Angelika Godau: Herbstwunder (Band 6 der Reihe)

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Vandam
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Angelika Godau: Herbstwunder (Band 6 der Reihe)

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Angelika Godau: Herbstwunder, Band 6, Zweibrücken 2023, ‎Independently published, ISBN 979-8-86254920-1, Softcover, 268 Seiten, Format: 12,7 x 1,55 x 20,32 cm, Buch: EUR 9,95, Kindle: EUR 3,99.

„Armer Kleiner, du wirst in eine sehr chaotische Familie geboren.“
„So ein Unsinn“, empört sich Inge umgehend. „Wir sind überhaupt nicht chaotisch. Wir lösen alle auftauchenden Probleme und halten zusammen. Wir sind eine wunderbare Familie. Sollen uns andere erst mal nachmachen.“
„Du hast recht. Ich formuliere es mal um: Er wird in eine Familie hineingeboren, in der es jeden Tag eine neue Katastrophe gibt. Zufrieden?“
(Seite 259)

Erstens kommt es anders …

„Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt“. Das gilt nicht nur für die Heldin dieser Serie, Inge Berger-Brinkmann, und ihre trubelige Patchworkfamilie, sondern auch für die Buchreihe selbst. Eigentlich hätte ja schon mit dem fünften Band Schluss sein sollen, und jetzt gibt es zur Freude der Fans doch noch einen Band 6.

Kenner:innen der Reihe ahnen es schon: Das bedeutet, dass all die schönen Pläne, die Inge, ihr nagelneuer Ehemann Jonathan, ihre Kinder und Enkel nebst Haushälterin Else im letzten Band geschmiedet haben, schon wieder Makulatur sind.

Keine Hochzeitsreise, kein Umbau

Nix wird’s mit der Hochzeitsreise auf Jonathans Finca auf Teneriffa! Wieder mal! Inges Tochter Sarah Hellwig (40), die immer noch an den Folgen einer schweren Erkrankung laboriert, liegt erneut Krankenhaus. Dieses Mal wegen einer Risikoschwangerschaft. Unter diesen Umständen wird natürlich auch nichts aus dem Umbau des Hauses und Sarahs Zusammenleben mit ihrem Partner Stefan und dessen Kindern.

Da kann Stefan noch so optimistisch sein und Haushälterin Else, die ja eine medizinische Vorbildung hat, mit Engelszungen reden: Sarah sieht schwarz und geht mit ihren Wehklagen allen auf die Nerven. Natürlich ist sie es, die liegen soll, und wenn das Kind tatsächlich mit einer Behinderung zur Welt kommen sollte, dann wird sie den Löwenanteil der Sorgearbeit leisten müssen. Ihre Sorgen sind berechtigt und nachvollziehbar, aber sie ist schon einsame Spitze darin, zu jammern und den Weltuntergang heraufzubeschwören.

Weltuntergangsstimmung bei Hellwigs

Ihre Kinder Lara (15) und Lars (13) haben dieses zweifelhafte Talent von ihr geerbt. Ja, sie haben einiges mitgemacht: Trennung der Eltern, beide Elternteile sind wieder liiert und erwarten in der aktuellen Beziehung Nachwuchs, dazu der Umzug, die Krankheit der Mutter, Omas neuer Mann – und das alles mitten in der Pubertät, das ist schon ein Paket!

Die Ärmsten der Armen sind sie deswegen noch lange nicht! Da hat das Schicksal bei Laras Freundin Lisa und deren Familie deutlich heftiger zugeschlagen. Die nimmt’s ergeben hin. Sie kann ja nichts daran ändern. Diese Gelassenheit ist den Hellwig-Kindern fremd. Sie sind gegen alles und jedes und haben einen Ton am Leib, der nicht nur Stief-Großvater Jonathan sauer aufstößt. Vielleicht hat man den beiden aus lauter Mitgefühl und Rücksichtnahme doch zu viel durchgehen lassen.

Superheldin Lara

Horror-Teenie Lara scheint schon ein wenig auf dem Weg der Besserung zu sein. Sie ist in diesem Band sowieso die meiste Zeit abwesend – Klassenfahrt – und hat nicht viel Gelegenheit, andere Menschen anzublaffen, zu verletzen und rücksichtslos auf deren Gefühlen herumzutrampeln. Im Gegenteil! Sie wird aufgrund eines dramatischen Vorfalls als Lebensretterin und Superheldin gefeiert. Das steht sogar in der Zeitung! Mit Fotos! Aber ist wirklich alles so abgelaufen, wie sie es überall erzählt? Opa Jonathan, der pensionierte Polizist, hat da so seine Zweifel …

Dieses Mal ist es Laras Bruder Lars, der sich wie die Axt im Walde aufführt. In den vorigen Bänden, als er noch nicht in der Pubertät war, hat er sich nur fürs Essen und den Computer interessiert und war nicht weiter lästig. Jetzt, mit 13, läuft er in Punkto Gemeinheit zu großer Form auf und steht seiner Schwester in nichts nach. Nein, seine Mutter will er nicht im Krankenhaus besuchen. Und nein, auf seinen leiblichen Vater Alex hat er erst recht keinen Bock. Die kriegen alle neue Kinder mit irgendwelchen fremden Leuten, statt sich um die Kids zu kümmern, die sie sowieso schon haben! Ich kann ihn sogar verstehen. Aber das Leben ist eben nicht immer fair.

Alles unfair!

Unfair ist auch, wie alle auf Lars‘ neuem Kumpel Jörg herumhacken, ohne ihn jemals zu Gesicht bekommen zu haben. Vor allem Lara tut sich da unangenehm hervor. Übt Jörg wirklich so einen schlechten Einfluss auf Lars aus? Haushälterin Else weiß mehr, sagt aber nix. Aus Gründen … Und wie Lara ihren Freund Mike behandelt, ist auch unter aller Kanone. Mal sehen, wie lange der sich das noch gefallen lässt!

Es ist schon was dran an Sarahs Spruch, dass es in dieser Familie täglich neue Katastrophen gibt. Kaum setzt sich jemand von den Berger-Brinkmann-Hellwigs mal gemütlich hin und will ein bisschen durchatmen, kommt schon wieder ein Anruf mit einer neuen Hiobsbotschaft. Tiefenentspannt ist hier nur der Hund.

Knall auf Fall muss Jonathan nach Teneriffa fliegen und auf seiner Finca nach dem Rechten sehen. Das gestaltet sich schwieriger und langwieriger als gedacht. Und wie sich die Wohnsituation der gesamten Sippe regeln soll, wo das jetzt mit dem Umbau nicht klappt, das steht auch noch in den Sternen.

Das würde ich jetzt aber schon gern wissen. Und so manches andere auch. Ob es nach dem sechsten Band des ursprünglichen Fünfteilers auch noch einen Band 7 gibt? Warten wir’s ab!

Gewissensfragen

HERBSTWUNDER kommt mir ernster vor als die Vorgängerbände. Es ist nicht ganz so viel Remmidemmi, dafür werden ein paar heftige Themen angesprochen. Sarahs Gewissensfrage, was sie tun wird, wenn es sicher ist, dass ihr Kind eine Behinderung haben wird, ist nur eines davon.

Das Schöne an den Romanfiguren ist, dass sie zwar stur wie die Esel sein können, sich aber vernünftigen Argumenten nicht gänzlich verschließen. Es mag dauern, doch schließlich erweisen sie sich als lernfähig. Alle – bis auf Sarahs Ex-Gatten Alex, den Vater von Lara und Lars. Der ist von Band 1 bis Band 6 immer derselbe D*pp und außerstande zu erkennen, dass seine Aktionen für andere Menschen Konsequenzen haben. Vielleicht ist es ihm auch wurscht, das kann natürlich sein.

Es ist ja auch sehr bequem, sorglos durchs Leben zu latschen, ohne nach links und rechts zu schauen, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und gar nicht darauf zu achten, wie es anderen damit geht. Ich glaube, der wird nicht mehr gescheit. Dazu bräuchte es schon mehr als ein HERBSTWUNDER. Über die rabiaten Hellwigs – Sarah, Lars und Lara – kann ich mich mit größtem Vergnügen aufregen. Der unsensible Egoist Alex Hellwig lässt mich nur sprach- und fassungslos zurück.

Die Autorin

Angelika Godau, geboren in Oberbayern, hat in verschiedenen Regionen Deutschlands gelebt und fast 10 Jahre lang in der Türkei. Sie hat als Journalistin gearbeitet, Psychologie studiert und in Mannheim eine eigene Praxis betrieben. Heute lebt sie mit ihrem Mann, zwei Hunden und einer Katze in Zweibrücken, schreibt Bücher und engagiert sich im Tierschutz.
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