Der Kindersammler von Sabine Thiesler

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Welchen Wert hat die Sprache im Vergleich zum Inhalt eines Buches für Euch ?

Ich lese lieber schwachen Inhalt mit genialer Sprache als andersherum. Das macht für mich einen Großteil der Lesequalität aus.
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Ich lege wenig wert auf geschickten Sprachgebrauch, mich interessiert nur die Story.
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Insgesamt abgegebene Stimmen: 14

Stefanie
Beiträge: 5
Registriert: Do 25. Sep 2008, 09:29

Der Kindersammler von Sabine Thiesler

Beitrag von Stefanie »

Es geschieht am helllichten Tag
Anne und ihr Mann Harald erleben den Albtraum aller Eltern: Während eines Toscana-Urlaubs verschwindet ihr Kind beim Spielen spurlos. Die Suche der Polizei verläuft ergebnislos, und sie müssen ohne ihren Sohn nach Hause fahren. Zehn Jahre später kehrt Anne an den Ort des Geschehens zurück, um herauszufinden, was damals passiert ist. Sie ahnt nicht, wie nah sie dem Täter kommt - und er ihr. Ein Roman, der einem zuweilen den Hals abschnürt, so schrecklich realistisch ist die Geschichte.


Das Buch war so spannend und real, dass ich es kaum noch weglegen konnte. Ich habe plötzlich überall gelesen, auch unterwegs. Da ich Sprachfetischistin bin, muss ich allerdings sagen: tolle Story aber mässig interessanter Sprachgebrauch. Trotzdem absolut lesenswert.

Ich wäre an Meinungen zum Thema Sprache interessiert. Wie viel Wert messt ihr der Sprache gegenüber dem Inhalt bei ?

Gruß Stefanie
el

Beitrag von el »

Najas. die tollste sprache nutzt nix wenn der Inhalt schlecht ist
Andersrum kann man mit beschissener Sprache auch eine tolle Story kaputt machen. also die wahrheit ist für mich irgendwo zwischendrin
Moranda
Beiträge: 1749
Registriert: Do 3. Aug 2006, 17:43

Beitrag von Moranda »

Hallo Zusammen,

ich lese gerade einen Kriminalroman, der mir inhaltlich gut gefällt. Aber sprachlich ist das Buch unmöglich.

Es ist eine Übersetzung aus dem Englischen und ich frage mich, ob es daran liegt.
Manchmal gibt es da Zweideutigkeiten, bei denen man nicht weiß, wovon die Rede ist. Zum Beispiel ist aus einem Satz nicht zu ersehen, ob es sich um den Ehemann oder einen Dritten handelt.

Dann steht da, sie wurde von Männern so schlecht behandelt, wie sie ihre Bücher behandelte und in den folgenden Sätzen geht alles durcheinander,
mal ist von der Frau die Rede und mal von Büchern. Anstrengend, man muss alles mehrmals lesen um da durchzusteigen.

Zu guter Letzt stimmen gelegentlich auch die Begriffe nicht. Etwas wird als inzestiös bezeichnet, obwohl das damit überhaupt nichts zu tun hat.

Wahrscheinlich ein Übersetzer, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Man fragt sich, ob es keine Lektoren in den Verlagen mehr gibt?
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Vidya Venn
Beiträge: 12653
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Beitrag von Vidya Venn »

Da haste wohl Recht Moranda, dass viel vom Übersetzer abhängt. Meine Lieblingsübersetzerin ist immernoch Mechthild Sandberg Ciletti. Ich meine, sie hat lange die Elisabeth George übersetzt. Und dann hat die Übersetzerin gewechselt, und ich hatte totale Schwierigkeiten in den Sprachstil reinzukommen. Ich kann mir nicht so vorstellen, dass sich der Stil der Schriftstellerin so geändert hat. Es hat auch schon Bücher gegeben, wo ich auch gedacht habe, möchte doch zu gerne mal wissen, wie das im Original ausgedrückt ist. Wobei im Original immer für mich Englisch heißt. Und wenn ich die Möglichkeit des Vergleichs hatte, passte manches Mal die Übersetzung nicht nur vom Wort, sondern auch von der damit vermittelten Stimmung her nicht. Oder I'd wird am häufigsten mit ich würde übersetzt. Manches Mal heißt es aber auch ich hatte, ich war, ich hätte oder ich wäre...
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Vidya Venn
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Beitrag von Vidya Venn »

Und noch mal zum Kindersammler zurück. Inzwischen habe ich das Buch gelesen, und es ist mir nicht aufgefallen, dass der Sprachstil so schlecht sein soll. Und zur Story: realistisch, grausam, aber auch für den Kindersammler selbst, grausam
pep
Beiträge: 359
Registriert: Mi 3. Dez 2008, 01:25
Wohnort: süddeutschland

Beitrag von pep »

Hallole!

Der Sprachgebrauch ist auch für mich sehr wichtig. Sprache ist zuweilen nur für sich selbst gesehen, einfach schön. Manchmal verweile ich bei einem Satz, lese ihn mehrmals und lasse ihn nachklingen.

Sie ging mit ihrer Kraft so behutsam um wie ein brotloses Revuegirl mit ihrem letzten Paar Strümpfen
eine Stille - mit Zacken wie Stacheldraht
haarlos wie ein Suppenteller

alle Raymond Chandler


Diese Erklärung stürzte Lalie wieder in sentimentale Nässe. Sie schluchzte. Ihr Adolf versuchte ihren Schmerz mit kleinen sanften Worten abzutupfen; dann sah er kein anderes Mittel mehr als ein Glas Rachenputzer, das sie hinunterkippte. Das Magenfeuer legte die Tränenfeuchtigkeit trocken.

Raymond Queneau: Ein Winter in Le Havre


Der Van-Allen-Gürtel ist der letzte Schutzring der Erdsphäre. Er absorbiert die Strahlungen aus dem Weltraum. Es ist eine große Leere ohne Vögel und Fische. Es sind elektromagnetische Kraftfelder. Sie leuchten sanft in der Finsternis.
Unten streckt sich die Erde. Wo Herbst wird, fliegen die Gänse fort. Die Menschen stehen am Weg und winken.

Peter Rossei: Der Fluß der Gedanken durch den Kopf - Logbücher
In dieser Richtung ist der Franzose Raymond Queneau mein Lieblingsschriftsteller. Er hat sich das spielen mit der Sprache zur Hauptaufgabe gemacht. Sein bekanntester Roman ist der verfilmte "Zazie in der Metro", aber interessant ist auch "Stilübungen - Autobus S". Eine kurze, banale Begebenheit wird 99 mal variiert erzählt. Unglaublich! Ansonsten, besondere und interessante Stellen finden sich in allen Büchern immer wieder.

Viele Grüße!
Zaebelchen
Beiträge: 5
Registriert: Do 4. Jun 2009, 09:45

Beitrag von Zaebelchen »

Den Kindersammler empfand ich rückblickend selbst nicht als besonders schockierend, in der Darstellung wie im Ganzen. Viel schlimmer finde ich die Tatsache, dass solche Dinge öfter geschehen, als man vielleicht öffentlich wahrnimmt...

Die Sprache selbst würde ich auch als nicht allzu gelungen bezeichnen, obwohl mir keine größeren Grauseligkeiten mehr in Erinnerung geblieben sind. Viel störender finde ich es teilweise, wenn Setzfehler auftauchen, also Buchstaben fehlen, falsch angeordnet sind oder die Syntax nicht korrekt ist.

pep's Zitate finde ich sprachlich schon sehr außergewöhnlich und lassen mich eher stutzen, als dass sie mich faszinieren :wink:

Dennoch ist eine schöne Sprache mit vielleicht nicht mehr gängigen Wörtern, einer etwas komplizierteren, aber dennoch flüssigen Satzstruktur einfach nur lesenswert. Kurze, einfache Sätze liegen mir selten. Ich besitze meist kein Faible für Bücher, in denen die Gedanken des Protagonisten größtenteils Inhalt sind.

Liebe Grüße,
Zaeb
Früher war ich unentschlossen, heute bin ich mir da nicht mehr so sicher...
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