzuschreiben. Als beispielsweise in der Neuzeit der Gedanke aufkam, dass ja auch mal eine Frau Bürgermeister einer Stadt sein könnte, war das die übergroße Mehrheit der Bevölkerung unvorstellbar. Ein Weib Bürgermeister? Wie soll das gehen? - Und so ging es nichtmännlichen Personen und männlichen Homosexuellen immer, wenn sie Chefpositionen erreichen wollten, die schon immer männlich besetzten Berufe ausüben wollten, die Dinge tun wollten, die von Alters her Männern zugeordnet waren. Und diesbezüglich sind wir zwar insgesamt als Gesellschaft in der Vorwärtsbewegung - klar, Geschichte bewegt sich meist nach vorn, aber die AfD und ihre Verwandten wollen programmatisch auch hier das Rad zurückdrehen und uns wieder an einen Punkt in der Geschichte zurückbringen, der wie die Biedermeierzeit aussehen könnte.


Tragikkomisch finde ich aber, dass die, die am schrillsten übers Gendern meckern, oft große Probleme mit der ganz normalen deutschen Sprache haben. Grammatik, Orthographie - ein Debakel in Bild und Ton. Reden von der Verhunzung einer Sache, die sie selbst nicht beherrschen. Nun gut.

Aber das Blödeste bleibt die Behauptung, wir würden alle gezwungen zu gendern.


Als Vorschlag an Booklooker: Lasst die Händler*innen durch eine Anklick-Möglichkeit selbst entscheiden, ob sie in ihrer Verkaufspraxis gendern möchten oder nicht. Technisch müsste das doch machbar sein.
briefmarkenjaeger
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von briefmarkenjaeger »

Sensenmann hat geschrieben: Do 18. Jan 2024, 09:54 Aber das Blödeste bleibt die Behauptung, wir würden alle gezwungen zu gendern.
Es reicht doch schon die Tatsache, dass ein Teil der Bevölkerung durch die Verweigerung des Genderns Repressionen befürchten muss und sowas nenne ich dann Zwang. Laut Berichten gibt es einige Dozenten oder Fakultäten an Hochschulen, bei denen zumindest zeitweise die Studenten zum Gendern gezwungen worden sind, sofern sie keine Abzüge bei den Noten in Kauf nehmen wollten.
Quelle:
https://www.faz.net/aktuell/karriere-ho ... 05594.html

Es hilft jetzt auch nicht damit zu agumentieren, dass diese Studenten dagegen klagen könnten, weil der Aufwand dazu in keinerlei Verhältnis stehen würde, aber selbst wenn diese Studenten vor Gericht recht bekommen sollten, so muss man sich die Frage stellen, ob der Dozent dann nicht trotzdem schlechtere Noten vergibt und einfach behauptet, dass die schlechten Noten nicht im Zusammenhang mit dem Gendern stehen würden.
Sensenmann
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von Sensenmann »

Geschätzter briefmarkenjaeger,
das habe ich eingeräumt, dass es in Institutionen Versuche gab und gibt, es zu erzwingen. Und ja, hier und da zur Pflicht erklärt wurde.
Im Allgemeinen ist dort aber ein Zurückrudern zu sehen, es breitet sich eher nicht aus. Und das finde ich auch richtig.
Sollte das Gendern irgendwann mehrheitlich von der Gesellschaft anerkannt und im Querschnitt auch freiwillig praktiziert werden, könnte sich das ändern. Denke ich aber eher nicht. Wie geschrieben, ich halte es für ein Experiment (ein berechtigtes), aber es ist noch zu früh, die Sprache in dem Maße zu erneuern.
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von briefmarkenjaeger »

Sensenmann hat geschrieben: Do 18. Jan 2024, 11:43 Sollte das Gendern irgendwann mehrheitlich von der Gesellschaft anerkannt und im Querschnitt auch freiwillig praktiziert werden, könnte sich das ändern.
Na danke. Ich zwinge niemanden, das Gendern zu unterlassen, obwohl es derzeit in diesem Zusammenhang eine Minderheit betrifft. Weshalb sollte man in Zukunft die Menschen, die dem Gendern abgeneigt sind, bestrafen, auch wenn es sich dann möglicherweise bei diesen um eine Minderheit handeln sollte und die abhängigen (inkl. den öffentlich rechtlichen) Medien offiziell verkünden, dass die angebliche Mehrheit das Gendern so will?
Solch eine Einstellungen würde ich als intolerant bezeichen.

Hast du schonmal juristische Abhandlungen/Urteile, wissenschaftliche Studien oder Gesetzestexte gelesen und würdest du behaupten, dass diese mit Gender-Sternchen oder Gender-Doppelpunkten besser lesbar werden? Selbst ohne diese Texte zu gendern sind diese oftmals schwer verständlich und zumindest ich muss diese manchmal mehrmals lesen, um den dahinterstehenden Sinn vollumfänglich zu begreifen.

Ausserdem kommt beim Gendern noch die Problematik hinzu, dass diese Texte von manchen Übersetzerprogrammen schwieriger, bzw. unvollständig übersetzt werden.
Sensenmann
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von Sensenmann »

Mit dem von dir zitierten Satz wollte ich nur sagen, dass Entwicklung möglich ist. Da ich die Sche nach einer Gendergerechten Sprache für legitim halte, kann ich mir vorstellen, dass Leute mit mehr Sprachgefühl dafür etwas finden werden. Muss aber nicht sein.
Jede*r, der/die das Gendern heute so vehement ablehnt und meint, unsere Sprache wäre doch seit Ewigkeiten ausgereift und schön und bräuchte keiner Neuerungen, sollte sich mal Texte durchlesen, die 100, 200, 300, ... Jahre alt sind. Was wird man feststellen? Veränderungen. Entwicklung. Man kommt beim Rückblick in eine Zeit, da kann man nur noch als Altgermanist*in oder wie diese Leute heißen, den Inhalt eines Textes so richtig oder überhaupt erfassen. Allein die Änderungen um "ss"und "ß" oder von Fraktur auf unsere heutige Typographie waren (und sind!) doch Vorgänge, die nicht widerspruchslos vonstatten gingen.
Wie gesagt, ich halte es für möglich, dass Genderregeln gefunden werden, die mehrheitsfähig sind und damit in den normalen Sprachgebrauch übergehen. Die gegenwärtigen Versuche halte ich auch noch nicht für das Gelbe vom Ei. Aber ich glaube auch nicht, dass es der Mehrheit der Gegner*innen um Sprachschönheit und Praktikabilität geht, sondern um Fundamentalgegnerschaft zu intellektuell ausgelösten Emanzipationsbewegungen. Und dass sich da die Einstellungen verschieben, ist nicht zu leugnen.
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digitalis
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von digitalis »

Hallo Sensenmann,
schön, dass in diesem bis jetzt zweiseitigen Forum doch immerhin ein einziger - falls ich nicht zu oberflächlich las - moderat, freundlich und informativ FÜR das Gendern in der Sprache eintritt. Mir gefällt auch, dass booklooker nicht mehr allewelt männlich an- und beschreibt.
Ich gendere seit Jahrzehnten, als es das Wort noch gar nicht gab, indem ich das große I mitten im Wort benutze (LeserInnen, SchreiberInnen). Die heftige Aufregung ist jedoch erst jung, seitdem nicht mehr nur ein paar Uraltfeministinnen sprachlich und verbal sichtbar sind, sondern das Gendern im Mainstream erscheint. Nicht das Abendland oder die Sprache Goethes und Kleists scheinen bedroht zu sein, sondern - gottbehüte - das Patriarchat. Ach, fände ich es schön, wenn es so wäre! Vielleicht erlebe ich es noch, keine medizinischen Rechnungen oder Texte mit Adresse "Herr Dr. Luise Mustermann" zu bekommen? Oder Behörden, die mich sprachlich konsequent ignorieren, obwohl sie was von mir wollen? Oder auf Texte zu stoßen - ob in Zeitungen, auf Schildern oder sonstwo - mit Adjektiven und Pronomen in männlicher Form, die sich auf weibliche Substantive beziehen?
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esmi
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von esmi »

Also, ich bin gegen die Sprachveränderung/das gendern in der jetzigen Form. :roll: Aber ich bin nicht dagegen weil ich fundamentalistisch oder sonst was bin oder der Sprache eh nicht mächtig, deren grauenhaftes gendern ich ablehne. :wink:
Alle sprachlichen und schriftlichen Veränderungen die im Laufe der Zeit stattfanden, haben sowohl die Sprache als auch die Schrift vereinfacht und gegebenenfalls schneller gemacht, bzw. übersichtlicher. Denn Sprache ist immer im Fluß und verändert sich. Naja, bis auf die Sache mit dem "ß" die ich hartnäckig verweigere, da ich keine Vereinfachung oder Sinn darin sehe, sondern nur Überlegungen anstellen müßte, ob dieses Wort jetzt mit Doppel S oder ß geschrieben wird. 8)
Das gendern macht die Sprache aber weder einfacher, noch übersichtlicher, noch schneller, ganz im Gegenteil.
Weil eine Mehrheit von ca 20% beschlossen hat (denn die Minderheit von gut 80% der Bevölkerung lehnt das gendern ab, und, ich lehn mich mal aus dem Fenster...das sind nicht alles Männer :wink: ) daß Frau sich unterdrückt fühlt, wenn von den Bauern, den Käufern, den Verbrauchern, den Gästen gesprochen wird und nicht ausdrücklich auch die weibliche Form verwendet wird, indem dann von BauerInnen, KäuferInnen, VerbraucherInnen, GästInnen (ja, auch diese entzückenden Wortschöpfungen entstehen, wenn man nur noch drauf achtet auch ja politisch korrekt zu gendern aber nicht mehr auf den Wortsinn oder das Wort) werden ganze Sätze so schwer zu lesen, daß man am Ende nicht mehr weiß worum es am Anfang ging.
Ich lese Rechtstexte auch aus beruflichen Gründen. Früher ging das im Querlesen ruckzuck, heute macht mein Auge bei jedem Gender eine Vollbremsung. :|
Das Ausland lacht sich über die Verhunzung der Wörter kaputt, bis sie deutsch lernen müßen und vor Verzweiflung bereit sind sich vom Wörterbuch zu stürzen. :wink:
Ist mal aufgefallen, daß zB Engländer solch ein Problem mit männlich und weiblich nicht haben? Vielleicht sollte sich daran orientiert werden um die Sprache "unterdrückungsfrei" zu gestalten.
Bis dahin können wir uns ja an der Dusche orientieren. Die hat es gut und wird nie unterdrückt. Man geht in die Dusche rein und kommt aus der Dusche raus. 8)
Wandsbek
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von Wandsbek »

Wäre ich verschwörungstheoretisch unterwegs, würde ich annehmen, daß es ein gelenktes Sozialexperiment gibt: Kann eine kleine sendungsbewußte Minderheit die Gesellschaft vor sich hertreiben?

Da ich aber schnöder Materialist bin, nehme ich an, daß es zu viele Medien und Medienschaffende gibt, die um des schnöden Mammons willens ständig neue Aufreger und Empörungen produzieren. Nur Katzen, Kochen, Dschungelcamp schafft nicht genug Aufmerksamkeit und Medienarbeit.

Wenn dann von den vielen kann-das wirklich-jemanden-interessieren-Versuchsballons einer durchkommt, wird er mit voller Energie gepusht. Kann man Zeitungen und Programme mit voll machen, kann man Bücher drüber schreiben, kann man Studien zu machen, kann man Seminare zu veranstalten, kann man Lehrstühle für kriegen, kann man Behördenerlasse zu erlassen, kann man Bücher umschreiben und neu verlegen.

Lot mi an Land, mit den Tüdelkrom hev ick nix mit to kregen. Ein Freund pflegte auf den Einwand "Das heißt nicht mehr Ceylon, das heißt jetzt Sri Lanka" zu erwidern "Ich bin da geboren, und ich nenn das wie ich will".
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digitalis
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von digitalis »

esmi hat geschrieben: So 11. Feb 2024, 20:09 ... Ist mal aufgefallen, daß zB Engländer solch ein Problem mit männlich und weiblich nicht haben? Vielleicht sollte sich daran orientiert werden um die Sprache "unterdrückungsfrei" zu gestalten.
Im Englischen gibt es nur wenige männliche und weibliche Endungen bei Substantiven, so viel ich weiß, und mehr als ein Geschlecht bei Artikeln und Pronomen auch nicht. Englisch ist also - anders das Deutsche - eine weitgehend geschlechtsneutrale Sprache. Wie könnte sich daran orientiert werde? Alle Englisch reden? Fänd ich schade, mal abgesehen davon, dass mein Englisch alles andere als geläufig ist.
esmi hat geschrieben: So 11. Feb 2024, 20:09Bis dahin können wir uns ja an der Dusche orientieren. Die hat es gut und wird nie unterdrückt. Man geht in die Dusche rein und kommt aus der Dusche raus. 8)
Für diese Metapher bin ich zu blöd. Kannst Du oder sonst ömmes die bitte mal erläutern?
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esmi
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von esmi »

Mein Englisch ist auch grad mal eben so gebrauchsfähig, wenn die Engländer wohlwollend sind. :wink: Ich meinte eigentlich damit, daß wir nicht versuchen sollten die Wörter männlich und weiblich zu machen, sondern neutral, wie die Engländer. Schlimmer als jetzt kann es ja auch nicht werden. 8)

Die Sache mit der Dusche bringt zB Engländer zum verzweifeln, weil die ihr Geschlecht ruckzuck beim duschen ändert. :wink: Gehst du in die Dusche ist der Artikel weiblich, kommst du aus der Dusche, ist der Artikel (und somit die Dusche) männlich.
Meine Tochter ist öfters in England bei Freunden, und da ist das so ein running gag :lol:
Sensenmann
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von Sensenmann »

digitalis hat geschrieben: Sa 10. Feb 2024, 17:03 Hallo Sensenmann,
schön, dass in diesem bis jetzt zweiseitigen Forum doch immerhin ein einziger - falls ich nicht zu oberflächlich las - moderat, freundlich und informativ FÜR das Gendern in der Sprache eintritt. Mir gefällt auch, dass booklooker nicht mehr allewelt männlich an- und beschreibt.
Ich gendere seit Jahrzehnten, als es das Wort noch gar nicht gab, indem ich das große I mitten im Wort benutze (LeserInnen, SchreiberInnen). Die heftige Aufregung ist jedoch erst jung, seitdem nicht mehr nur ein paar Uraltfeministinnen sprachlich und verbal sichtbar sind, sondern das Gendern im Mainstream erscheint. Nicht das Abendland oder die Sprache Goethes und Kleists scheinen bedroht zu sein, sondern - gottbehüte - das Patriarchat. Ach, fände ich es schön, wenn es so wäre! Vielleicht erlebe ich es noch, keine medizinischen Rechnungen oder Texte mit Adresse "Herr Dr. Luise Mustermann" zu bekommen? Oder Behörden, die mich sprachlich konsequent ignorieren, obwohl sie was von mir wollen? Oder auf Texte zu stoßen - ob in Zeitungen, auf Schildern oder sonstwo - mit Adjektiven und Pronomen in männlicher Form, die sich auf weibliche Substantive beziehen?

Oh! Ich hab mal wieder lange nicht ins Forum geschaut und bin erstaunt, dass es zwischenzeitlich so lebendig wurde.

Danke, dass Ihnen mein (manchmal mühsam) freundlich gehaltener Beitrag zur Gender-Diskussion aufgefallen ist.
Inzwischen ist aber auch hier (zumindest von mir) so ziemlich alles zum Thema gesagt, und jedes Weiterdiskutieren führt wahrscheinlich nur
zum Lauterwerden.

Andererseits würde mich interessieren, wieviele Diskutanten und -onkel sich fänden, wenn jemand einen Austausch über blödeste
Verdenglischungen, über Abkürzungswahn, über die Kommagießkanne oder auch Kommawüsten, über den Verfall des korrekten Satzbaus und
viele andere Fehlerhäufungen begänne. Dort findet in den letzten Jahrzehnten ein Massaker an der deutschen Sprache statt, das überhaupt
nicht angesprochen wird, aber Grundfertigkeiten betrifft. Zeigt: Doof sein darf jede*r, aber wenn ein berechtigter gesellschaftlicher Grund
hinter einer angestrebten Sprach- und Schreibänderung besteht, dann isses "I-DE-O-LO-GISCH!!!!!!!"

In meiner Gegend fährt ein Werbefahrzeug der AfD (das sind die Gralsritter aller Deutschtümelei!) herum.
Die Aufschrift: "Politik mit gesunden Menschenverstand!"

Bleibt mir nur, allen ein leckeres Spiegelei zu wünschen.
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spiralnebel111
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von spiralnebel111 »

1. Ich finde die Diskussion zum Gendern absolut wichtig. Es mußte (muß?) darüber gesprochen werden.
2. Ich mag es trotzdem nicht.

Ein Aspekt fehlt: Ich denke wir Frauen im Jahr 2024 sollten selbstbewußt genug sein um bei der männlichen Form der gemeinsamen Anrede
entspannt zu bleiben. Was soll's? Wir wissen doch wo es herkommt.
Es gäbe zum Thema "weibliche Emanzipation" viel wichtere Dinge zu bereden, die anscheinend nirgendwo zur Sprache kommen.
Man darf auch nicht vergessen, daß im Deutschen gerne mal Artikelsalat gerührt wird: ist die Person immer eine Frau? Sind die vierhundert Gäste automatisch nur Männer? Oder ist gar die Leiche nie ein Mann?
Wo fängt man an? Wo hört man auf? Oder: Wo fängt man/frau an? Wo hört frau/man auf?
Sensenmann
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von Sensenmann »

Hallo spiralnebel11,
ohne dich überzeugen zu wollen - ich bin in der ganzen Geschichte sowieso für weitestgehende Freiwilligkeit, zumindest im privaten Raum -
wollte ich doch noch anmerken, dass deine Beispiele nun am ehesten gar nichts mit der sprachphilosophischen Befründung fürs Gendern zu
zun haben. Klar wird auch bei solchen Beispielen drum gestritten, aber das geht dann kaum von den Initiator*innen aus. Denen geht es in
erster Linie um Beispiele, in denen sich jahrhundertealte patriarchale Machtverhältnisse widerspiegeln. "der Doktor", "der Meister", "der Chef",
ganz viele Berufsbezeichnungen sowieso, in denen durch männliche Schreib- und Sprechweise die Vorstellung betoniert bleibt, dass man sich in
der Rolle eben eher einen Mann vorstellt als eine Frau oder gar eine nichtbinäre Person.

Dieses "Ich hätt' gern mal den Chef gesprochen!" soll einfach langsam aus den automatisierten Denkmustern verschwinden.
Ironische Wortakrobatik an Stellen, wo es mehr oder weniger um nichts geht, ist eine typische Abwehrreaktion, das Ganze als lächerlich und
unnötig darzustellen und zeugt nicht davon, dass sich jemand ernsthaft um den Sinn des Genderns Gedanken macht.
Was ich dir aber keineswegs vorhalten möchte. Ich kenne dich von hier ja als Mensch mit Kopf und Haltung, wenn es um ernsthafte Dinge geht.
briefmarkenjaeger
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Re: Gendern muss nicht sein

Beitrag von briefmarkenjaeger »

Der Titel Doktor hat aber in meinen Augen nichts mit "patriarchalischen Machtverhältnissen" zu tun. Wenn ich beim Doktor bin, so sage ich Herr Doktor... oder Frau Doktor... und nicht Frau Doktorin...
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