spiralnebel111 hat geschrieben:Naja, wenn jahrelang nichts mehr zu einem Thema geschrieben wurde ist es doch sicherlich erledig und könnte verschwinden.
Das könnte den Guttenberg-Hetzern so passen! Ja, genau: Die Befürworter hetzen nämlich - umgekehrt wird ein Schuh draus. Aber auch das gehört zum Repertoire: Den Gegnern genau das vorzuwerfen, was man selber verbrochen hat. O-Ton Merkel:
Geschichtsklitterung nenne ich das. Alles was einem nicht gefällt, ausmerzen! Diese Methoden kennt man doch, sind auch gar nicht neu und gehören zum Standardrepertoire jeder Diktatur. Die alten Ägypter haben das schon zur Perfektion gebracht.
Das Internet ist gerade dadurch so interessant, dass es Fakten auf Fingerschnipp bereitstellen kann. Dabei zähle ich geäußerte Meinungen ebenfalls zu den Fakten, nämlich den geschichtlichen Fakten. Davor musste man mühsam in Bibliotheken und Redaktionen recherchieren, wenn das überhaupt möglich war. Heute kann sich jeder nach Belieben so umfassend wie möglich und nötig informieren. Dazu braucht er nur Zeit, einen halbwegs passablen Computer und einen funktionierenden Internetanschluss - je schneller, desto besser (und natürlich auch einige Kenntnisse und Fertigkeiten).
Die Auswirkungen dieser technologischen Errungenschaft können überhaupt noch nicht abgesehen werden. Wer immer Zugang zum Internet hat, weltweit, auch im hintersten Afrika, in den Anden, in China, kann die Zensur der Mächtigen unterlaufen. Deshalb finden alle diejenigen das Internet gefährlich, die etwas zu befürchten haben. Zusätzlich kann man über das Internet auch noch kommunizieren. Deshalb schalten die Diktatoren als erstes das Internet ab.
Es geht aber nicht nur um Politik, sondern um Bildung ganz allgemein. Wie viel haben clevere junge Leute in Europa und Amerika im 19. Jahrhundert darum gegeben, sich bilden zu können! Ich bin mal sehr gespannt, was diese Technologie noch alles in Bewegung bringen wird, welche Auswirkungen das auf die Länder der Dritten Welt haben wird. Auch hier gibt es ja eine Bewegung, die jedem Kind auf der Welt einen Computer (und möglichst Internetzugang) zur Verfügung stellen möchte.
Bei uns hat das Internet jedenfalls ganz aktuell eine erneute Diskussion des Demokratieverständnisses und der Grundwerte unserer Gesellschaft in Gang gebracht. Ich lebe schon eine Weile und kann mich nicht erinnern, dass diese Diskussion jemals so lebendig war.
Und je mehr sich die konservativen Kreise ins Abseits stellen, desto mehr Leute wachen auf. Merkel, Seehofer und Konsorten sollten sich nicht über ihr Volk beschweren, sondern sich an die eigene Nase fassen. Wenn unsere demokratische Vertreter offen die Demokratie verhöhnen, gehören sie abserviert, und zwar sofort. Solche Leute müssen unbedingt einen Denkzettel bekommen, noch mehr als der eitle Freiherr. Hier muss man nun festhalten, dass es die Kräfte aus CDU und CSU sind, die sich sehr weit aus dem Fenster lehnen. Wenn also jetzt einseitig auf die Schwarzen eingedroschen wird, liegt das in der Sache begründet. Würden sich die anderen Parteien dermaßen desavouieren, kriegten die genauso ihr Fett ab.
Ich finde, es fällt auf, dass die unterstützenden Stimmen in dieser Affäre durchweg von Leuten stammen, die ihre Positionen nicht begründen können und mit Ressentiments arbeiten. Alle anderen berufen sich nicht auf parteipolitische Positionen, sondern auf menschliche Grundwerte. Schon allein deshalb ist die Unterstellung, es handele sich hier um eine parteipolitische Hetzkampagne, völlig absurd. Und da unsere Politiker und Parteien ganz allgemein wenig geschätzt werden, stellt sich für die meisten Kritiker das Dilemma, dass man ja gerne wählen würde, wenn es denn eine Wahl gäbe, wenn wählbare Personen und Parteien zur Auswahl stünden.
Sofern nicht Gesetze verletzt werden, gibt es gar keinen Grund, Äußerungen mündiger Bürger im Internet verschwinden zu lassen. Leider wird es sich auf die Dauer vermutlich doch nicht verhindern lassen, dass das eine oder andere verlorengeht. Zwar nehmen die Speicherkapazitäten etwa im gleichen Maße zu wie die Datenflut, sollte aber die Plattform beispielsweise aus finanziellen oder gesellschaftsrechtlichen Gründen geschlossen werden, werden die von dieser getragenen Inhalte damit auch verschwinden.
In den USA haben schon vor Jahren Leute erkannt, dass wertvolle Inhalte verschwinden, und deshalb Archive.org gegründet. Der Anspruch ist, regelmäßig Schnappschüsse aller Seiten zu protokollieren. Dafür braucht man natürlich riesige Datenspeicher. Es funktioniert auch nicht perfekt, aber immerhin stichprobenartig. Damit konnte zum Beispiel nachgewiesen werden, dass Guttenberg den Titel bereits 2006 auf seiner Homepage führte. Das ist der Nachweis des Titelmissbrauchs. Auch in dieser Angelegenheit ist eine Klage anhängig. Pech für ihr ihn, dass man das heute dank des Internet und dank Archive.org so leicht nachweisen kann.