Flachs hat geschrieben:
Doch, denn es geht ja nicht darum, den roten Satz irgendwo mitten im Geschehen als sogenannten Cliffhanger zu verwenden, sondern darum, eine erklärende Geschichte rund um den Satz zu schreiben:
Naja, aber genau das ist doch geschehen.
Der Satz gibt uns einiges vor:
1. Wir haben eine Person, den griechischen Gott "Eros".
2. Wir haben ein Setting, nämlich einen Kosmos, in dem es Götter gibt, die mit Pfeil und Bogen schiessen.
Also ging es bei der Story darum, unter Berücksichtung der Punkte 1 und 2, zu erklären was der rote Satz bedeutet.
Der Rahmen wird auch dadurch beeinflusst, dass sämtliche Leser des Textes mit dem roten Satz vertraut sind und entsprechende Erwartungen, aber auch erhebliches Vorwissen mitbringen.
Gleichzeitig geht es darum, möglichst kompakt zu schreiben, im wahrsten Sinne sprachlich zu verdichten.
"Es hätte so ein schöner Tag werden können, was besonders erfreulich ist, wenn man schon etliche Tage gesehen hat. Er war schon früh aufgestanden und hatte sich gleich nach dem Frühstück auf einen ausgiebigen Spaziergang am Strand begeben, und so war er in bester Laune, als er die leicht ansteigende Auffahrt zu seiner Villa hinauf ging."
Wir haben also Gott Eros vor uns, hier in Gestalt eines reiches Lebemannes, mit Villa am Strand usw. . Gleichzeitig wird auf seine Unsterblichkeit verwiesen.
"Aber als er vor dem Haus den roten Ford Mercury sah, war seine Stimmung sofort ruiniert."
Hier wird sehr deutlich der zweite Akteur eingeführt, der Götterbote, bei den Griechen Hermes, bei den Römern Merkur.
So folgt also, nach der Exposition der Grundkonflikt des Textes.
Es folgt ein Dialog zwischen den Protagonisten, in denen mehrfach Dritte erwähnt werden, im einzelnen: Aphrodite (Venus), Hephaistos (Vulcanus) ,Ares (Mars) und schliesslich Zeus (Jupiter). Beiläufig erwähnt werden Anteros (Gott der verschmähten, unerwiderten Liebe), Harmonia (Göttin der Eintracht) , Deimos (Gott des Grauens), Phobos (Gott der Furcht) und Enyalios (Gott des Kampfes).
Eros wird nunmehr vor die Wahl gestellt: entweder er nimmt seinen römischen Namen (Amor) an oder er ist kein Gott mehr.
"Den Namen annehmen ? Hatte er denn was am Ohr ?"
In Moment der Entscheidung werden ihm die Folgen bewusst:
"In diesem Moment wurde ihm schlagartig klar, wie es sich anfühlt, sterblich zu sein.
Er dachte einen Augenblick nach und holte dann seine Waffe aus dem Haus, nur für alle Fälle. "
Hier laufen erstmals die verschiedenen Rezeptionsebenen des Textes zusammen, nämlich die oberflächliche, an drittklassige Gangsterfilme angelehnte Ebene des dialogischen Konfliktes und die hinter der Geschichte stehende Mythologie.
"Er ging zu der kleinen Anhöhe und sah eine sehr alte Frau auf dem benachbarten Acker Unkraut zupfen."
Dieser Satz führt unmittelbar auf den grundsätzlichen, verschlüsselt ödipalen, Konflikt des Gottes Amor zu, der, im Gegensatz zum Eros, versehentlich einen Pfeil auf seine Mutter Venus schiesst, worauf sich diese in Adonis verliebt.
Unser Eros hat diesen Schritt noch nicht getan, er ist noch eine griechische Gottheit.
Und so führt der im roten Satz erwähnte Schuss in die Brust der alten Frau genau dorthin, wohin Jupiter (Zeus), der "grosse Boss" ihn haben will; nämlich in die Person "Amor", ist letztendlich also gegen Eros selbst gerichtet.
Wäre auch nicht logisch wenn er sich gegen den Willen des "Paten" auflehnen könnte, schliesslich ist Jupiter ja doch der Obermacker von der Göttergang.
Allles klar ?
(EDIT:Tippfehler korrigiert.)