Sylvia Floquet: Mörderisches Barcelona. Kriminalroman

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Vandam
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Sylvia Floquet: Mörderisches Barcelona. Kriminalroman

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Sylvia Floquet: Mörderisches Barcelona. Kriminalroman, München 2024, Piper Verlag, ISBN 978-3-492-50450-8, Softcover, 352 Seiten, Format: 12.3 x 3.2 x 18.5 cm, Buch: EUR 18,00, Kindle: EUR 5,99.

„Ein normaler Mensch muss enorm unter Druck geraten, um zu morden. Das häufigste Mordmotiv ist immer noch Kränkung und Verletzung des Selbstwertgefühls – gefolgt von Rache, se*uellen Mordmotiven, Eifersucht, Hass und Liebe oder Gier.“ (Seite 294)

Barcelona, in einem glutheißen Juni: Es läuft derzeit nicht gut für Kriminalkommissarin Dolors Canovas (37). Ihre Ehe mit dem erfolgreichen Modefotografen Miguel ist am Ende. Seit kurzem wohnt sie – vorübergehend – mit ihren Kindern Pablo (14) und Mila (11) bei ihrer Freundin Anna.

Bei der Arbeit vermisst sie schmerzlich ihren langjährigen Kollegen Manel Oriol, der für die Dauer seiner Erkrankung mehr schlecht als recht von irgendwelchen Springern vertreten wird. Der neueste, Xavi Martinez (32) wirkt zwar kompetenter als seine Vorgänger, hat aber keinerlei Gespür dafür, wann er den Mund halten sollte.

Vor die U-Bahn gestoßen!

Dolors hat ständig Ärger mit ihren übergriffigen Eltern – und mit ihrer Chefin, die ihr eine leitende Funktion nicht zutraut. Da trägt es nicht zur Verbesserung ihrer Laune bei, dass sie Sonntag nachts um 3 Uhr zu einem Tatort gerufen wird – und zu so einem grausigen noch dazu! Jemand hat eine junge Frau vor die U-Bahn gestoßen! Da bleibt von einem Menschen nicht viel übrig.

Der U-Bahn-Fahrer ist fertig mit der Welt und kann nicht viel zur Aufklärung beitragen. Er hat nur eine dunkel gekleidete schattenhafte Gestalt am Bahnsteig gesehen und kann nicht mal sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war. Andere Zeugen? Fehlanzeige! Und die Videoaufzeichnungen der zuständigen Sicherheitsfirma sind auch keine Hilfe. Die wurden gehackt und manipuliert.

Wer tötete die Tänzerin? Und warum?

Die Tat war offensichtlich aufwändig und von langer Hand vorbereitet. Und das alles, um eine Balletttänzerin umzubringen? Denn bei der Toten handelt es sich um Julia Toset Buxeda, die neue erste Solotänzerin des bekannten Ensembles „Agita Danza“.

Künstler, oh je! In dem Metier kennt sich die Kommissarin aus. Julia Toset Buxeda ist ihr ein Begriff. Dolors Tochter Mila ist nämlich eine begeisterte Ballettschülerin, da bekommt man als Mutter zwangsläufig einiges mit.

Wer weiß was über Julia?

Je mehr man über ein Opfer weiß, desto eher kommt man auf das Tatmotiv und – hoffentlich – auch auf die Tatperson. Doch über Julia gibt es nur ein paar dürre Fakten: jung, wandlungsfähig, talentiert und irgendwie rastlos. Sie stammte aus Barcelona und hat sich ihre Karriere hart erarbeitet. Vor zwei Jahren muss ihr etwas Traumatisierendes widerfahren sein. Knall auf Fall hat sie damals ihre Heimatstadt und ein gutes Engagement verlassen und ist seitdem durch die Welt gereist. Hier ein Engagement, dort ein Engagement – und dann schnell wieder weg. Julia hat ihre Mitmenschen auf Distanz gehalten. Weggefährten beschreiben die Tänzerin als verletzlich und getrieben, als sei sie vor etwas oder jemandem auf der Flucht gewesen.

Erst seit kurzem war sie wieder zurück in Barcelona und hat dort gleich den der Part der Primaballerina bei „Agita Danza“ ergattert. Das hat natürlich den Kolleginnen nicht gepasst, die selbst darauf spekuliert hatten. Aber begeht man deshalb einen Mord? Mehr über Julias Vergangenheit müsste eigentlich der reifere Herr wissen, der sie öfter zuhause besucht hat. Ihr Freund, ihr Liebhaber? Doch niemand weiß, wer der Kerl ist.

Nicht alle sind so ahnungslos …

Zwischen eskalierendem Familienzoff, Wohnungssuche und Kollegen-Querelen kämpft sich Kommissarin Dolors Canovas durch diesen undurchsichtigen Fall. Doch nicht alle Befragten sind so ahnungslos, wie sie sich geben. Tänzerin Aina Dumont hat etwas beobachtet, hat aber nicht die Absicht, mit ihrer Erkenntnis zur Polizei zu gehen.

Da geschieht ein zweiter Mord. Dolors und ihre Kolleg:innen begreifen langsam, was gespielt wird. Und dann verschwindet die kleine Mila aus ihrer Ballettstunde und taucht nicht mehr auf. Alle Welt hat gewusst, dass sie die Tochter der ermittelnden Kommissarin ist. Dolors wähnt ihr Kind in der Gewalt der tatverdächtigen Person. Kindesentführung! Flucht und Geiselnahme! Und ihre Kolleg:innen packen das ganz große Besteck aus …

Der Kommissarin einen Schritt voraus

Ruckzuck ist man als Leser:in in der Geschichte drin und fühlt mit Kommissarin Dolors, die im Moment mehr zu bewältigen hat als sie verkraften kann. Man kann ihre Familiensituation nachvollziehen: Als ihr Mann noch ein „brotloser“ Künstler war, hat sie die Familie ernährt und er war Hausmann. Als er beruflich durchgestartet ist, ist dem Paar dieses Arrangement um die Ohren geflogen und sie haben es nie geschafft, ein neues Organisationsmodell zu finden, mit dem sie beide zufrieden gewesen wären. Jetzt tobt der Rosenkrieg. Kein Wunder, dass Dolors in diesem aktuellen Fall Hinweise übersieht, die wir Leser:innen sehr wohl bemerken. Aber uns steht ja auch die „Stimme“ der Autorin zur Verfügung, die diese Hinweise dezent streut. Und so möchten wir manchmal am liebsten in die Geschichte hineinrufen: „Da, schau mal genauer hin!“

Wird das eine Serie?

Wird das eine Serie? Ich wäre nicht abgeneigt, die Kommissarin bei weiteren Ermittlungen und Familienkatastrophen zu begleiten. Ich würde auch gerne sehen, wie sich die Gruppendynamik bei den Ermittelnden verändert, wenn Manel Oriol wieder auf seinen Posten zurückkehrt. Tritt Dolors dann wieder geräuschlos in die zweite Reihe? Was wird aus Xavi? Der wäre in dem Fall überflüssig. Was schade wäre. Na, wir werden sehen!

Wer sonst nie die Danksagung am Schluss eines Romans liest, sollte hier vielleicht eine Ausnahme machen. Ich fand’s so klasse, wie die Autorin ihre Recherchetour durch Barcelona beschreibt: Kreuz und quer durch die Stadt mit einem sachkundigen Insider – auf dem Sozius eines Motorrads. Herrlich!

PS: Niemand ist allsehend und allwissend, auch nicht das PIPER-Korrektorat. 😉 Was Xavi auf Seite 283 meint, ist ein Prepaid-Handy!

Die Autorin

Schon mit zehn Jahren wollte Sylvia Floquet Romanautorin werden, direkt nach dem Abschluss ihres Studiums hat sie damit losgelegt: Über viele Jahre hat sie unter verschiedenen Pseudonymen (u.a. Lea Korte, Ana Capella) Romane bei großen Publikumsverlagen veröffentlicht (Piper, Knaur, Aufbau, Heyne, Lübbe, Weltbild, Bertelsmann der Club). Seit 2013 coacht sie neben ihrem eigenen Schreiben in ihrer Romanschmiede Autoren und hilft ihnen, das Schreibhandwerk zu lernen, ihr eigenes Romanprojekt zu entwickeln und zu veröffentlichen. Neben dem Schreiben malt Sylvia Floquet: Hyperrealismus und Porträtzeichnen macht sie am liebsten - und Urban Sketching in Städten wie Barcelona und Paris, ihren Lieblingsstädten.
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