mich würde einmal ein Stimmungsbild interessieren, wie die Notwendigkeit von Realismus in Krimis/Thrillern gesehen wird.
Ob nun Fernsehen oder Buch, Krimis strotzen vor vielen kleinen, unnötigen Fehlern:
- Da wird munter mal festgenommen, mal verhaftet, mal vorläufig festgenommen, mal vorläufig verhaftet; immer sagt der Kommissar "Ich verhafte Sie!". Eigentlich ist die Sache klar: Die Polizei darf aus eigener Macht heraus nur das, was jeder Bürger darf, nämlich vorläufig festnehmen. Eine nicht vorläufige Festnahme ist nur dann erlaubt, wenn die Polizei als Institution verbal oder tätlich angegriffen wird. Und Verhaftungen erfordern immer einen richterlichen Haftbefehl, der Polizist sagt dann "Sie sind verhaftet", nicht "Ich verhafte Sie", das tut er nämlich nie. Eine vorläufige Verhaftung ist vollkommener Quatsch. Eigentlich doch gar nicht so schwer, sollte man meinen, aber es geht nicht in die Schädel von vielen Krimiautoren hinein.
- In Krimis ist immer vom "Verhör" die Rede. Das ist auch der Terminus technikus, aber die offizielle Bezeichnung lautet "Vernehmung". Im Deutschen ist das Wort "Verhör" durch Gestapo- und Stasi-Vergangenheit belastet. Wenn dann in einer Fernsehserie ein Satz fällt wie "Das war noch kein Verhör, das war nur eine Vernehmung", dann ist der Schwachsinn komplett.
- In der gleichen Krimiserie fiel auch der Satz "Ich bin kein Polizist, ich bin Kriminalkommissar, das ist etwas anderes." Den Drehbuchautoren würde ich gerne mal sprechen und fragen, was er eigentlich raucht, wenn er schreibt.
- Nicht ganz so plump, aber doch immer wieder ungern gehört und gelesen: Da ist auf Polizeirevieren von Arbeitsgericht, Arbeitsverträgen, Abmahnungen, Einstellungen zur Probe (die der jeweilige Kommissar nach eigenem Gusto erteilt oder auch nicht) die Rede, als ob Polizisten keine Beamten wären, die eben dem Beamtenrecht des jeweiligen Landes oder des Bundes (im Falle der Bundespolizei) unterworfen wären.
- Die ewigen Praktikantinnen, die diesen Status auch noch mit weißen Haaren innehaben werden, egal ob aus Finnland, Kasachstan oder überhaupt, sind natürlich auch lästig.
- Jeder Krimi muss heute Rechtsmediziner und deren Untersuchungen enthalten. Dass diese - anders als amerikanische Coroner - nicht Bestandteil der Polizei, sondern eines Klinikums und somit keine Kollegen der Polizisten sind, ist nur ein Teil der falschen Darstellung. Dass sie nur für medizinische Untersuchungen (übrigens nicht nur an Leichen, sondern zB auch zur Feststellung von Kindesmisshandlung an glücklicherweise noch lebenden Kindern oder zur Beweissicherung an vergewaltigten Frauen) zuständig sind, ist eine weitere Tatsache. Dass Leichenschauen oder Obduktionen, wenn von der Staatsanwaltschaft angeordnet, nicht in einem leeren Saal stattfinden, bei dem die Polizei mal kurz vorbeischaut, sondern immer mit mindestens zwei ausgebildeten Ärzten, meist in einem Saal, der den Charme eines Hauptbahnhofs zur Hauptverkehrszeit versprüht, und dass mindestens zwei Polizisten die ganze Zeit schon kraft Gesetzes anwesend sein müssen, sollte zumindest in Büchern richtig dargestellt werden, in Filmen ist das vielleicht nicht immer möglich, das sähe ich notfalls ein.
- Über die Konkurrenzen zwischen Landes- oder gar Bundeskriminalamt, deren Vertreter immer auftreten, als seine sie der Sonnenkönig persönlich, mit den betroffenen Kommissariaten ärgere ich mich schon gar nicht mehr (obwohl diese Ämter meist als Dienstleister zu Hilfe gerufen werden). Wohl aber, wenn der Verfassungsschutz wie der MI5 und seine Vertreter wie James Bond auftreten, mit Waffen hantieren und die ganze Republik verwanzen.
- Richtig ärgern tu ich mich, wenn es den Polizisten so völlig egal ist, ob sie in verschlossene Wohnungen eindringen, bei Vernehmungen täuschen und tricksen, angeblich unbegrenzte Konteneinsicht haben (was natürlich auch nur durch eine richterliche Anordnung geschehen kann) oder überhaupt der berühmte Satz fällt "bei einem Mord dürfen wir alles!"
- Und dann sind da noch die Staatsanwälte, die manchmal gar nicht da sind, obwohl sie eigentlich im Strafverfahren die Ermittlungen leiten müssten. Oder die immer da sind und auch disziplinarische Rechte haben, als seien sie Dienstvorgesetzte der Polizisten und könnten mit einem Satz deren Karrieren vernichten. Oder die gleich das ganze Verbrechen aufklären.
- Genauso schlimm sind die Darstellungen der Schupo, die zu Aktenträgern, Kaffeeholern und überhaupt nur Befehlsempfängern der allmächtigen Kommissare degradiert werden.
Ich frage mich natürlich auch, warum die blöden Attentäter immer einen roten und einen blauen Draht nehmen (statt einfach überhaupt nur eine Farbe und warum überhaupt noch Drähte statt gleich einer Platine - am besten SMD-Technik - und warum einer davon immer alles abbrechen muss, aber der andere nicht und warum die Bombe nicht einfach hochgeht sondern immer einen Countdown hat - naja, das mag dramaturgisch bedingt sein, ist aber Quatsch - und überhaupt, ist das nicht alles abgelutscht?).
Natürlich kann man die Polizeiarbeit nicht realistisch darstellen, jeder wirklich realistische Krimi wäre wahrscheinlich stinklangweilig. Aber gerade die unsaubere Darstellung von solchen Kleinigkeiten, die eigentlich jedes Mal doch vielen Menschen auffallen müsste (viele Menschen sind im öffentlichen Dienst und kennen sich mit Beamtenrecht aus, viele Menschen arbeiten in Banken und wissen, wie die Polizei an Informationen kommt und das das nie mit einem Anruf aus dem Kommissariat getan ist; viele Menschen würden sich zu Recht dagegen verwahren, wenn sie so von der Polizei behandelt würden, wie es viele Krimi(drehbuch)autoren offenbar für opportun halten).
Natürlich rede ich nicht von Krimiserien, in denen ein niedlicher Hund, ein affiger Affe, ein hiernichtszusuchenhabender Seelöwe, ein fetter Priester, eine freche Nonne, ein gestörter Psychologe, eine alberne Gärtnerin, eine affige Rentnerin mit nerviger Stimme in Möchtegernmissmarplemanier oder Sky Dumont den Helden spielen. Sowas lese ich gar nicht oder sehe es nur unter Zwang meiner Kinder (Sky Dumont nicht einmal dann).
Wie seht ihr das? Stoßen euch solche Fehler (vor allem die, die so einfach zu vermeiden sind) auch sauer auf oder sind sie euch egal? Und selbst wenn sie den meisten Lesern oder Zuschauern egal sind, sollte man sie nicht trotzdem vermeiden?